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In der letzten dieser 140 himmlischen Partien beschreibt Martin Breutigam den siegestrunkenen Magnus Carlsen, der nach seinem WM-Sieg in Chennai die Arme in den nächtlichen Himmel streckt, einen kurzen Schrei ausstößt und voll bekleidet in den Hotel-Pool steigt: Ein grandioser Schlusspunkt einer wunderbaren Siegesserie, völlig klar. Aber Carlsen hatte 2010 auch eine längere Pechsträhne gehabt und in vier Monaten acht wichtige Turnierpartien verloren: „Carlsens Nullen“ betitelt der wunderbare Stilist und originelle Schach-Analytiker Breutigam diesen Beitrag, in dem er Carlsens Verlustpartie gegen den damals 16jährigen mit Schwarz spielenden Anish Giri in Wijk aan Zee zeigt. Der Leser soll Giris Gewinnkombination heraustüfteln - die ist, wie bei den meisten dieser besprochenen Partien, weder naheliegend noch simpel, die Lösung wird, wie schon im Band „Todesküsse am Brett“, im unteren Segment der Seite (auf den Kopf gestellt) mitgeliefert.
Darin besteht Breutigams hohe Kunst: Hier ist nichts mit hübschen Verpackungsschleifchen drapiert, um es dem Durchschnittsspieler schmuck oder leicht eruierbar zu servieren. Der aus Bremen stammende Journalist (Mitarbeiter bei der „Süddeutschen Zeitung“ und dem Berliner „Tagesspiegel“) ist IM, Jahrgang 1965 und findet immer einen Dreh, überraschende Aspekte, unerwartete Lösungen oder auch ziemlich unbekannte, aber faszinierende Schachpersönlichkeiten zu präsentieren. Wer kennt schon die erste deutsche Profispielerin Sonja Graf, die in den 1930er Jahren schöne Erfolge erzielte, es dann aber vorzog, nach einem Turnier in Buenos Aires nicht nach Nazi-Deutschland zurückzukehren? Wer weiß schon genau, wie stark GM Georg Meier spielt, der mit seinem grandiosen Sieg bei der EM in Griechenland 2011 im Endspiel gegen Armenien dazu beitrug, dass die Deutschen den EM-Titel gewannen?
Breutigam streut in seine Porträts (und Partien/Rätsel) bekannter Spieler wie Aronjan, Nakamura, Gelfand, Kramnik, Adams, Anand oder der erfolgreichen Frauen Judit Polgar und der chinesischen Weltmeisterin Hou Yifan auch Exkurse über Querelen und Prozesse ein: So wollte etwa der bulgarische Schachverband mit juristischen Mitteln die Internet-Live-Übertragung ihrer Spieler und deren Partien wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen verbieten lassen, während deutsche GMs sich noch vor Kurzem über viel zu niedrige Honorare für ihre Teilnahme an internationalen Mannschafts-Wettkämpfen beklagten und diese Turniere dementsprechend auch sabotierten - das Problem scheint inzwischen aber gelöst zu sein. Es ist einfach wunderbar, wie locker Breutigam den human touch in seine Partie-Präsentationen hineinziseliert, so dass wir die Stärken und Schwächen der Spieler zusammen mit den gezeigten Stellungsdiagrammen direkt nachempfinden können. Wenn wir uns bisher schon wunderten, wie offensiv-berserkerhaft, aber zugleich auch extrem kreativ Hikaru Nakamura am Brett herumfuhrwerkte, dann rundet sich das Bild zum plastischen Tableau, wenn Martin Breutigam berichtet, wie Nakamura sich auf Twitter mit dem Herr-der-Ringe-Schlachtruf meldet: „Auf zu Zorn! Auf zu Verderben! Und blutig Morgen!“ Da kann der Rezensent nur verkünden: „Auf zum maximalen Lesevergnügen dieser herrlichen Schach-Preziosen!“
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Martin Breutigam: Himmlische Züge. Neue Rätsel und Geschichten aus der Welt der Schachgenies. Verlag Die Werkstatt, Göttingen. 160 S., Fotos, 9,90,- Euro