Interview mit
Michael S. Langer, DSB Vizepräsident Finanzen und Präsident Niedersächsischer
Schachverband
Frage: Vor etwas mehr als zwei Jahren hatten wir mit der
Schach-Weltmeisterschaft und der Schacholympiade in Deutschland eine
Gelegenheit, Schach zu popularisieren, die vielleicht nicht wiederkommt. Die WM
wurde sehr gut in den deutschen Massenmedien aufgenommen, die Schacholympiade
trotzt ausgezeichneter Erfolge der deutschen Mannschaft besonders zu Anfang,
leider weniger. Ein Schachboom, oder dergleichen ist nicht entstanden. Im
Gegenteil: Die Mitgliedszahlen sind rückläufig. Woran liegt das?
Michael S. Langer :
Insbesondere von der Schacholympiade haben wir uns deutlich mehr positive
Sogwirkung versprochen. Leider haben sich unsere Erwartungen nicht erfüllt. In
den letzten Jahren sinken die Mitgliedszahlen kontinuierlich. Ich glaube nicht,
dass man per sé einen direkten Zusammenhang zwischen Großereignissen und die
gesamte Gesellschaft betreffenden Entwicklungen herstellen kann. Trotzdem
müssen wir unser eigenes Vorgehen im Vorfeld und während der Olympiade im
Nachhinein hinterfragen. Es ist uns nicht gelungen, Schach nachhaltig breit in
der Öffentlichkeit zu platzieren.
Schacholympiade Dresden
Wie sieht denn die
Mitgliedsentwicklung im Detail aus? Wie und wo können neue Mitglieder gefunden
werden und wie ist diese Entwicklung im Vergleich zum Internetschach zu sehen?
Hier kann man ja das Gegenteil beobachten- im Internet wird mehr Schach als
jemals zuvor gespielt.
Der
Mitgliederschwund tritt generell in allen Strukturen und Ebenen auf. Will
heißen: Sowohl Groß- als auch Kleinvereine sind betroffen. In den kleinen
Vereinen macht sich das Problem stärker bemerkbar. Hier führen die Verluste oft
unmittelbar zur Abmeldung von Mannschaften und es wird im letzten Schritt oft
unmöglich, die Vereinstrukturen aufrecht zu erhalten. Erschwerend kommt zum
Tragen, dass die Zahl der ehrenamtlich Tätigen ebenfalls kleiner wird und so
schwer abzubremsende Abwärtsspiralen entstehen. Zum zweiten Teil der Frage. Ich
würde gern eine stärkere Verknüpfung der zeitgemäßen Internetmöglichkeiten zum
DSB herstellen. Auch die Einbindung weiterer bisher weitgehend parallel
verlaufender Strukturen, wie etwa Schulschach, freie Schachschulen … in den DSB
halte ich für notwendig und vor allem sinnvoll. Wir müssen Schachinteressierten
die Gelegenheit bieten, sich ihren Zugang zum Schach selbst und variabel zu
gestalten. Hierfür bedarf es einer Aufweichung unserer starren
Zugangsmöglichkeiten.
Im Zuge der Schacholympiade hat sich
der Schachbund finanziell weit aus dem Fenster gelehnt. Zeitweise hieß es
danach, der Schachbund sei pleite. Stimmt das? Und wie sehen die Finanzen heute
aus?
Der Deutsche
Schachbund hat sich im Vorfeld der Schacholympiade inhaltlich und damit
einhergehend auch finanziell engagiert. Über die Dauer von vier Jahren (erstmals
2005) wurden jährlich 95.000,--€ zur Finanzierung der DSB-Aktivitäten auf dem
Weg zur Schacholympiade in den Haushalt eingestellt. Da im Kongress 2004 in
Mainz der jährliche Mitgliedsbeitrag je Einzelmitglied „nur“ um 0,50€ angehoben
wurde, musste der Restbetrag (ca.55.000,-€ jährlich) aus der Liquiditätsrücklage
bestritten werden. Im Jahresabschluss 2008 blieb dem DSB ein Restvermögen von
42.000,-€ erhalten. Dieser Betrag war nicht ausreichend, um ohne Darlehen die
Ausgaben des 1. Quartals (die ersten nennenswerten Einnahmen des DSB sind die im
April fließenden Mitgliedsbeiträge) abdecken zu können. Man kann es so
resümieren: Nein, wir waren nicht pleite! Ja, wir hatten Liquiditätsprobleme!
