ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Asien, das ist das Stichwort, das sofort fällt, wird über die Wurzeln des Schachspiels gesprochen. Der Blick geht quasi reflexhaft Richtung Osten, gleich welcher wissenschaftlichen Schule sich die Experten verbunden fühlen, egal ob indische oder chinesische Fraktion. Die nördliche Halbkugel bleibt außerhalb des Fokus.
Dem raubeinigen Volk an seinen windgepeitschten Küsten hat bisher eben kaum jemand zugetraut, etwas Wesentliches zur hohen Kunst der symbolischen Königsjagd beigetragen zu haben. Ein Vorurteil, weil ausgerechnet die ansonsten wenig feinsinnigen Wikinger eine spannende eigene Schachversion entwickelt haben, und die feiert neuerdings eine unverhoffte Renaissance, und zwar auf exakt 60° 36' 32'' nördlicher Breite und 0° 52' 6'' westlicher Länge.
Dort liegt nämlich Fetlar, ein knapp 41 Quadratkilometer großes Eiland im Shetland-Archipel, wo sich am letzten Juliwochenende 2010 bereits zum dritten Mal eine Schar von Enthusiasten versammelt hat, um allsommerliche Welttitelkämpfe auszufechten im "Hnefatafl".
Ein strategisches Spiel, das auf dem Brett einen Raid der Drachenbootfahrer simuliert.
Erste Funde des original skandinavischen Denksports stammen aus dem Dänemark des 4. Jahrhunderts. Den Gipfel seiner Popularität erreichte Hnefatafl zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert ...
... bevor es dem Schach arabischer Provenienz, das aus dem Süden einsickerte, am Ende doch weichen musste.
Ein früher Fall von globalem Verdrängungswettbewerb und allein aus diesem Grund schon äußerst bedauerlich, meint Peter Kelly, Verwaltungsbeamter im Ruhestand und einer der 50 Menschen, die heute auf Fetlar wohnen. Da hat es sich gut getroffen, dass der umtriebige Kirchenälteste der Church of Scotland obendrein eine lokale Entwicklungsgesellschaft leitet, die sich dem galoppierenden Bevölkerungsschwund entgegen stemmen soll, der letzte Zensus 2001 hatte wenigstens noch 86 Insulaner registriert. Folglich sucht Peter Kelly nach innovativen Wegen, das kriselnde Fetlar wieder ins Gespräch zu bringen, neben den bekannten Attraktionen: ein Vogelschutzgebiet, das von Odinshühnchen und Gryllteiste geschätzt wird, ferner ein vorgeschichtlicher Steinkreis sowie ein 2,3 Meter hoher Menhir.
Mit der Hnefatafl-WM hat der Regionalpolitiker sein Leuchtturmprojekt gestartet. Zumal er an eine stolze Tradition anknüpft, schließlich sah Fetlars Nachbarinsel Unst im 9. Jahrhundert ein veritables Landungsunternehmen von Norwegens erstem König Harald I. "Schönhaar" (ca. 850 - 933).
Der spätere König Harald I. "Schönhaar" (r.), dessen expansive Politik der Einigung des zuvor in Kleinherrschaften zersplitterten Norwegens den Weg bereiten sollte, empfängt die Krone aus der Hand seines Vaters Halvdan Svarte, zu deutsch: "der Schwarze" (l.), der von ungefähr 810 bis 860 lebte und Gebiete im Osten und Süden sowie im Westen des skandinavischen Landes kontrollierte. Eine allegorische Darstellung im "Flateyjarbók", einer isländischen Handschrift aus dem 14. Jahrhundert.
Kein Zweifel, dass die wilden Blondbärte damals an Bord auch den einen oder anderen Set Hnefatafl verstaut hatten. Jedenfalls darf Peter Kelly mit einiger Plausibilität behaupten, wahrscheinlich habe sich ausgerechnet an dieser stürmische Ecke im Nordmeer eine frühe Hochburg des Wikingerschachs etabliert.
Eingedenk der gloriosen Vergangenheit ist als angemessener Rahmen für einen Relaunch des Hnefatafl selbstverständlich nur eine Weltmeisterschaft in Frage gekommen. Premiere war 2008, frohgemute 12 Kandidaten traten an ...
... und den ersten Platz eroberte - die Emanzipation macht auch vor Wikingern nicht Halt - eine Frau, die aus dem englischen Yorkshire angereiste Wendy Sutherland.
