Herzlichen Glückwunsch, Xie Jun

von André Schulz
30.10.2020 – Seit vielen Jahren dominieren chinesische Frauen die Schachszene und haben seit 1991 sechs Weltmeisterinnen gestellt. Die erste Schachweltmeisterin aus China war Xie Jun. Heute feiert sie ihren 50sten Geburtstag. Im Interview beantwortet Xie Jun Fragen zu ihrer Karriere.

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In China ist eine eigene Variante des Schachspiels populär, das Xiangqi, oder chinesische Schach. Das westliche Schach ist erst in den letzten Jahrzehnten populär geworden, und inzwischen gibt es eine Reihe von sehr starken chinesischen Spielern, die mit den besten Spielern der Welt mithalten können. 

Im Frauenschach haben die Chinesinnen schon seit Jahren die Führungsrolle übernommen und stellten seit 2001 sechs Weltmeisterinnen, zuletzt Ju Wenjun, Tan Zongyi und Yifan Hou, davor Xu Yuhua und Zhu Chen. Die erste Schachweltmeisterin war Xie Jun, vor bald 30 Jahren.

Als völlig Unbekannte qualifizierte sich Xie Jun 1990 für das Kandidatenturnier der Frauen, besiegte Alisa Maric im Kandidatenfinale und entthronte dann auch noch Maia Chiburdanidze als Weltmeisterin.

Xie Jun gegen Maia Chiburdanidze

1993 verteidigte sie ihren Titel gegen Nana Iosseliani, verlor ihn dann aber 1996 im Wettkampf gegen Zsusza Polgar. Nachdem Polgar 1999 nicht zur Titelverteidigung antrat - sie war kurz zuvor Mutter geworden - spielten Xie Jun und Alisa Maric um die Weltmeisterschaften und Xie Jun gewann das Match und ihren Titel zurück. Sie gewann dann 2000 auch die erste Frauen-Weltmeisterschaft, die im K.o.-Format durchgeführt wurde. An der K.o.-WM 2001 nahm sie jedoch nicht mehr teil. Zhu Chen wurde Xie Juns Nachfolgerin als Weltmeisterin.

1998, 2000 und 200 gewann Xie Jun mit dem chinesischen Team dreimal in Folge Gold bei den Frauen-Schacholympiaden. 2002 war Xie Jun erstmals Mutter geworden. Die Schacholympiade 2004 war dann ihr letzter ernsthafter internationaler Wettbewerb.

Ihre letzte Turnierpartie datiert aus dem Jahr 2007. Jetzt ist sie als FIDE-Zonenpräsidentin für China schachpolitisch und organisatorisch aktiv. 

Über ihrer Karriere, ihre ersten Begegnungen mit der internationalen Turnierschachszene und ihren Weg zur Weltmeisterschaft hat Xie Jun seinerzeit ein sehr lesenswertes Buch geschrieben, Xie Jun: Chess champion from China. Gambit Publications, London 1998.

Anlässlich ihres 50sten Geburtstages beantwortete Xie Jun einige Fragen zu ihrer Schachkarriere.

André Schulz: Wann hast du Schach gelernt und wer waren deine Lehrer und Trainer?

Xie Jun:Ich war zehn Jahre alt, als ich die Regeln des westlichen Schachs gelernt habe. Im Laufe meiner Karriere hatte ich zahlreiche Trainer, ganz zum Schluss habe ich mit GM Ye Jiangchuan zusammengearbeitet.

Wie hast du trainiert? Hast du in speziellen Fördercamps Training und Unterricht erhalten?

In Peking gibt es eine Reihe von Jugendzentren, in die Jugendliche nach der Schule gehen können, um dort Sport zu treiben und zu trainieren. Nachdem ich Schach gelernt habe, bin ich etwa fünf Jahre regelmäßig in ein solches Jugendzentrum gegangen, um zu trainieren.

Das war in den 1980ern. Gab es damals Vereine in China, in denen westliches Schach gespielt wurde?

Nein.

1991 bist du die erste chinesische Frauenweltmeisterin geworden – viel Talent oder viel Arbeit?

Natürlich wäre es albern, wenn ich behaupten würde, dass ich kein Talent hätte und wenig gearbeitet habe. Aber das Wichtigste ist, dass ich Schach einfach leidenschaftlich liebe.

Wie haben die anderen Spielerinnen reagiert, als du auf der internationalen Schachbühne aufgetaucht bist und wenig später die erste chinesische Schachweltmeisterin wurdest??

Die chinesischen Schachspieler und Schachspielerinnen haben sich gefreut, dass China den Titel geholt hat.

Warst du damals Schachprofi?

Nein, ich meine Zeit zwischen Studium und Schach aufgeteilt.

Warum hast du dann aufgehört, in Turnieren zu spielen?

Wenn man ein bestimmtes Alter erreicht, dann werden andere Dinge im Leben wichtiger. Außerdem war ich Herausforderin und Weltmeisterin, ich habe den Titel gewonnen und verloren und wieder gewonnen, und ehrlich gesagt hatte ich das Gefühl, irgendwann wiederholt sich das nur noch. Da fällt es schwer, den Fokus zu behalten.

Arbeitest du als Schachtrainerin?

Ich gebe Unterricht, aber arbeite nicht ernsthaft als Trainerin.

Du hast all den anderen starken chinesischen Spielerinnen, die nach dir kamen, den Weg gebahnt. Heute zählt China zu den führenden Schachnationen der Welt und ist im Frauenschach die Nummer 1. Fühlst du dich manchmal als die "Mutter des chinesischen Frauenschachs"?

Nun, ich war die erste chinesische Frauenweltmeisterin und diesen Titel kann mir keiner nehmen.

Ist westliches Schach populär in China?

Ziemlich.

Du bist dem Schach und der Schachwelt immer noch verbunden. Welche Projekte verfolgst du im Moment und welche Pläne hast du?

Schach war und ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, und das wird auch immer so sein. Ich bin immer froh, wenn ich die Zeit habe, um mich mit Schach zu beschäftigen. Seit 2010 bin ich Vizepräsidentin einer Universität in Peking und als Professorin und Teammanagerin ist meine Zeit knapp bemessen. Im Moment konzentriere ich meine Arbeit auf die Vorbereitung der Winterolympiade 2022, die in Peking stattfinden soll. Aber natürlich freue ich mich, wenn ich immer mal wieder in der Welt des Schachs zu Gast bin.

Vielen Dank für das Interview!


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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