Indien 2 – weiter souverän

von Thorsten Cmiel
02.08.2022 – Wäre die Schacholympiade in Chennai nach vier Runden beendet gewesen, hätte die Mannschaft von Indien 2 die Goldmedaille gewonnen. Ihre ersten drei Kämpfe gewannen die jungen Inder alle mit 4-0, in Runde 4 besiegten sie Italien mit 3-1 und lagen damit nach vier Runden nach Wertung an der Spitze des Feldes. Thorsten Cmiel hat sich den Kampf der Inder gegen Italien genauer angeschaut.

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Chennai setzt für das Schach medial neue Maßstäbe. Der Andrang der Fotografen zu Beginn jeder Runde ist enorm. Ein Foto aus der ersten Runde von Stev Bonhage, einem der drei offiziellen Fide-Fotografen fängt diese ungewöhnliche Gier nach dem ultimativen Schnappschuss ein. Schach ist zumindest in Tamil Nadu eindeutig auf dem Vormarsch und erhält politische Unterstützung. Der Ministerpräsident des Staates heißt für hiesige Ohren etwas gewöhnungsbedürftig Stalin und kündigte bei der Eröffnungsfeier eine Initiative an, dass künftig sämtliche Schulkinder Schach lernen sollen. Es sieht nicht so aus als müssten sich die Lehrer große Mühe geben, um das neue Schulfach anzupreisen. Schach ist populär in Tamil Nadu.

Schon vor einigen Monaten waren Pragg und Ramesh fast eine halbe Stunde bei Sun TV, einer populären TV-Sendung, zu sehen. Das Gespräch wurde auf Tamil geführt. Die indischen Spieler zeigen sich sehr auskunftsfreudig und verstehen ihre vermutlich einmalige Chance, ihren Sport zu popularisieren. Sanjay Kapoor, Präsident der indischen Schachföderation (AICF), spricht von einer Show, die eine neue Ära für Schach in Indien einleiten kann.

Auf dem Weg zur Goldmedaille? Die junge zweite Mannschaft Indiens | Foto: Lennart Ootes

Vierte Runde: Italien

Gegen Italien spielte das Team der indischen Youngster erneut in der gleichen Besetzung. Am Tag zuvor hatte Italien sensationell gegen Norwegen mit Magnus Carlsen gewonnen. Die Inder waren also gewarnt. Traditionell treten die Italiener in blau an. Kein Problem für die Inder, die heute auf die grau-karierten Anzüge umstellten. Die indischen Teams sind modisch auf solche Momente bestens vorbereitet. Adhiban war vor dem Start ebenfalls dabei und versuchte seine Teamkameraden vor der Partie etwas aufzulockern. Ramesh versuchte ihn davon abzuhalten.

Adhi nutzte danach die Chance des erneut freien Tages, um Interviews zu geben und den Spielsaal wieder zu verlassen.

Adhiban hatte frei und gibt Interviews

Erstmals bei dieser Schacholympiade scheinen die Spieler einer Stallorder zu folgen. Ranauk strebte erkennbar ein schnelles Remis an. Nihal stand früh besser und konnte gar nicht mehr auf Remis spielen, falls er überhaupt eine solche Vorgabe hatte. Pragg stand etwas aussichtsreicher und Gukesh zeigte sich bestens präpariert. Pragg verpasste in der folgenden Diagrammstellung im 19. Zug mit Weiß eine taktische Gelegenheit, um die Abseitsstellung der gegnerischen Dame auf d3 zu nutzen.

 

Hier war 19. c4-c5 der richtige Zug. Nach 19...bxc5 muss man jedoch die Folgen von 20.b3-b4! berechnen. Auf 20...Dxb4 kommt Tb1, um Material einzusammeln. Nach dem besseren 20…Sd5 kann Weiß mit 21.Sf6+ und 22.Lh7+ die gegnerische Dame erobern. Die Sache ist nicht so einfach wie anzunehmen, aber Weiß sollte die klar besseren Chancen besitzen. Nachdem er diese Chance verpasst hatte, gelang es Pragg nicht mehr, ernsthafte Gewinnchancen zu erzielen. Die Partie endete ebenfalls friedlich nach einigen weiteren Zügen. Bevor Pragg sich in das Remis fügte, gelang es Gukesh seinem Gegner Material abzunehmen und dann erneut sehr überzeugend zu gewinnen.

Die entscheidende Phase in der Partie von Gukesh

 

Nihal stand zwar früh (Stellung nach 16...Da5-g5) klar vorteilhaft, benötigte aber etwas, um seinen späteren Materialvorteil zu verwerten. Das gelang ihm erneut souverän. Nihal kommt jetzt ebenfalls in Form. Im Video von Chessbase India ist eine typische Verhaltensweise des Inders zu sehen: Steht Nihal auf Gewinn hält ihn nichts auf seinem Stuhl.

Die entscheidende Phase in der Partie von Nihal

In der fünften Runde kommt es für Indien 2 zum ersten ernsthaften Test. Spanien spielt mit einer sehr starken und recht gleichmäßig besetzten Mannschaft. Es wird spannender.

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Ergebnisse Offene Olympiade bei Chess-results.com...


Thorsten Cmiel ist Fide-Meister lebt in Köln und Milano und arbeitet als freier Finanzjournalist.