Rapid Hnefatafl-Weltmeisterschaft 2008
2009 sah Tim Millar vorne, einen Glasbildhauer aus der Grafschaft Somerset im Südwesten des United Kingdom ...
... und der hat 2010 seinen Titel erfolgreich verteidigt, trotz scharfer und inzwischen sogar transkontinentaler Konkurrenz, letztere repräsentiert von einem Fan aus Texas, der seit zwei Jahren auf Fetlars Schwesterinsel Unst wohnt.
Champs on the beach: Der alte und neue Hnefatafl-Weltmeister Tim Millar
(Somerset/England) und der Junior-Titelträger Dean Thomason (Schottland) feiern
mit Veranstalter Peter Kelly (von links) nach dem Ende der WM 2010 am Strand von
Fetlar/Shetland-Inseln.
Wer jetzt ernsthaft darüber nachdenkt, im kommenden Jahr 2011 statt routinemäßig Malle oder Malediven mutig umzusteuern gen Fetlar, um dort womöglich selber Champ zu werden, der sollte freilich diesen besonderen Sporturlaub umsichtig planen. Denn der Anmarschweg ist eine echte Herausforderung: mit dem Flieger - alternativ: per Fähre von Aberdeen - nach Lerwick auf der Hauptinsel, anschließend 26 Meilen Landstraße, in Toft die Fähre zur Insel Yell nehmen, das dauert 20 Minuten. Noch einmal 17 Meilen im Auto bis Gutcher, dort wartet die zweite Fähre, die Fetlar nach 25 Minuten erreicht.
Im Verhältnis zu den logistischen Widrigkeiten sind die Matches im Hnefatafl wahre Spaziergänge.
Auf einem 121-Felder-Brett befehligt die eine Seite 24 Wikinger, die aus Nord, Süd, West und Ost stürmen und den zentral postierten König der Gegenpartei samt dessen 12 getreuen Recken attackieren.
Der Herrscher versucht, sich zu einer der vier Fluchtburgen an der Peripherie durchzuschlagen, und gelingt ihm das, hat er den Kampf zu seinen Gunsten entschieden.
Wird Majestät vorher gestoppt und umzingelt, triumphieren die Angreifer und holen den vollen Punkt.
Die Figuren, der bedrängte Monarch eingeschlossen, manövrieren wie Schachtürme
senkrecht oder waagerecht über beliebig viele freie Positionen. Wikingern und
Leibwächtern droht die Gefangennahme, wenn sie von Kriegern der anderen
Partei in die Zange genommen werden. Das heißt: Alle drei Akteure - in der Mitte
das Opfer, während die Feinde von zwei gegenüberliegenden Seiten herandrängen -
bilden eine gerade Linie, stets horizontal oder vertikal und niemals diagonal.
Wichtig: Die Zernierung muss durch einen Zug des Opponenten vollendet werden.
Drängt sich indes ein Normanne oder ein Recke des Königs todesmutig zwischen die ihm übel gesonnenen fremden Gesellen, wird ihm kein Haar gekrümmt.
Mehr Männer sind notwendig, soll der König ausgeschaltet werden. Die Häscher müssen den Monarchen von vier Seiten umstellen (am Spielfeldrand genügen drei), das ist der Exitus des Herrscher und die Entscheidung der Partie.
Weltmeisterschaften werden ausgetragen im Blitzmodus auf Kommando, alle zehn Sekunden ertönt ein Gong, die unerbittliche Aufforderung, eine Figur zu setzen. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht, Grübler und Zögerliche haben keine Chance, das ist echter Viking-Style. Und reich ist die Beute, die am Ende winkt: neben der (virtuellen) WM-Krone ein gläsernes Relief der Location, die Insel Fetlar zum Anfassen, obendrein ein repräsentativer Set Hnefatafl aus Holzfiguren, Stück für Stück geschnitzt vom Künstlerehepaar Theresa und George New.
Gleichzeitig darf sich der Sieger fortan "Großmeister" im Hnefatafl nennen.
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Infos zur 4. Weltmeisterschaft im "Hnefatafl" 2011 auf Fetlar/Shetland-Inseln direkt bei Turnierdirektor Peter Kelly, Email: theglebe1@btinternet.com ; Hnefatafl-Bretter aus der Werkstatt von Theresa und George New, Website: www.freewebs.com/newscatnesscarvings; Regeln des Hnefatafl: http://aagenielsen.dk/hnefatafl_rules_german.html