Zum zweiten Teil
der Frage: In den Jahren 2009 und 2010 ist es uns gelungen, das Vermögen auf
knapp 203.000,-- € aufzustocken. Wir sind erstmals seit Jahrzehnten in der Lage,
ohne jedwedes Fremdkapital unsere Ausgaben im ersten Quartal zu begleichen.
Dieser Umstand war durch eine ausgewogen sparsame Haushaltspolitik möglich. Für
Jubelsprünge ist es aber noch zu früh. Es ist notwendig, den eingeschlagenen
Kurs einhergehend mit sinnvoller Investitionsstrategie in die Kernbereiche des
deutschen Schachs fortzusetzen.
Schacholympiade Khanty Mansysk
Das Jahr 2010 muss vielleicht als besonders
schwieriges Jahr in der Geschichte des Schachbundes verzeichnet werden. Bei der
Schacholympiade in Khanty-Mansiysk trat Deutschland ohne seine A-Mannschaft an
und belegte mit Platz 64 den schlechtesten Rang seiner Geschichte. Wieso konnte
mit den Spielern des A-Kaders keine einvernehmliche Regelung gefunden werden?
Wenn man die
letzten Aussagen zur aktuellen Finanzsituation liest, kann man wahrscheinlich
schwer nachvollziehen, dass es in erster Linie um das Thema Geld ging. Zum einen
wünschten sich die Spieler eine stärkere Förderung, idealer Weise den Einsatz
von zusätzlichen Trainern aus den Haushaltsmitteln heraus. Wesentlicher war
zumindest zu Beginn der Diskussion aber die Honorierung der Spieler für ihren
Einsatz in Khanty-Mansijsk. Die Honorare werden nicht direkt vom DSB, sondern
von der für diesen Zweck gegründeten Wirtschaftsdienst GmbH gezahlt. Trotz
Bemühungen von mehreren Seiten waren die Honorarforderungen der Spieler im
Vorfeld der Schacholympiade nicht erfüllbar. Der dritte und letztendlich wohl
den Ausschlag gebende Aspekt war die unzureichende Kommunikation zwischen dem
Gremien des DSB und den Spielern. Diesen Sachverhalt hatte nicht nur ich schon
direkt nach der Olympiade angesprochen bzw. eingestanden.
Nach der Schacholympiade wurde das
Gespräch mit den Spielern wieder aufgenommen. Allerdings gibt es ganz
unterschiedliche Aussagen bezüglich der Ergebnisse. Zunächst traf sich das
Präsidium mit den Kaderspielern und ließ danach ein Statement veröffentlichen,
das Kooperation signalisierte. Dann war auf der Schachbundseite eine Meldung des
Hauptausschusses zu lesen, in dem die Nationalspieler gerügt wurden und ein
schärferer Kurs in der Auseinandersetzung empfohlen wurde. Zur Erklärung sei
gesagt, dass im Hauptausschuss die Landesverbände stark vertreten sind.
Kürzlich vermeldete Vizepräsident Weyer im Video-Interview wieder Einvernehmen
zwischen Spielern und Verband, währedn Arkadij Naiditsch kurz danach in einer
Bundesliga-Nachbesprechung sich wieder auf Konfrontationskurs befindet. Was ist
denn nun wirklich los?
Jan Gustafsson und Arkadij Naiditsch
in Dresden
Das erste Treffen
mit den Spielern war der Auftakt zu einer, so hoffe ich immer noch,
kontinuierlichen Zusammenarbeit. Es wurden Vorschläge und Anregungen
ausgetauscht, die sowohl inhaltlich als auch finanziell Perspektiven für ein
erfolgreiches Miteinander realisieren sollen und können.
Im nächsten
Schritt haben wir, wie in der Presse und auch im Gespräch mit den Spielern
angekündigt im Hauptausschuss unseren Mitgliedsverbänden Rede und Antwort
gestanden. Der vom Präsidium eingeschlagene Kurs wurde dort in Teilen
kritisch-kontrovers diskutiert. Insbesondere die aus Sicht unserer Mitglieder zu
wenig schützende Reaktion auf die Art und Weise der vorgetragenen Kritik an
Mitarbeitern und ehrenamtlichen Vertretern wurde als nicht ausreichend bewertet.
