Impressionen vom Reykjavik Open

von Gerd Densing
31.03.2023 – Beim Stichwort "Reykjavik Open" äußern viele Schachspieler und Schachspielerinnen den spontanen Wunsch, einmal dabei sein zu wollen. Unser Autor Gerd Densing ist da schon weiter: Er ist zurzeit in der isländischen Hauptstadt, spielt beim Turnier mit, schreibt und fotografiert. Getroffen hat er während der bislang gespielten drei Runden nicht nur den Elofavoriten Vasyl Ivanchuk (Foto), sondern viele weitere interessante Persönlichkeiten.

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Reykjavik Open 2023

Das traditionsreiche Reykjavik-Open ist mit einer sehr großen Teilnehmerzahl von 401 in die Ausgabe 2023 gestartet (Eloschnitt 1906). Der bisherige Teilnehmerrekord mit 270 wurde damit klar überschritten. Die einheimischen Spieler sind mit 85 am stärksten vertreten, "dicht" gefolgt von 59 Spielerinnen und Spielern aus Deutschland und 38 aus den USA. Das Turnier ist international recht beliebt, es sind Spielerinnen und Spieler aus 46 Nationen am Start. Die am weitesten angereisten Spieler sind wohl zwei Australier sowie eine Spielerin aus der Mongolei. Auch ein deutscher Spieler unter der Flagge der Isle of Man ist dabei. Mit insgesamt 130 Titelträgern, darunter je 34 GM und IM ist das Turnier recht stark besetzt. Leider fehlen aber Spieler mit 2700 ELO oder mehr. Immerhin ist als Setzlistenerster mit dem legendären Vasyl Ivanchuk ein ehemaliger 2700er und früherer Spieler der absoluten Weltspitze in Reykjavik mit am Start.

Das Reykjavik Open erfreut sich großer Beliebtheit

Der indische Großmeister Magesh Chandran Panchanathan musste in Runde 3 die Überlegenheit von Vasyl Ivanchuk anerkennen

Austragungsort ist in bewährter Weise das wunderschöne Konferenzzentrum Harpa (bzw. Konzerthalle) in der Nähe des Stadtzentrums von Reykjavik. Der Turniermodus ist unverändert 9 Runden nach Schweizer System, wobei – wie bereits seit einigen Jahren praktiziert – zur besseren Norm-Erreichung das beschleunigte Schweizer System zur Anwendung kommt. Erstmals finden an zwei Turniertagen zwei Runden statt. Ziel war, das Turnier – "Urlaubstage sparend" – in einer guten Woche durchziehen zu können, um es so ggf. für Teilnehmer noch interessanter zu machen. Für Spieler, die Doppelrunden nicht mögen, besteht in den ersten 7 Runden flexibel die Möglichkeit bis zu drei 0,5 Punkte spielfrei (bye) zu nehmen.

Konferenzzentrum Harpa

Wie in den vergangenen Jahren auch, gibt es über die Turnierwoche verteilt das allbekannte Rahmenprogramm in Form einer Eröffnungsparty, Pub-Quiz, Harpa-Blitzturnier und Golden-Circle-Rundreise.

Das Turnier ist wie üblich sehr gut organisiert. Alle Teilnehmer erhalten einen Kugelschreiber des Veranstalters sowie jede Runde am Brett eine kleine Flasche Isländisches (Eis)Wasser, zudem ein Kärtchen, mit welchem es im Restaurant im Eingangsbereich der Harpa einen Rabatt auf Essen und Getränke gibt.

Besonderheit ist, dass nicht nur einem behinderten Spieler (hinterer Tisch) sondern auch einigen weiteren Spielerinnen und einem Spieler gesonderte DGT-Bretter im vorderen Bereich direkt neben der Bühne zugeordnet sind. Dabei handelt es sich um die in der Schachwelt gut bekannten Streamer GM Simon Williams (ENG),  WFM Anna Cramling Bellon (SWE), WFM Alexandra Botez (CAN) und WGM Dina Belenkaya (ISR). Mit eigenem Equipment (Camera/Smartphone + Stativ) werden deren Turnierpartien über die jeweiligen eigene Kanäle live ins Internet übertragen. Alexandra Botez mit 20.000 Live-Followern hat sogar eine eigene Fotografin mit nach Reykjavik gebracht, um immer perfekt in Szene gesetzt zu werden. Leider fehlt dieses Jahr eine Live-Kommentierung von Partien im Internet.

Alexandra Botez

Anna Cramling Bellon ist die Tochter zweier Großmeister: Pia Cramling und Juan Bellon

Turnierdirektor Gunnar Bjornsson begrüßte den jüngsten isländischen GM, Vignir Vatnar Stefánsson sowie den früheren Spitzenspieler und FIDE-Präsidenten Friðrik Ólafsson. Der Bürgermeister der Stadt Reykjavik, Dagur B. Eggertsson, führte zur Eröffnung des Turniers den ersten Zug am Spitzenbrett aus.

Rainer Knaak, Großmeister aus Deutschland und langjähriger ChessBase-Mitarbeiter

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Für die erste große Überraschung des Turniers sorgte in der ersten Runde der U12 Europameister aus Polen, FM Patryk Cieslak (ELO 2207). Er spielte mit Weiß an Brett 7 gegen den brasilianischen Open-Spezialisten Alexandr Fier eine sehr schöne Partie und gewann nach starkem Finish. Der zwanzigjährige norwegische FM Andre Nielsen (ELO 2201) gewann an Tisch 10 gegen GM Grzegorz Gajewski. Aus deutscher Sicht ist das Remis von Vitaliy Garbuz gegen den favorisierten G Kjetil A. Lie hervorzuheben. GM Lev Yankelevich hingegen musste sich gegen den jungen CM Neeraj Harish aus den USA mit einem Remis zufriedengeben. Die zweite Runde brachte an den vorderen 15 Brettern keine großen Überraschungen, allerdings einige Remis, weil der Spielstärkeunterschied durch das beschleunigte Schweizer System auch nicht mehr so groß ist, wie in der ersten Runde. Einige Spieler, auch stärkere wie z.B. GM Aryan Tari und weitere 4 GM und 1 IM nahmen übrigens je ein kampfloses 0,5 Punkte bye in der zweiten Runde. Runde drei brachte vorne auch keine großen Überraschungen. Turnierfavorit GM Vasyl Ivanchuk spielte bis dato sehr souverän und liegt bei voller Punktausbeute an der Tabellenspitze.

Das einzige Foto, das unser Autor nicht selber aufnehmen konnte: Gerd Densing mit seinem Gegner der 3. Runde, dem siebenjährigen US-Amerikaner mit indischen Wurzeln Milan Rajendran 

Partien

 

 

Links

Turnierseite

Das Reykjavik Open bei Chess-Results


Gerd Densing ist ein begeisterter Vereins- und Turnierspieler. Seine Eindrücke hat er in vielen Berichten auf der ChessBase-Nachrichtenseite festgehalten.