28.05.2009 – Schach und Glamour verbinden sich normalerweise so gut wie Wasser und Öl. Doch es gibt auch Ausnahmen. Eine solche ist Carmen Kass, Tochter eines
estnischen Schachtrainers. Als 18-Jährige wurde sie von einer Modelagentur
entdeckt und erhielt schon zu Beginn ihrer Karriere eine Auszeichnung als
bestes Supermodell des Jahres. Seitdem hat sie an unzähligen Shows
mitgewirkt, zierte die Cover der Modemagazine, nahm Werbeclips für Dior,
Chanel und Calvin Klein auf und spielte sogar eine Hauptrolle in einem
estnischen Kinofilm. Von ihrem Vater übernahm sie die Liebe zum Schach und
wurde zur Präsidentin des estnischen Schachverbandes gewählt. Carmen Kass
ist gern gesehener Gast auf vielen Turnieren, denn sie bringt den Glanz der
schillernden Modewelt dorthin. Trotz allen Ruhmes ist die Estin jedoch
völlig normal geblieben und macht sich als Verbandspräsidentin z.B.
Gedanken, wie man in ihrem Heimatland wieder mehr Talente finden kann.
Dagobert Kohlmeyer traf Carmen Kass in Sofia.Carmen Kass bei Supermodels...Carmen
Kass bei Fashion Model Directory...Carmen Kass beim estnischen
Schachverband...Zum Interview...
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Über Schach
in der Schule, Schönheit und Intelligenz
Interview mit Estlands Schachpräsidentin Carmen Kass
Von Dagobert Kohlmeyer
Sie ist eine der schönsten Frauen der Welt. Ihr Gesicht ziert die
Titelseiten von Hochglanzmagazinen und wirbt für Marken wie Dior, Chanel
oder Calvin Klein. 2004 übernahm sie eine Rolle in dem Film "Täna öösel me ei maga":
Trailer zu "Täna öösel me ei maga", Estland 2004 mit Carmen Kass
Das Supermodel Carmen Kass ist auch Präsidentin des
estnischen Schachverbandes. In dieser Funktion wird die 30-Jährige nicht
müde, für das königliche Spiel zu trommeln. Mit ihrer Bekanntheit wirbt sie
seit mehr als fünf Jahren für Schach. So spielte Carmen kürzlich beim
Turnier in Sofia Glücksfee und loste die Startnummern der Spieler aus.
Auslosung in Sofia
Favorit Weselin Topalow erhielt die Nr.4, worauf er gleich mit Schwarz gegen
Magnus Carlsen antreten musste. Und verlor! Das bulgarische Fernsehen
berichtete zur besten Sendezeit in großer Aufmachung über den Auftritt des
Supermodels bei den Geistesriesen.
Carmen Kass wurde vom deutschen Großmeister Eric Lobron
begleitet, mit dem sie seit Jahren befreundet ist.
Carmen Kass und Eric Lobron
Carmen bei der WM in Brissago
Das Paar lebt, wie Eric
uns erzählte, abwechselnd in Wiesbaden oder in einem Haus an der Ostseeküste
in Estland. Dagobert Kohlmeyer hatte Gelegenheit, mit Carmen Kass zu
sprechen.
Carmen, Tallinn war neben Dresden Mitbewerber um die
Ausrichtung der Schacholympiade 2008. Sind Sie noch traurig, dass Ihre
Hauptstadt damals nicht den Zuschlag bekam?
Nein, es ist ja schon fast fünf Jahre her, dass die
Entscheidung beim FIDE-Kongress in Calvia fiel. Dort konnte nur einer
gewinnen. So ist das eben. Mal gewinnst du, mal verlierst du. Man muss es
sportlich sehen, das habe ich getan.
Sie sind also nicht mehr betrübt, dass Ihre damalige
Charme-Offensive nicht den gewünschten Erfolg hatte?
Überhaupt nicht. Inzwischen ist so viel Zeit vergangen.
Und ich war ja im vergangenen November Ehrengast in Dresden. Es hat mir gut
gefallen, wie die dortigen Gastgeber die Schacholympiade organisiert haben.
Und das offizielle Turnierbuch finde ich auch sehr gelungen.