Im Verlauf der Sitzung entstand der fast einstimmig vorgetragene Wunsch, dass
Arkadi Naiditsch sich öffentlich bei Klaus Deventer und Uwe Bönsch
entschuldigen solle. Dieser Wunsch kam er im Rahmen der Sitzung der Kommission
Leistungssport am 04.12.2010 in Göttingen nach. Kurz danach erneuerte er dann
in einem Audiointerview auf
www.schachbundesliga.de seine massiven Vorwürfe gegen Uwe Bönsch. Zu diesem
Zeitpunkt war es für das Präsidium nicht mehr vertretbar und gewollt, weitere
Gespräche über seinen Wunsch, sich allein und ausschließlich um die Vermarktung
der Nationalmannschaft kümmern zu wollen, zu führen. Ein weiterer Grund, die
Gespräche zu diesem Teilthema abzubrechen, war die nicht vorhandene Bereitschaft
des Großteils der Mannschaft, sich von einem Mitspieler vermarkten zu lassen. Es
war mein Job als Vermittler, unsere Entscheidung gegenüber Arkadi Naiditsch zu
kommunizieren. Vielleicht lässt sich sein erneuter Rundumschlag im Rahmen der
Bundesliganachbetrachtung so erklären!? Amüsiert bin ich über das von Arkadi
Naiditsch gewählte Vorgehen nicht. Ich sehe im Moment wenig, eigentlich keine
Möglichkeiten, ihm innerhalb des DSB Gesprächspartner anzubieten, die er nicht
schon öffentlich in Bausch und Bogen massiv kritisiert hat.
Das am 28.02. mit
allen Nationalspielern geführte Gespräch mit den Nationalspielern verlief
insbesondere wegen dieses letzten Aspektes einhergehend mit einer aus meiner
Sicht unzureichenden internen Aufbereitung nicht ohne „Knirschen“.
Nichts desto Trotz
betrachte ich eine Fortsetzung der Gespräche und die gemeinsame Suche nach
Kompromisslinien, die von möglichst allen getragen werden, als den einzig
gangbaren Weg für das deutsche Schach!
Michael S. Langer
Es ist offensichtlich, dass das
deutsche Schach im internationalen Spitzenschach sowohl in den Einzel- wie in
den Mannschaftswettbewerben mehr und mehr abgehängt wird. Seit bald 30 Jahren
gibt es keinen deutschen Topspieler mehr. Ohne die Spieler, die anderswo Schach
gelernt haben und später nach Deutschland eingewandert sind, sähe es noch
schlimmer aus. Die Talente, die es gibt, hören früher oder später mit dem
Profischach auf. Wieso ist es möglich, in Frankreich, den Niederlanden oder
Polen - alles Länder mit durchaus vergleichbarer gesellschaftlicher Struktur –
Topspieler aufzubauen, bei uns aber seit 30 Jahren nicht mehr?
Ich bin der
Ansicht, dass es notwendig und überfällig ist, in einem Konsens mit unseren
Mitgliedsverbänden ein klares Bekenntnis ergänzt um die eigenen Erwartungen zum
Spitzensport zu formulieren. Die weiteren Schritte müssten im Falle eines
positiven Votums eine sukzessive angepasste wirtschaftliche Ausstattung (der in
der Frage aufgeführte niederländische Verband nimmt auf Bundesebene einen 4mal
so hohen Mitgliedsbeitrag wie der Deutsche Schachbund!) und eine auf dieser
Ausstattung weiter zu entwickelnde Organisationsstruktur sein. Parallel bedarf
es der Bereitschaft der Spieler, ihre schachliche Entwicklung auch
eigeninitiativ mit hundertprozentiger Konzentration voranzutreiben.
Gut fände ich
es, ein repräsentatives Umfrageergebnis (zumindest so repräsentativ wie möglich)
via „Volksabstimmung“ zur Frage „Wollen wir in Deutschland Spitzenschach und
wollen wir dafür (vielleicht auch mehr) Geld ausgeben?“ zu ermitteln.
Zur Ausbildung von Spitzenspielern, die
international mithalten können, werden neben guten Trainern vor allem
Spielmöglichkeiten, also Turniere benötigt. Außer dem Dortmund-Turnier, das ein
Eigenleben mit wenigen Einsatzmöglichkeiten für deutsche Spieler führt, gibt es
in Deutschland aber kein klassisches Topturnier. Wäre es nicht auch die Aufgabe
des Schachbundes, sich über den ja sehr gut funktionierenden Ligabetrieb hinaus
auch um eine lebendige Turnierlandschaft für Topspieler zu kümmern? Warum wird
z.B. die Deutsche Einzelmeisterschaft als Amateuropen gespielt?
