Interview mit Carsten Hensel
Von André Schulz
Carsten Hensel (Foto: Knut Koops)
Wie sind Sie mit dem Abschneiden
ihrer Schützlinge in Dortmund zufrieden?
Selbstverständlich sehr zufrieden.
Wladimir hat nicht nur zum achten Mal Dortmund gewonnen, sondern in Serie -
beginnend mit Schacholympiade in Turin 2006 - das 5. klassische Schachereignis
mit einer ELO-Performance von über 2800 abgeschlossen. Das beweist, wie sehr
er seit mehr als einem Jahr die Szene dominiert. Peter, ebenso wie Kramnik,
hat in Dortmund eine sehr ansprechende Leistung gezeigt und in fast jeder
Partie Druck ausgeübt. Auch er hätte Dortmund leicht gewinnen können, wenn er
seine Chancen ein wenig besser genutzt hätte. Wie auch immer, beide Spieler
sind in hervorragender Verfassung.
War Kramniks Sieg wichtig im
Hinblick auf die psychologische Ausgangssituation beim WM-Turnier in Mexiko.
Wie schon gesagt, Kramnik dominiert seit
einiger Zeit das Spitzenschach. Das wird der Konkurrenz nicht entgangen sein
und sie ist sicherlich beeindruckt. Ich glaube jedoch nicht, dass dies ein
Vorteil für Kramnik ist, denn auf ihm lastet gleichzeitig der größte Druck.
Die Karten werden in Mexiko neu gemischt, sehr viel wird von der Vorbereitung
abhängen und der aktuellen Form vor Ort: schachlich, physisch und
mental.
Welche Bedeutung haben die Ergebnisse von
Schnellschachwettkämpfen, wie etwa Leko gegen Kramnik.
Rein sportlich gesehen so gut wie keine,
schon allein deshalb, weil die Partien nicht für die Weltrangliste gewertet
werden. Diese Showevents sind jedoch ein ideales Medium um Schach in lockerer
Form neuen Zielgruppen zu präsentieren.
Die Fide hat während des Dortmunder
Turniers eine Präsidiumssitzung abgehalten und als Ergebnis u.a. einen
Fünfjahresplan mit einer recht komplizierten Grafik für die kommenden
Weltmeisterschaften veröffentlicht. Haben Sie das System verstanden.
Das System ist nicht schwer zu verstehen.
Allerdings führt die Grafik zu Missverständnissen, da gebe ich Ihnen recht.
Können Sie uns das System in wenigen
Sätzen erklären?
Ganz einfach: In Zukunft sollen über den
Weltcup und Grand Prix die beiden Sieger in einem Match den Herausforderer des
Weltmeisters ermitteln.
Wieso hat Kramnik das Vorrecht eines
Weltmeisterschaft-Kampfes, für den Fall, dass er in Mexiko nicht gewinnt?
Die WM in Mexiko-City soll die letzte im
Turniermodus sein. Durch die Vereinigung der Titel ist die Notwendigkeit des
Experimentierens entfallen. Die FIDE hat logischerweise entschieden, dass am
Ende eines jeden Zyklus ein klassischer Zweikampf um die WM stattfinden soll.
Da Mexiko jedoch schon vereinbart war, haben wir uns vertraglich auf einen
Kompromiss geeinigt. Kramnik ist danach für einen WM-Kampf im Jahre 2008
gesetzt, ganz egal wie er in Mexiko abschneidet. Es wäre ja auch ein Unding,
wenn der 3-fache Match-Weltmeister durch ein Turnier, womöglich noch als
Zweitplatzierter und im Tiebreak geopfert würde. Dies hätte nur zu weiteren
Verwerfungen in der Schachwelt geführt, denn viele Fans würden Kramnik
weiterhin als Champion betrachten, der in einem Zweikampf zu besiegen ist.
Falls Kramnik Mexiko nicht selbst gewinnt, wird er also den Sieger von Mexiko
zunächst als Weltmeister anerkennen, jedoch unter der Bedingung eines
einmaligen Rückkampfrechtes im Jahre 2008.
Wen sehen Sie in Mexiko als
Favoriten an?
An Kramnik kommt niemand vorbei. Anand,
Aronian und Leko habe sicher ebenfalls gute Chancen. Insgesamt ist das Turnier
jedoch unglaublich stark besetzt, immerhin haben sich in der Qualifikation die
besten Spieler durchgesetzt. Der ELO-Durchschnitt beträgt 2752, Kategorie 21.
Das Feld in Mexiko ist deutlich besser als in San Luis.
Die Fide hat in den neuen Zyklus
auch Topalov integriert, der ohne Qualifikation entweder gleich gegen Kramnik
ein WM-Match spielt oder aber gegen den Worldcup-Sieger ein Kandidatenfinale
austrägt. Wie sehen Sie das?