Sie schmückten schon etliche Schachturniere von
internationalem Rang mit Ihrer Anwesenheit, darunter die Chess Classic in
Mainz, das WM-Match Kramnik - Leko 2004 in Brissago oder jetzt das Turnier
in Sofia. Was hatten Sie für Eindrücke?
Carmen Kass in Mainz
Eine Partie gegen Hans-Walter Schmitt
Immer, wenn Schach-Veranstalter neue Wege gehen, ist
das eine gute Werbung für unser Spiel. Die Idee mit dem Glashaus finde ich
zum Beispiel super. Alle Spieler sind von draußen sehr gut zu sehen. Man
kann ihre Züge und Mimik besser verfolgen als in einem dunklen Saal. Schach
muss noch viel mehr Öffentlichkeit erhalten. Wenn die Menschen nicht zu uns
kommen, müssen die Großmeister eben zu den Leuten auf die Straße gehen. Das
bringt viel mehr Zuschauer, als wenn die Stars ihre Figuren in einem Saal
ziehen.
Spielen Sie selbst manchmal Schach, vielleicht mit
Eric Lobron?
Ich kann es nicht gut genug, um gegen ihn zu bestehen
(lacht). Aber er erklärt mir sehr viel. Das ist doch auch etwas.
Sie sind jetzt schon fünf Jahre Präsidentin des
Schachverbandes von Estland. Wie lange wollen Sie das Amt denn noch ausüben?
Erst einmal bis 2010, das ist klar. Im nächsten Jahr
haben wir dann Neuwahlen.
Wie promoten Sie Schach in Ihrer Heimat?
Meine Hauptaufgabe sehe ich darin, Schach zurück an die
Schulen zu bringen. Dort müssen wir die Basis schaffen, damit wir wieder
eine starke Schachnation werden. Das ist mein Traum als Schachpräsidentin.
Es ist aber komplizierter zu realisieren, als ich anfangs dachte.
Carmen Kass und Hans Leusen von Dannemann
Im Interview mit Helmut Pfleger in Brissago
Warum? Liegt es an der gegenwärtigen Krise?
Weniger an der globalen Krise, mehr an der eigenen
Situation im Land. Wir müssen unsere Strukturen und Sichtungsmethoden
verbessern.
Wie soll das passieren?
Es geht einfach darum, mehr Schachtalente zu finden und
zu fördern. Also müssen wir in die Schulen gehen. Daran führt kein Weg
vorbei. Doch derzeit fehlen uns qualifizierte Trainer, so wie andere
Nationen sie haben. Nur mit guten Schachlehrern können wir eine neue
Generation starker Großmeister heranbilden.
Estland hat ja große Traditionen, wenn man nur an
die Schachlegende Paul Keres denkt.
Sicher. Aber unserer Besten sind leider nicht mehr da.
Jaan Ehlvest ist in die USA abgewandert. Er hat dort gerade die
Landesmeisterschaft (und das Chicago Open – D. K.) mitgespielt. Lembit Oll
ist tot. Diese Leute sind nicht so leicht zu ersetzen. Fortschritte erreicht
man, wie gesagt, nur über eine gezielte Förderung des Nachwuchses.
Hat Schach Ihnen vielleicht mal in Ihrer Karriere
als Model geholfen?
Nicht direkt. Aber meinen Geist und meine
Entscheidungsfreude hat es schon entwickelt.
Anders gefragt: Ist Schach mitunter hilfreich, wenn
man Weichen fürs Leben stellen muss?
Als ich jung war, habe ich viel gespielt. Schach hat
mein logisches Denken gefördert. Weil ich Züge abwägen und mich für einen
Weg entscheiden musste. Möglichst für den richtigen Weg. Ganz allgemein
gesehen hat Schach sicher einen großen Nutzen für das Leben.
Treten Sie auch dafür ein, dass noch mehr Frauen und
Mädchen zu den Figuren greifen?
Absolut, denn das Spiel ist doch sexy. Immer mehr
Schachspielerinnen zeigen heute, dass man auch in diesem Sport erfolgreich
sein und den Männern Paroli bieten kann. Schönheit und Intelligenz schließen
sich doch nicht aus.
ChessBaseDie ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.
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