Interview mit Anatoly Karpov

von André Schulz
27.04.2017 – Das Turnier in Pojkovsky ist nicht nur nach Anatoly Karpov benannt, der 12. Weltmeister ist auch persönlich an der Organisation beteiligt. Zu Beginn des Turniers stellte er sich den Fragen von Vasily Papin und berichtete über die Pläne für das Turnier und sein eigenes Schach.

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Anatoli Jewgenjewitsch, achtzehn Jahre – das ist noch kein Turnier-Jubiläum, aber immerhin schon Volljährigkeit. Wie geht es weiter?

Die Tradition wird fortgeführt, dessen bin ich mir sicher.

Es ist bemerkenswert, dass sich die Schach-Entwicklung in Jugra nicht nur auf Pojkovski bzw. auf das Öl-Gebiet beschränkt. Wir haben den Grundstein für eine großartige Entwicklung dieser Sportart gelegt. Früher war Jugra für Biathlon berühmt, heute für Biathlon und Schach. Wobei mit Schach auch die Olympiade gemeint ist, die Weltmeisterschaften, die Kandidatenturniere sowie der atemberaubende Schachpalast in Chanty-Mansijsk (Chanty-Mansijsk in West-Sibirien wird der Austragungsort der Schach-Olympiade 2020 sein – Anmerkung der Redaktion).

All dies ist einer guten Basis entsprungen. Dazu gehören die Schulen, die hier gegründet wurden, die erste davon in Pojkovski und die Zweigstelle in Chanty-Mansijsk. Jetzt sind wir dabei, die regulären Schulen mit einzubeziehen. Es fehlen Pädagogen, aber ich glaube, dass wir dieses Problem in den Griff bekommen. Das Wichtigste ist, dass viele Kinder Interesse zeigen. Ein Beleg dafür ist das Kinderturnier, das parallel zum Großmeisterturnier stattfindet, und an dem zwölf Mannschaften teilnehmen, alle aus dem gesamten Kreis Chanty-Mansijsk stammend. Die Kinder sind aus Nischnewartowsk angereist und das ist sehr weit östlich. Die Kids aus dem Kreis Surgut kommen aus Lempino, einem kleinen Dorf mit insgesamt 500 Einwohnern. Von dort sind sechs Kinder angereist, ein Beweis dafür, dass die Arbeit der Schulzweige gut funktioniert.

Auf Ihren Wunsch hin hat sich Sergey Karjakin gern am Rahmenprogramm des Turniers beteiligt. Werden Sie ihm auch eine direkte Teilnahme am Turnier anbieten?

Wissen Sie, das wäre großartig und ich persönlich würde Karjakins erneute Teilnahme begrüßen. Er hat hier zwei Mal gespielt, allerdings hatte er damals noch nicht die Position in der Schachwelt gehabt, die er heute genießt. Zugegebenermaßen besteht hier die Gefahr, uns selbst auszuspielen. Denn würde Karjakin teilnehmen und damit für ein hochkarätiges Turnier sorgen, im nächsten Jahr aber nicht dabei sein können, so würde dies für einen gewissen Frust sorgen. Ein sehr starkes Teilnehmerfeld müssen wir auch halten können, was wir nicht schaffen werden. Daher sollte man bodenständig bleiben. Wir wollen kein hochgestecktes Ziel erreichen und im nächsten Jahr ein Turnier veranstalten, das eine niedrigere Kategorie aufweist.

Jetzt haben wir Kategorie 18. Ist das die Lattenhöhe, die nicht tiefer fallen darf?

Mich hat ehrlich gesagt die Turnier-Kategorie nie wirklich interessiert. Darauf achten eher Außenstehende. Aber: Würden wir die Latte höher legen, so müssen wir diese Höhe auch halten. Was für mich wirklich zählt, ist die Spielqualität, die Spielstärke der Großmeister, die sich nicht in einer Elozahl äußert, sondern durch Ideenreichtum, Zügen, Erfolgen zeigt. Deshalb mache ich es mir einfacher. Eine interessante Zusammensetzung der Teilnehmer ist mir wichtiger, als die Turnier-Kategorie.

Bedeutet das nun, dass Sergey für die XIX. Turnierausgabe eine Einladung erhalten wird?

Ja, natürlich.

Anatoli Jewgenjewitsch, trotz der vielen Arbeit mit öffentlichen und Regierungs- Angelegenheiten finden Sie immer die Zeit für sportliche Veranstaltungen. Welche davon erwarten Sie in diesem Jahr?

