Hinter den Kulissen des WR Chess Masters

von André Schulz
21.02.2023 – Bei Top-Schachturnieren sieht man meist die Bilder der Spieler vor und während der Partien. Aber auch hinter den Kulissen gibt es viel zu sehen, so auch beim WR Chess Masters im Düsseldorfer Hyatt Regency Hotel. | Bild: Heike Keymer, Lotis Key und Sebastian Siebrecht (Fotos: André Schulz)

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Das WR Chess Masters ist ein neues Super-GM-Turnier auf deutschem Boden, in Düsseldorf, um genau zu sein. Natürlich gab es auch in Düsseldorf immer wieder Schachturniere, aber man muss in der Geschichte schon weit zurückblättern, um Turniere von großer nationaler oder internationaler Bedeutung zu finden.

1951 wurden hier die deutschen Meisterschaften ausgetragen, damals noch mit 22 Teilnehmern, die im Modus jeder gegen jeden spielten, also 21 Runden. Rudolf Teschner gewann das Mammut-Turnier. Ebenfalls 1951 fand in Düsseldorf ein Vergleichskampf Deutschland gegen Niederlande statt. Gespielt wurde an zehn Brettern mit zwei Umgängen. Die Niederlande gewann mit 11:9. Max Euwe gewann beide Partien gegen Wolfgang Unzicker.

Und wenn man nach großen Schachveranstaltungen davor sucht, wird man erst im Jahr 1908 fündig. Die erste Hälfte des Weltmeisterschaftskampfes Emanuel Lasker gegen Siegbert Tarrasch wurde in Düsseldorf gespielt. Die zweite Hälfte in München.

Tarrasch geriet in Düsseldorf schon entscheidend in Rückstand und machte das ungewohnte "Seeklima" dafür verantwortlich. Im März des Jahres 1908 war Düsseldorf auch schon Gastgeber eines DSB-Kongresses gewesen. Und in den 1860er Jahren hatte es in Düsseldorf auch schon einige Kongresse des Westdeutschen Schachbundes gegeben. 

Nun also, im Jahr 2023, zieht Düsseldorf wieder einmal die Blicke der Schachöffentlichkeit auf sich. Das WR-Masters ist im Hyatt Regency Hotel zu Gast.

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Das Luxushotel ist in 19 Stockwerken im Ostturm der so genannten Düsseldorfer Hafenspitze untergebracht. Das ganze Ensemble besteht aus einem Sockel und zwei Türmen. Der Westturm ist Sitz vieler Firmen mit ihren Büros. Am Wochenende war auch die Mannschaft vom FC Bayern München Gast im Hyatt Regency vor seinem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach. 

Von beiden Türmen aus hat man einen schönen Blick über die Düsseldorfer Rheinpromenade und kann vermutlich bis Mönchengladbach gucken, wo die Bayern am Samstag Nachmittag spielten und einer Niederlage kassierten. Einige Beteiligte des WR Chess Masters nutzen die Möglichkeit und baten um ein Foto mit den Fußballstars.


Autogramm- und Fotowünsche gab es aber auch für die Schachspieler.

Gefragt: Autogramme von Vincent Keymer

Das WR Chess Masters wird in einem Konferenzbereich des Hotels im Erdgeschoss ausgetragen. Der eigentliche Turniersaal ist groß genug für die zehn Spieler, die Schiedsrichter und einige weitere Offizielle, aber zu klein, um hier noch Zuschauer unterzubringen.

Kuschelig: Der Turniersaal vor der Runde

Der Nebenraum wird als Presseraum, aber auch als Materialraum genutzt. Hier ist die Garderobe und es stehen unzählige Kisten mit Brettern, Figuren, Uhren und weiteren Utensilien herum.

In einem Raum gegenüber sitzen die beiden Kommentatoren, Yasser Seirawan und an den meisten Tagen Elisabeth Pähtz. Am ersten Wochenende fand auch die Frauenbundesliga statt. Elisabeth Pähtz spielte mit Baden-Baden in Leipzig und wurde an diesen Tagen durch Anastasiya Karlovich vertreten.

Ancorman Yasser Seirawan und Nastja Karlovich

Das Turnier wird von drei Schiedsrichtern überwacht. Gregor Johann, Bundesturnierdirektor des Deutschen Schachbundes, fungiert als Hauptschiedsrichter. Ihm zur Seite stehen  Tshepiso Lopang aus Botswana und Michael Weber. Streitfälle gibt es bei den Spitzenspielern eher nicht, aber das Thema der Cheating-Prophylaxe wird ungemein ernst genommen. 

Tshepiso Lopang und Anastasia Sorokina

Michael Weber checkt Vincent Keymer

Beim Betreten des Turniersaals wird jeder Spieler mit einem Garrett-Scanner gründlich auf Metallteile (z.B. Elektronik) abgescannt. Darüber hinaus wird den Spielern ein starker Magnetstift vor das Ohr gehalten. Wenn im Gehörgang ein Gerät untergebracht wäre, würde der Magnet es herausziehen.

Magnetprüfung bei Gukesh

Die Spieler-Toiletten befinden sich am anderen Ende einer größeren Lobby. Wenn ein Spieler die Toilette besucht, wird er dezent von Michael Weber begleitet, der aufpasst, der der Spieler mit niemandem spricht.

