Indien bietet Austragung der 44. Schacholympiade an

von André Schulz
28.02.2022 – Die FIDE hat sich mit einer Erklärung den Angriff von Russland auf die Ukraine verurteilt, alle Sponsorenverträge mit russischen Firmen gekündigt und Russland und Weißrussland als Austragungsorte für FIDE-Turniere ausgeschlossen. Das betrifft auch die Schacholympiade 2022. Der Indische Schachverband bietet sich nun kurzfristig als Ausrichter an.

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Der Weltschachbund wurde 1924 am Rande der Olympischen Spiele in Paris gegründet. Sechs Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges stand Idee der Völkerverständigung im Hintergrund. 1927 fand in London das erste internationale Mannschaftsturnier als Schacholympiade statt. Seitdem wurden 43 Schacholympiaden ausgetragen. Bei der Schacholympiade 2018 in Batumi nahmen 180 Federationen mit 185 Mannschaften teil. Im Frauenturnier spielten 151 Teams aus 146 Federationen. Die Schacholympiaden wurden immer größer, entwickelten sich zu einem Völkerfest, in dem sich Menschen aus allen Ländern und allen Kontinenten friedlich beim Schachspiel versammelten und den Wahlspruch der FIDE demonstrierten: "Gens una sumus".

Die 44. Schacholympiade sollte ursprünglich in Khanty-Mansiysk stattfinden. Die 45. Schacholympiade war in die Hauptstadt von Belarus, Minsk, vergeben. Dann änderte erst die Covid-19-Pandemie und im Sommer 2020 die Volkserhebung gegen die offensichtlich manipulierten Ergebnisse der Präsidentenwahl in Weißrussland den Fahrplan des Weltschachbundes. Die FIDE führte 2020 ersatzweise eine Online-Schacholympiade durch und verlegte den Austragungsort der 44. Schacholympiade erst nach Khanty-Mansiysk, dann nach Moskau, wo das Turnier vom 26. Juli bis 8. August hätte stattfinden sollen.

Nun hat der Angriff Russlands auf die Ukraine Russland als Austragungsort für Schachturniere unmöglich gemacht. Am vergangenen Freitag stellte die FIDE schon klar, dass die 44. Schacholympiade nicht in Moskau stattfinden kann. Kurz nach der Entscheidung des FIDE-Präsidiums bot nun der Indische Schachverband, die All Indian Chess Federation, die Ausrichtung des Turniers an.

In Indien, dem Mutterland des Schachs, haben die Erfolge von Viswanathan Anand einen unglaublichen Schachboom ausgelöst. Schach ist zum Volkssport geworden. Die AICF ist zuversichtlich, dass sie die Organisation dieses großen Turniers trotz der sehr kurzen Vorlaufzeit von kaum fünf Monaten durchführen kann. Die Kosten werden auf etwa 10 Mio. USD beziffert. Der indische Verband hofft auf staatliche Unterstützung. Nachdem die AICF die Idee zur Durchführung bekannt macht, haben sich schon zwei indische Städte gemeldet und sich um die Durchführung beworben. Im Gespräch mit ChessBase India sagte Bharat Singh Chauhan, der Sekretär der AICF: "Es war schon immer mein Traum, dass das größte Spektakel der Schachwelt nach Indien kommen sollte. Die indischen Großstädte sind gut ausgestattet, um eine solche Veranstaltung zu organisieren. Wir bräuchten etwa 1500 bis 2000 Hotelzimmer, um alle Teilnehmer aus verschiedenen Ländern unterzubringen. Indien ist ein schachbegeistertes Land. Es gibt ein großes Interesse an diesem Sport. Wir haben kompetente Leute und ich habe volles Vertrauen in mein Team, dass wir das schaffen werden!"

Neben der 44. Schacholympiade müssen auch Austragungsorte für die Schacholympiade für Menschen mit Handicap und für die FIDE-Kongress gefunden werden. Die FIDE möchte ihren Kongress vorzugsweise im Rahmen der Schacholympiade durchführen. Der Kongress 2022 ist ein Wahlkongress, bei dem das Präsidium neu gewählt wird. Beim Kongress 2018 wurde Arkady Dvorkovich als Präsident der FIDE gewählt. Sein Vorgänger Kirsan Ilyzhinov musste das Amt aufgeben, nachdem er wegen seiner Beteiligung an einer russischen Bank und Geschäften mit Syrien auf die schwarze Liste des US-Schatzamtes gesetzt worden war. Arkady Dvorkovich hat über seinen Vater, der ein bekannte Schachschiedsrichter war, einen engen Bezug zum Schach. Er war persönlicher Berater von Vladimir Putin, Stellvertretender Ministerpräsident von Russland und hat die Fußball-Weltmeisterschaft organisiert. 

Unter seiner Führung wurde der Weltschachverband mit vielen Fachleuten deutlich besser aufgestellt. Unter normalen Umständen wäre eine Wiederwahl wahrscheinlich. Doch die Umstände sind derzeit alles andere als normal.

In der Vergangenheit haben der russische Staat, russische staatliche Firmen und russische Oligarchen das Schach in Russland und die FIDE in erheblichen Maße finanziell unterstützt. In ihrer Erklärung vom Sonntag hat die FIDE alle Sponsorenverträge mit russischen Firmen gekündigt. Der Marketingchef der FIDE Emil Sutovsky hat in einem Post auf Facebook darauf verwiesen, dass die FIDE nicht auf das Geld der russischen Firmen angewiesen ist. Allein durch die Vergabe der Medienrechte an Chess.com und Chess24 habe die FIDE Einnahmen in Höhe von 7 Mio. Euro. Das FIDE-Präsidium sei zudem international aufgestellt und nicht von Russland abhängig.

Der Deutsche Schachbund hat den Angriff Russlands auf die Ukraine in einer Erklärung verurteilt. 
 
In Berlin fand kürzlich noch der erste von drei Grand Prix-Turnieren statt. Am Mittwoch beginnt in Serbien das zweite Grand Prix-Turnier und am 21. März erneut in Berlin das dritte Grand Prix-Turnier. Im Juni folgt das Kandidatenturnier in Madrid.
 
Die Grand Prix-Turniere werden von der Marketingfirma Worldchess durchgeführt. Die Firma ist zwar in England registriert, ist aber eine russische Firma. Kann Worldchess noch den Grand Prix unter den äußeren Umständen ordnungsgemäß durchführen. Wie sollen russische Organisatoren und Spieler überhaupt in westliche Länder gelangen, wenn der Luftraum für russische Flugzeuge über EU-Ländern gesperrt ist und kaum noch eine Fluglinie Russland anfliegt?
 

ChessBase India: Indien bewirbt sich um Ausrichtung der Schacholympiade...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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