Ich habe mich bereit erklärt, für den Deutschen Verein "Hockenheim" zu spielen. Aktuell belegen wir den zweiten Platz in der Bundesliga. Die letzten Kämpfe stehen noch aus. (Vom 29. April bis 1. Mai 2017 findet die zentrale Endrunde in Berlin statt – Anmerkung der Redaktion.) In den Sommerferien dieses Jahres findet in Spanien ein Freundschaftsturnier für in den 50ern geborene Schachspieler statt. Ich habe dort vor zwei Jahren eine Schule gegründet und im Rahmen der Programmentwicklung wurde dieses Turnier initiiert. Die Teilnehmer sind: Jan Timman, Zoltán Ribli, Ljubomir Ljubojević und ich. Das traditionelle Match gegen Jan Timman fällt dieses Jahr daher aus. Die wiederbelebte Mannschaft "Ural" wird an der Russischen Meisterschaft teilnehmen. Diese wird während der Mai-Feste in Sotschi stattfinden.

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Wie sieht die Mannschaft aus?

Ich bin am ersten Brett aufgestellt, Alexei Shirov an Brett zwei, danach kommen vier Schachspieler aus dem Ural, was mich besonders freut. Motyljov und Rubljowski sind auch dabei. Wahrscheinlich werde ich ein paar Partien spielen, zudem bin ich Mannschaftskapitän und Vorsitzender des Turnierkomitees.

Werden Sie um die ersten drei Plätze kämpfen?

Wir sind stark genug, um unter die ersten drei zu kommen. Sollten wir den Einzug in den Europapokal schaffen, so werden wir die Mannschaft verstärken müssen.

Werden wir Sie, abgesehen von den Mannschaftsmeisterschaften, in Turnieren mit klassischer Bedenkzeit erleben?

Dafür ist die Zeit knapp. Eine Pause ist angesagt (lacht), denn es ist nicht nur die angemessene Vorbereitung, sondern auch die Teilnahme an sich, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Unser Turnier zum Beispiel ist nicht sehr lang, dauert aber immerhin zehn Tage. Wie soll man diese Zeit finden? Es ist nicht mit meiner Arbeit in der Staatsduma vereinbar.

Unmittelbar vor dem Turnier in Pojkovski waren Sie in Zürich bei dem Victor Korchnoi-Memorial als Ehrengast anwesend. In diesem Turnier wurde mit der Bedenkzeit "Neue Klassik" gespielt – eine Erfindung von Oleg Skvortsov: 45 Minuten pro Partie + 30 Sekunden pro Zug, bei zwei Runden pro Spieltag. Wie stehen Sie zu dieser experimentellen Zeitkontrolle?

Ich bin ehrlich gesagt kein großer Anhänger all dieser Experimente. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man mit einem Faktor die unterschiedlichen Rating-Systeme vereinen sollte. Es geht genauer gesagt um Klassik- und Schnellschach sowie bestimmte Korrekturfaktoren.

Das heißt, Sie plädieren für die Erhaltung der klassischen Bedenkzeit.

Ich plädiere dafür, dass die verschiedenen Formate nicht durcheinander gebracht werden. Wenn wir ein "klassisches" Turnier veranstalten, dann sollte das Turnier auch klassisch sein, ohne dass das Format "Blitz" dazwischenfunkt.

Sie glauben also, dass die "neue Klassik" nicht zu einem "klassischen" Turnier passt?

Ja, sie passt nicht.

Welche Bedenkzeit würden Sie denn für ein "klassisches" Turnier wählen?

Ich glaube, dass die Reduzierung der Bedenkzeit die Qualität der Partien beeinträchtigt, sodass man es mit dieser Reduzierung nicht übertreiben sollte. Mal ganz davon abgesehen: ich selbst habe schon immer sehr gern geblitzt und Schnellschach gespielt. Doch das "klassische" Schach muss einfach sein, weil uns nur die "Klassik" ermöglicht, unser Schachwissen zu vertiefen und Fortschritte zu machen.

Sie würden also die Bedenkzeit "100 Minuten für 40 Züge, 50 für 20 und 15 für den Rest der Partie + 30 Sekunden pro Zug, angefangen mit dem ersten" beibehalten?

Ja, wobei auch das schon eine recht kritische Zeitreduzierung ist. Noch weniger geht nicht, mehr Bedenkzeit aber schon.

Zum Schluss – was wünschen Sie den Turnierteilnehmern für die restlichen Runden?

Dass sie interessantes Schach spielen und gewinnen!

Das Interview mit dem 12. Weltmeister, Vize-Präsident des Russischen Schachbundes, Abgeordneter der russischen Staatsduma, Initiator und Mit-Organisator des jährlichen internationalen Schachturniers in Pojkovski, Anatoli Jewgenjewitsch Karpov, führte Vasily Papin.


Quelle: http://ермак-инфо.рф/2017/04/igrat-interesno-i-pobezhdat-intervyu-s-anatoliem-karpovyim/

Nachdruck und Übersetzung aus dem Russischen mit freundlicher Genehmigung.


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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