Die Lobby

Einige Spieler laufen gerne herum, wenn sie nicht am Zug sind. Im Spielsaal ist das nicht möglich. So ziehen die Spieler ihre Kreise im Bereich vor dem Spielsaal. Hier stehen auch kleine Häppchen mit Fingerfood, Obst, Kekse, Nüsse und Erfrischungsgetränke. An einer Kaffeebar kann man sich von einem Automaten auch alle Sorten von Kaffeegetränken bereiten lassen. Auch vor dem Turniersaal ist das Ansprechen der Spieler strengstens verboten.

Der Vorraum mit Analysetischen

Anna Endreß gibt bei den Side-Events Kindern Schachunterricht. Im Hauptberuf ist sie Juristin

Bei Rundenbeginn wuseln einige Fotografen und Videopiloten herum und machen Aufnahmen von den Spielern. An allen den Tischen stehen auf langen Stativen Webcams, die während der Partien die Bilder von den Spielern und den Brettern ins Internet streamen, zusammen mit dem Video von den Livekommentatoren. Der offizielle Fotograf ist wie bei vielen Turnieren Lennart Ootes. Der Niederländer überwacht auch die Übertragungstechnik der DGT-Bretter, die die gespielten Züge und die Bedenkzeiten weiterleiten. Die Brettstellungen werden, ebenfalls zur Cheating-Prophylaxe, um 15 Minuten verzögert. Die Videobilder werden von Mark Glukhovsky und seinem Team zu einem Gesamtvideo gemischt, das so für die Schachfreunde auf Youtube zu sehen ist.

Das Übertragungsteam

Nach der Runde stellen die Spieler sich in Video-Interviews und berichten von ihren Partien. Auch diese Interviews kann man auf dem Youtube-Kanal des WR Chess Masters ansehen.

Andrey Esipenko ist gut gelaunt. Wahrscheinlich hat er gewonnen.

Einige Spieler haben Sekundanten oder Trainer oder andere Begleiter mitgebracht. Außerdem gibt es einige Gäste des Turniers und Pressebesucher.

Alexander von Gleich und Turnierdirektor Sebastian Siebrecht haben einst gemeinsam bei Bochum in der Bundesliga gespielt.

Last, but not least ist Wadim Rosenstein, der Organisator und Sponsor des Events, der interessierteste Besucher seines Turniers. Er ist jeden Tag da, nimmt Siegerehrungen bei den Side-Events vor oder kümmert sich um den reibungslosen Ablauf, falls es noch Fragen gibt.

Siegerehrung beim Charity-Turnier für ukrainische Flüchtlinge. Der kleine Junge war der Jüngste.

Für alle einen Preis

Wenn er einen Schachpartner findet, lädt er ihn zu einer Partie ein. Die Sekundanten und Begleiter der Spieler oder Besucher halten sich oft im genannten VIP-Raum auf und verfolgen hier die Partien oder unterhalten sich bei gepflegtem Club-Ambiente. Der VIP-Raum befindet sich ebenfalls im Erdgeschoss, hinter dem weitläufigen Restaurant des Hauses und bietet neben dem Blick auf die Partien auch einen auf die Rheinpromenade an.

Im VIP-Raum. Vadim Rosenstein verfolgt die Partien

Auch hier stehen Erfrischungsgetränke, ein Kaffeeautomat und Snacks bereit. In einigen Regalen und Vitrinen sind Schachbücher, Schachmagazine und alte Analoguhren zur Dekoration aufgebaut. Auf den Tischen stehen überall Schachbretter und wer will, kann sofort mit einer Schachpartie loslegen. Wadim Rosenstein freut sich, wenn er einen Schachpartner findet, noch lieber spielt er Bughouse, auf deutsche Tandem. Das spielt man zu viert. Geschlagene Figuren gibt man seinem Partner, der sie auf dem eigenen Brett einsetzten darf. Zum Rahmenprogramm gehört auch ein Bughouse-Turnier, bei dem Wadim Rosenstein zusammen mit den Großmeister auch teilnehmen wird.

Ian Nepomniachtchi und Anish Giri analysieren. Sebastian Siebrecht schaut zu

Gelegentlich sitzen Heike Keymer, Mutter von Vincent, und Lotis Key, Mutter von Wesley So, hier sprechen über ihre Erfahrungen als Spielermutter (s. Bild oben).

Bisweilen erscheinen die Sekundanten der Spieler, nicht zum Spielen, aber zum Analysieren. Nach den Partien kommen auch Spieler zur Analyse und wollen wissen, was in ihrer Partie wirklich los war. Zur Feststellung der endgültigen Wahrheit benötigt man heutzutage einen schnellen Computer mit seiner spielstarken Schachengine.

Das WR Chess Masters dauert noch bis zum 26. Februar und schließt mit einer Siegerehrung. Wadim Rosenstein hat angedeutet, dass er sich vorstellen kann, weitere Spitzenturniere zu organisieren und zu finanzieren. Vielleicht beginnt in Düsseldorf eine neue Turniertradition, und warum nicht zur Karnevalszeit.


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.