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Schach-Bundesliga in Berlin: Zwei Urgesteine und Spasskis Vorliebe für Sauerkraut
Von Dagobert Kohlmeyer
Was hat die Überschrift mit den Kämpfen der Bundesliga am vergangenen Wochenende in Berlin zu tun? Es liegt am Interesse des Reporters am Schach-Geschehen von früher bzw. an den Machern abseits der Bretter, wenn sich auf selbigen gerade mal nicht viel bzw. wenig Erfreuliches tut.
Nach dem Saisonauftakt hatten die beiden Berliner Teams in Runde 5 und 6 zum zweiten Mal Heimvorteil. Der SK König Tegel und die Schachfreunde Berlin begrüßten diesmal gemeinsam die SG Solingen und die SG Trier. Gespielt wurde im Hotel am Borsigturm im hohen Berliner Norden, und die Ergebnisse sind schnell aufgezählt.
Samstag, 14. Dezember:
SK König Tegel - SG Solingen 2,5:5,5
SF Berlin - SG Trier 3,5:4,5
Sonntag, 15. Dezember:
G Solingen - SF Berlin 4,5:3,5
SG Trier - SK Tegel 5,5:2,5
Keine großen Überraschungen also. Während Außenseiter Tegel am ersten Tag gegen Solingen klar unterlag, zogen die Schachfreunde Berlin gegen Trier nur knapp den Kürzeren, weil Andrej Maximenko eine sehr gute Stellung gegen Mircea Parligras zum Remis verdarb und an Brett 8 Laszlo Gonda die stürmischen Angriffe von Michail Agopow abwehren und einen gewinnbringenden Konter setzen konnte.
Andrej Maximenko (rechts, mit Weiß) hatte kein Glück gegen Mircea Parligras
Michail Agopow (rechts, mit Weiß) gegen Laszlo Gonda
Am Sonntag kassierten die Neuköllner dann erneut eine knappe Niederlage, als der Solinger Jörg Wegerle seinen Gegner Michail Agopow im Schwerfiguren-Endspiel keine Chance ließ und den Big Point machte. Der IM in Diensten der Berliner war mit zwei Nullen tragischer Held des Wochenendes. Die Tegeler verloren auch gegen Trier ganz deutlich, was bei ihrem beinahe Amateur-Kader kaum einen der Kiebitze vor Ort oder der Zuschauer im Internet verwunderte.
Wie wir sehen, konnten die beiden Berliner Teams im Kampf gegen den Abstieg keine Punkte einsammeln. In der Tabelle liegen sie derzeit auf den Plätzen 12 und 15. Bedeutend komfortabler ist die Lage von Solingen (Rang 3) und Trier (Rang 9).
Manfred Rausch
Tegels Mannschaftsleiter Manfred Rausch ist schon lange an die schwierige Situation seines Teams gewöhnt. Seit 1990 spielen die Nordberliner in der 1. Schach-Bundesliga und steigen dort mit schöner Regelmäßigkeit auf und ab. "Die Fahrstuhl-Mannschaft" der Liga hat in den vergangenen drei Spielzeiten ständig das Oberhaus erreicht und wieder verlassen. Manfred Rausch ist seit 1951 im Verein und mit 78 Jahren immer noch nicht müde, das Team um Robert Rabiega zu betreuen. Er begleitet die Mannschaft auch zu allen Auswärtsspielen. "Das macht mitunter weniger Arbeit als wenn man Ausrichter ist, weil immer viele organisatorische Fragen zu regeln sind", schmunzelt er.
Robert Rabiega
Mladen Muse (rechts, mit Weiß) gegen Predrag Nikolic
Ulf von Herman
Stefan Frübing
Zehn Jahre jünger als Manfred Rausch ist der Solinger Herbert Scheidt, aber schon längst eine der großen Legenden in der höchsten Spielklasse.
Herbert Scheidt
Der Mann ist seit der Saison 1980/81 - also von Beginn an - immer dabei und damit dienstältester Mannschaftsleiter der 1. Schach-Bundesliga:
"Solingen war von Anfang an in der Liga, wir sind insgesamt elfmal deutscher Meister und zweimal Europapokalsieger geworden. Mit diesem Rekord bleiben wir noch immer der erfolgreichste deutsche Schachverein. Wir sind auch nie aus der 1. Bundesliga abgestiegen", sagt Scheidt bei unserem kurzen Gespräch in der Hotellobby nicht ohne Stolz.
Also ist Solingen eine Art HSV des Schachs?
Die Hamburger sind nicht nur in der Fußball-Bundesliga immer im Oberhaus geblieben, auch die Schachspieler des HSK haben sich immer in der 1. Bundesliga gehalten.
Okay. Ihr berühmtester Legionär war Boris Spasski. Der Exweltmeister erinnert sich noch heute gern an die schöne Zeit in Solingen, sagte er mir des Öfteren.
Das freut mich. Boris Spasski spielte von 1981 bis 1996 bei uns, also 15 Jahre. Danach war seine Schachkarriere praktisch beendet. Der Kontakt ist aber nie abgerissen. Boris hat im Jahre 2008 auch unser neues Schachzentrum in Solingen als Ehrengast eröffnet. Es war sehr lustig. Ich sagte zu ihm: "Boris, du brauchst nicht zu spielen, du sollst nur eröffnen usw." Seine Antwort: "Okay, ich möchte kein Honorar, nur die Fahrtkosten und Eisbein mit Sauerkraut. Das aß er so gern. Wir hatten ein prima Verhältnis und haben damals noch ein unheimlich nettes Wochenende mit ihm verbracht."
Bei aller Freude über die früheren Zeiten und Erfolge vergisst Herbert Scheidt die aktuellen Sorgen des Vereins nicht:
"Wir haben nach dem Rückzug unseres Hauptsponsors Evert im Moment sehr starke finanzielle Probleme. Da es seiner Firma derzeit nicht so gut geht, musste er sein Schach-Engagement zurückfahren. Wir hoffen dennoch, dass wir in der jetzigen Form weiterspielen können. Eine gewisse Aussicht gibt es noch. Im Januar werden wir entscheiden, ob wir weiter in der 1. Bundesliga bleiben oder in der nächsten Saison zurückziehen."
Das wäre natürlich schade. Die Spitzenleute wie Markus Ragger oder Predrag Nikolic bekommen ein Honorar, ganz klar, schließlich sind sie Schachprofis.
Predrag Nikolic
Aber manche Spieler der Solinger setzen sich auch zum Nulltarif ans Brett und spielen für die Ehre. Die Großmeister kennen die schwierige Situation und ziehen alle mit. Predrag Nikolic sammelt zum Beispiel immer alle Holländer ein und bringt sie zum Spielort mit.
Jan Smeets
Erwin l'Ami
Alexander Naumann
Das spart natürlich erheblich an Fahrtkosten. Artur Jussupow konnte von Scheidt in letzter Zeit wegen des finanziellen Engpasses nicht eingesetzt werden. "Er würde aber nie aus Solingen weggehen", sagt der Team-Kapitän. Ganz nebenbei erzählt Herbert Scheidt noch, dass er als Spieler im Jahre 1973 mit Solingen selbst deutscher Mannschafts-Meister war.
Was wäre die Schach-Bundesliga ohne so engagierte Mitstreiter!