Besuch in Wijk aan Zee
Von Evi Zickelbein
Jeder Schachspieler muss einmal in seinem Leben in Moskau gewesen sein, sagten
wir uns, und spielten im Jahr 2006 das Aeroflot Open. Doch muss nicht auch jeder
Schachspieler einmal im Mekka des niederländischen Schachs, in Wijk aan Zee,
gewesen sein? Und ist es nicht eigentlich ein Skandal, dass ich, verheiratet mit
einem Niederländer, noch nie in Wijk aan Zee gewesen bin?
Ja, das ist es! Und so nahmen wir auf unserer Rückreise von Queenstown über
Auckland, Los Angeles, London, Amsterdam auch noch das kleine beschauliche Wijk
aan Zee in unsere Routenplanung auf und ich durfte ein bisschen legendäre
Festivallust schnuppern:

Mit einem solchen Presseausweis kommt man auch hinter die Kulissen und der
Einfachheit halber dann halt als Eva Maria van Delft (klingt eigentlich auch
nicht schlecht...).
Er ist auch nötig, denn der riesige Spielsaal füllt sich zu Rundenbeginn rasend
schnell:

Unzählige Amateure spielen in so genannten Tienkampen, Weekendvierkampen oder
Dagvierkampen. Am interessantesten hier die Tienkampen, richtige 9-ründige
Turniere in Ratinggruppen. Im den beiden besten Gruppen der Tienkampen, 1A und
1B wird sogar jeweils ein Platz für die C-Gruppe der Profis im nächsten Jahr
ausgespielt!

Blick auf den Tienkamp 1A und den gigantischen Turniersaal (lieber nicht
aufstehen – es könnte schwer sein, an sein Brett zurückzukommen).

Selbst auf der Empore wird gespielt – mit Fernglas dürfte man von dort übrigens
einen exzellenten Blick auf die Profis haben...

Schaut man so umher auf der Suche nach bekannten Gesichtern, erblickt man auch
bei den Amateuren Prominenz: Arianne Caoili in der Amateurgruppe 2A mit 4,5 aus
8 sitzt schräg gegenüber von Manfred Kröncke aus Hamburg:

Der Grund, warum die Zuschauer alle in die andere Richtung schauen, ist
natürlich klar – hinter den Bildschirmen sind die Profis am Werke:

Der einzige deutsche Teilnehmer Frank Holzke verlor gestern in der C-Gruppe
leider gegen GM Friso Nijboer.

Vor Rundenbeginn und die ersten Minuten dürfen Fotografen und sonstige
„Würdenträger“ in den abgetrennten Bereich der Profis. Sie umlagern die Bretter,
wie hier das der B-Gruppe von der 14jährigen Yfan Hou, die in der 12. Runde die
Nummer 2 des Turniers Francisco Vallejo Pons besiegte!

Zum Teil haben sich die Journalisten ausgefeilte Techniken für ihre Bilder und
Aufnahmen ausgedacht: Hier versucht Macauley Peterson vom ICC (
https://webcast.chessclub.com/blog/ ) gute Bilder von der Spitzenpaarung in
Gruppe C, Tiger Hillarp Persson gegen Wesley So (0:1) zu bekommen.

Karel van Delft, mein Schwiegervater, berichtet für SBSA und die E-Mailberichten
(www.sbsa.nl).
Im Spielsaal herrschen klare Regeln:

Und für die Zuschauer gilt:

Der „Bußtopf“: Ein Mal Handyklingeln kostet 10 €, das zweite Mail 25 €, beim
dritten Mal wird man des Saales verwiesen – richtig so!
Die wunderbare Nachmittagssonne nutzend, musste ich natürlich auch noch einen
Blick auf die Nordsee werfen:

Herrliche Weiten (und tolle Hunde) gab's zu bewundern.

Auf dem Rückweg durchs kleine und beschauliche Wijk aan Zee musste natürlich ein
Abstecher ins Kommentatorenzelt sein – auch hier eine beeindruckende
Vorstellung:

Während der 12. Runde kommentierte mit echten Entertainerqualitäten: Die
niederländische Schachlegende IM Hans Böhm...

….füllte problemlos das riesige Festzelt.

Jetzt war auch im Spielsaal kaum noch zu den Brettern der Profis durchzukommen
und darum sah ich mich weiter bei anderen Aktivitäten des Schachfestivals um:

Zum ersten Mal fand in diesem Jahr ein Lösungswettbewerb für Studien fand – wer,
wenn nicht IM und Studienexperte Yochanan Afek, sollte diesen Wettbewerb
ausrichten:

Siegerehrung – im Publikum ein ganz prominenter Großmeister, der auch am
Wettbewerb teilnahm:

GM John Nunn (3. von links), der hinter dem jungen FM Twan Burg aus den
Niederlanden „nur“ 2. im Wettbewerb wurde!
Ich wäre dann fast noch zum benachbarten Friseur gegangen, allein um zu fragen,
ob der Name aufgrund des jährlich stattfindenden Weltklasseturniers gewählt
wurde...

Leider war schon geschlossen, ganz im Gegenzug zum Café de Zon, in dem auch
schon IM-Turniere stattfanden und das ein typisch niederländisches Eetcafé ist:
Es zog mich dann aber doch wieder schnell zurück zum Turniersaal, wo im
Eingangsbereich viele Buchstände anzutreffen sind (New In Chess, De beste Zet
und andere) und wo auch die Autoren Karel und Merijn van Delft ihr kürzlich
erschienenes „Schaaktalent ontwikkelen“ promoteten – hier mit Nachwuchsspieler
Armen Hachian.

Ein kurzer, herrlicher Besuch in Wijk aan Zee – nächstes Jahr müssen dafür
eindeutig einige Tage mehr eingeplant werden!

Eva Maria Zickelbein