„Wir brauchen ein echtes Team und gute
Nachwuchsarbeit“
Interview mit Artur Jussupow
Von Dagobert Kohlmeyer
Der frühere WM-Kandidat, vielfache
Nationalspieler und heutige Schachtrainer Artur Jussupow ist in dieser Woche aus
der Türkei zurückgekehrt, wo er bei der U16-Olympiade als Coach für die
Schweizer tätig war. Wir sprachen mit ihm darüber und aus aktuellem Anlass auch
über die am Donnerstag in Griechenland beginnende Mannschafts-EM.
Bei der Team-Europameisterschaft
spielt Deutschland diesmal mit seiner stärksten Kapelle. Dein Kommentar dazu?
Das finde ich ganz okay und richtig. Ich
wünsche der deutschen Mannschaft viel Glück, dass sie nach einer gewissen
Durststrecke wieder mal eine gute Platzierung schafft.
Du sagst es, die letzten Erfolge
liegen schon einige Zeit zurück. 1999 und 2001 hat das DSB-Team der Männer
jeweils EM-Bronze gewonnen. Lang, lang ist‘s her.
Ja, wir waren früher nicht so schlecht. Bei
der Europameisterschaft des Jahres 1999 habe ich im deutschen Team mitgespielt.
Und ein Jahr später, bei der Olympiade 2000 in Istanbul gewannen wir zur
Überraschung vieler sogar die Silbermedaille. Die Ergebnisse von damals zeigen,
was alles möglich ist.
Wie kann man wieder an diese Erfolge
anknüpfen?
Das ist nicht so einfach, weil die
internationale Konkurrenz sehr stark ist. Am wichtigsten ist es, dass sich
unsere besten Großmeister auch als echte Mannschaft präsentieren. Ein homogenes
Team macht in einem harten Wettbewerb ganz viel aus.
Wie stark sind die Russen? Kann man
Peter Swidler und Co. derzeit überhaupt schlagen?
Wir werden es sehen. Sie stehen jedenfalls
gewaltig unter Druck und müssen beweisen, dass sie die Besten sind. Aber
vielleicht sind sie jetzt auch richtig wütend und wollen sich für ihre
Niederlagen in den letzten Team-Wettbewerben revanchieren (lacht).
Der aktuelle Olympiasieger Ukraine ist
an Nr. 2 gesetzt und auch nicht zu verachten.
Das stimmt, sie haben eine sehr gute
Mannschaft. Aber vergessen wir auch die anderen alten Bekannten nicht.
An wen denkst du besonders?
An die Armenier. Die darf man nie außer Acht
lassen. Man muss den Doppel-Olympiasieger immer auf der Rechnung haben. Die
Schachmannschaft Armeniens verfügt vor allem über ganz großen Teamgeist.
Titelverteidiger ist Aserbaidschan.
War der Sieg dieses Quartetts vor zwei Jahren mit Asmaiparaschwili als Trainer
ein Zufall?
Das glaube ich nicht. Sie haben schon eine
große Qualität, keine Frage. Aber in der letzten Zeit gab es Querelen, als es um
die WM-Ausscheidungen ging. Da ist etwas nicht so günstig gelaufen. Man muss als
Team immer geschlossen auftreten, um echte Siegchancen zu haben. Die
Aserbaidschaner sind schon gut, aber ob sie noch mal so eine Überraschung
schaffen, weiß ich nicht.
Wünschen wir den beiden deutschen
Teams alles Gute. Der DSB hat die Weichen wieder mehr auf Leistungssport
gestellt. Frage an den Schachtrainer Artur Jussupow: Was kann im
Nachwuchsbereich, aus dem ja künftige Großmeister kommen, noch getan werden?
Man müsste unsere Kinder und Jugendlichen
auch zu den U16-Olympiaden schicken. Ich komme gerade aus der Türkei, wo ich die
Schweizer Talente betreut habe. Russland gewann, das Team hatte zwei Großmeister
in seinen Reihen. Die Schweizer wurden Achter in dem Feld von 26 Mannschaften,
was für sie eine gute Platzierung bedeutet.
Ali Nihat, Präsident des türkischen Verbandes und
FIDE-Vize-Präsident
Nur Deutschland war nicht vertreten.
Wie kommt das?
Ich weiß es auch nicht. Ganz ehrlich kann
ich es nicht recht nachvollziehen, dass der DSB diesen Olympiade-Wettbewerb für
den Nachwuchs nicht nutzt, wenn zum Beispiel die Schachprinzen auch gefördert
werden. Es lohnt sich, einmal auf die sehr gute Turnierseite des türkischen
Verbandes zu schauen. Dort gibt es viele interessante Informationen über die
Olympiade in Wort und Bild.
Die siegreiche russische Mannschaft
Also, es gilt in der
Nachwuchsförderung zuzulegen?
Genau. Andere Länder unternehmen sehr große
Anstrengungen im Nachwuchsbereich. Nicht nur Russland hat bei der U16-Olympiade
in dieser Altersklasse schon Großmeister geschickt, auch Aserbaidschan und
Indien. Daran können wir sehen, wie schnell und gezielt die Entwicklung dort
vorangeht.