Eindrücke von der
Mannschafts-Europameisterschaft 2004 in Cesme
Vom 02.10.2004 bis zum 09.10.2004 fand in der türkischen Kleinstadt Cesme am
Ägäischen Meer die Europameisterschaft der Mannschaften statt. Das ausrichtende
Hotel Altin Yunus liegt direkt am Jachthafen und bot ausreichend Platz für die
36 Teams bei den Herren und 10 Teams bei den Damen.
Es wurde in drei Räumen
gespielt, wobei die Zuschauer hautnah die vorderen Bretter beobachten konnten
und insbesondere die Stars, allen voran Kasparov, belagerten.
Zwar funktionierte die Ausrichtung des Turniers reibungslos aber im Vorfeld und
während des Turniers gab es heiße Diskussionen, ob es wirklich notwendig ist,
dass Vereine und Spieler die Hotelreservierung über den Weltschachverband
vornehmen müssen, statt eine preiswertere Pauschalreise mit gleichen Leistungen
zu buchen. Für jeden Verein sind die Unkosten für Flug, Bustransfer und Hotel
somit um mindestens 30% höher. Vielleicht haben auch wegen dieser Regelung
deutsche und niederländische Vereine nicht teilgenommen.
Nach spannendem Verlauf in den ersten Runden, konnte sich bei den Herren der
Favorit NAO Paris (Adams, Grischuk, Bacrot, Vallejo Pons, Lautier, Radjabov,
Fressinet, Nataf) absetzen und in den Runden 6 und 7 mit Kurzremisen mit 12
Mannschaftspunkten und 31 Brettpunkten den ersten Platz sichern.
Sieger NAO Chess Club: Bacrot, Grischuk, Lautier, Fressinet,
Adams, Bologan, Nahed Ojjeh, Radjabov, Vallejo
li.: Lautier, re.: Bologan
Zweiter wurde Bosna Sarajevo
(Shirov, Short, Sokolov, Bologan, Movsesian, Kozul, 11 MP, 30 BP) punktgleich
mit Ladya Kazan (Russland, Rublevsky, Jandemirow, Timofeev, Filippov, Iljin,
Kharlov, 27,5 BP). Etwas enttäuscht landeten das Kasparov-Team Ekatarinenburg (Waganjan,
Alexandrov, Beljawski, Sakaev, 11 MP, 25 BP) auf Platz 4 vor dem russischen
Meister Tomsk 400 (Khalifman, Smirnov, Inarkiev 10 MP).
Bei den Damen siegt die georgische Mannschaft MTN Tiblissi mit 13 MP vor den
beiden St. Petersburger Mannschaften.
Obwohl wie bei 100 anwesenden Großmeistern zu erwarten, auf hohem Niveau
gespielt wurde, führte die Zeitregelung (90 Minuten + 30 Sekunden pro Zug) zu
einer hohen Fehlerquote in der früh auftretenden Zeitnot. Insbesondere taktisch
ausgerichteten Spielern fehlte am Ende die notwendige Bedenkzeit, so dass einige
Spieler weit unter ihren Erwartungen blieben.
Garry Kasparov
Vassily Ivanchuk
Das prominenteste Beispiel ist
der Weltranglistenerste Garry Kasparov (Elo 2813), der mit 50% (Niederlage gegen
Rublewski, Sieg gegen Shirov) und einer Eloperformance von 2635 weit unter
seinen Möglichkeiten blieb. Der amtierende Europameister V. Ivanchuk erreichte
sogar nur 3 aus 7 Punkten (6 Remis und Niederlage gegen Naiditsch).
Joel Lautier
Etienne Bacrot
Zu den positiven Überraschungen des Turniers gehörte Arkadij Naiditsch, der am
Spitzenbrett für den spanischen Clubs Ajedrez Valencia mit 6 aus 7 und einer
Performance von 2767 glänzte. Auch Igor Glek (SK Rochade Eupen, Belgien)
erreichte 6 aus 7 am 1. Brett, bei einer Eloperformance von 2691. Der
Wunderknabe Mamedyarov aus Azerbaidschan, der ebenfalls mit 6 aus 7 an Brett 1
des türkischen Vereins Eczacibasi profitierte offensichtlich von der
Bedenkzeitregelung, da er dreimal in remislichen Stellungen noch den vollen
Punkt erzielte.
Beste Spieler: Mamedyarov, Naiditsch, Glek
Die insgesamt beste Eloperformance erreichte Konstantin Sakaev (Ekatarinenburg,
Brett 3, 2825). Der 16jährige David Baradmize Brett 3 beim belgischen Meister
KSK47 Eynatten bestätigte mit 5 aus 7 Punkten (Performance 2596) seinen in
Mallorca zu vergebenden Großmeistertitel.
David Baramidze
Bernd Loo, Norbert Coenen, Cesme 11.10.2004
Bilder: Fabrice Wantiez