Für Kramnik sind diese Entscheidungen
belanglos. Er spielt Mexico City und ein WM-Match 2008. Wer sein Gegner bei
diesem WM-Kampf sein wird, ist egal. Das Privileg Topalovs gegen den
Weltcup-Sieger anzutreten oder gleich gegen Kramnik im WM-Kampf, berührt
jedoch vehement die Interessen der übrigen Spitzenspieler. Mit Sicherheit in
dieser Angelegenheit noch nicht das letzte Wort gesprochen. Ich gehe davon
aus, dass alle Top-Großmeister inklusive Peter Leko gegen dieses Vorrecht
protestieren werden. Unter Umständen riskiert man beim Weltverband sogar den
Boykott des Weltcups. Und dazu sollte es keinesfalls kommen.
Gibt es schon Pläne für den
Weltmeisterschaftskampf mit Kramnik. Wo könnte dieser stattfinden?
Es ist noch ein wenig früh darüber zu
reden. Zunächst steht ja das WM-Turnier in Mexiko im Blickpunkt. Danach wissen
wir auch, wer das WM-Match 2008 bestreiten wird. Natürlich gibt es im
Hintergrund schon entsprechende Aktivitäten. Es haben einige große Städte aus
unterschiedlichen Kontinenten Interesse an der Ausrichtung des Wettkampfes
bekundet. Die deutsche Universal Event Promotion hat alle Rechte an diesem
Wettkampf von der FIDE erworben. Ihr Investor und Eigentümer Josef Resch
wird letztendlich entscheiden, wo das Ereignis stattfindet. Ich kann nur
soviel sagen, dass Deutschland bei der Vergabe gute Chancen hat. Allein schon
deshalb, weil das Kramnik Vs Deep Fritz Match in Bonn hervorragende Resonanzen
hatte und vermutlich das bestorganisierte Ereignis in der gesamten
Schachgeschichte war.
Die Fide tut sich schwer, gewichtige
Sponsoren zu finden. Die an sich attraktiven Kandidatenwettkämpfe fanden
wieder nur in Elista statt. Woran liegt das und wie kann man das Marketing für
die großen Schachturniere und Wettkämpfe verbessern?
Es gab in der Vergangenheit Riesenprobleme
in diesem Bereich. Das lag in allererster Linie daran, dass die FIDE keinerlei
Vermarktungsstrukturen hatte und dieses wichtige Feld von Amateuren bearbeitet
wurde. Jetzt sind alle Rechte auf Global Chess übergegangen. Das ist eine
echte Chance für das Profischach. Wichtig ist nun, dass man sich bei Global
Chess die nötige Zeit lässt, um in Ruhe den Markt und mögliche Partner zu
sondieren. Natürlich ist der Druck auf Bessel Kok und Co. sehr groß. Ich hoffe
trotzdem, dass nicht irgendwelche Schnellschüsse abgefeuert werden, die dann
zu weiteren Problemen führen.
Wie beurteilen Sie die Grand Slam
Idee von Silvio Danailov und warum ist Dortmund nicht dabei?
In der Form wie dieser sogenannte Grand
Slam propagiert wird, halte ich davon überhaupt nichts. Mal abgesehen davon,
dass dies ein Betätigungsfeld vom Weltverband und seinem Vermarktungsarm sein
sollte, versuchen hier gewisse Leute an Einfluss in der Schachwelt zu
gewinnen. Dortmund ist deshalb nicht dabei, weil es seine Eigenständigkeit
nicht verlieren will. Der Grand Slam ist meines Erachtens nichts anderes als
eine PR-Aktion. Sie haben nichts zu bieten, keinen Overall-Sponsor, keine
Akzeptanz des Weltverbandes, von einem durch FIDE und Spieler anerkannten
Regelwerk ganz zu schweigen. Ein essentieller Kritikpunkt ist auch, dass der
Manager eines Topspielers als Organisators eines Turniers in Sofia sowie des
Grand Slams auftritt und gleichzeitig direkten Einfluss auf Regeln,
Spielbedingungen und kommerzielle Faktoren nehmen möchte. Das ist ein
Interessenkonflikt allererster Güte, auf den ich weiter nicht einzugehen
brauche. Es ist an der Zeit, dass man sich in der Schachwelt, aber auch in
Sofia ein paar Gedanken zu diesem Sachverhalt macht. Im übrigen ist die
Kommunikationsstrategie alles andere als ehrlich. Beispielsweise ist das
holländische Corus-Turnier, anders als immer behauptet, ebenso wenig Mitglied
dieser „Association“ wie Dortmund.
Vielen Dank für das Gespräch!