Ich persönlich
wünsche mir, dass die stärksten deutschen Spieler und Spielerinnen an der DEM
teilnehmen. Dazu bedarf es einer Kompromisslösung zwischen den Verbänden, die
durchaus zu Recht die Interessen ihrer Landesmeister vertreten und denjenigen,
die sowohl sportlich interessante als auch finanziell lukrative Titelkämpfe
suchen. Dass hierfür ebenso wie für andere adäquate Topveranstaltungen eine
finanzielle Grundlage benötigt wird, ist selbstredend. Zum jetzigen Zeitpunkt
verfügt der Deutsche Schachbund nicht über die eigenen finanziellen Mittel,
attraktive und lukrative Rundenturniere etc. selbst zu initiieren. Und leider
stehen auch externe Interessenten hierfür (und ihre Sponsoren) im Moment nicht
Schlange.
Noch schlimmer sieht es eigentlich im
Frauenschach aus. Relativ gesehen ist Elisabeth Pähtz die beste deutsche
Spielerin überhaupt mit zwei Jugend-WM-Titeln und einem Weltranglistenplatz
zwischen Rang 20 und Rang 30. Trotzdem musste sie als einzige deutsche
Teilnehmerin bei der letzten Frauen-WM ohne jede Unterstützung, d.h. ohne
Trainer oder Begleitung, auskommen. Die Meisterschaft der Frauen dümpelt seit
mindestens zehn Jahren nur auf dem Niveau eines besseren Clubturniers dahin.
Wenn man sich die deutsche Frauenrangliste ansieht, so haben die meisten Frauen
in den Top 100 seit Langem überhaupt keine Turnierpartien verzeichnet. Hat der
DSB kein Interesse am Frauenschach?
Der Deutsche Schachbund fördert das
Frauenschach sowohl im Rahmen seiner Ausrichtung von Meisterschaften als auch
anteilig im Sektor Spitzensport. Die Aussagen, die ich zum Punkt Talente in
Deutschland und deren Förderung getroffen habe, sind m.E. grundsätzlich, unter
Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Besonderheiten auch auf die Förderung des
Frauenschachs zu übertragen.
Michael S. Langer, Melanie Ohme
In Bezug auf den Nachwuchs gibt es
schlechte Nachrichten: Der politische geförderte Trend zur Ganztagsschule nimmt
dem Schach wie anderen Sportarten auch, den Nachwuchs weg. Die Kinder kommen
kaum noch aus der Schule heraus und die immer kleinere Restfreizeit geht für
Hausaugaben und etwas Chatten bei Facebook drauf. Und welche Bedeutung hat das
Schulschach in Zeiten von Ganztagsschulen und sterbenden AGs: gibt es da
überhaupt eine Chance auf neue Talente und Nachwuchs? Mit welchen Konzepten will
der Schachbund dagegen halten?
Ein Konzept, die
meist übertragbaren Probleme im Bereich der Mitgliedergewinnung und des
langfristig angelegten „Haltens“ unserer Mitglieder direkt mit unseren Vereinen
zu besprechen, sind die in Kooperation mit der DSJ durchgeführten
Vereinskonferenzen. Im November fand die erste norddeutsche Konferenz in Hamburg
statt. Es ist uns dort gelungen, die vorhandenen (Förderungs-) Möglichkeiten und
erfolgreiche Modelle moderner Vereinsarbeit einer breiten Basis vorzustellen und
in einem intensiven Austausch gemeinsam weiter zu entwickeln. Die nächste
Konferenz findet bereits am 07.05. in Barsinghausen statt.
Die Wichtigkeit
von Schulen und deren Einbindung in unsere Strukturen habe ich in der Antwort zu
Frage 2 schon umrissen. Ein Beispiel für eine mehr als gelungene Einbindung sind
die Schachzwerge Magdeburg. In diesem 2009 gegründeten Verein, der sich vom
Zweck her auf die Ausbildung von Kindern spezialisiert hat, gehen weit über 200
Kinder organisiert und dem Deutschen Schachbund gemeldet dem Schachspiel nach!
In Magdeburg wird gezeigt, dass es trotz der von Ihnen beschriebenen Probleme
möglich ist, Kinder an den Schachsport heranzuführen. Ich hoffe, dass sich
dieses Modell und die dahinter steckende Idee flächendeckend kopieren lassen!
Generell bin ich
der Ansicht, dass erfolgreiche Modelle kommuniziert und wenn möglich
multipliziert werden sollten.
In Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit kann der
Schachbund kaum Ergebnisse vorweisen. Allerdings scheint es hier – außerhalb des
Jugendbereichs - auch kaum Tätigkeit zu geben. Aktivitäten lassen sich nur auf
der Webseite des Schachbundes feststellen. Diese wirkt insgesamt aber
konzeptionslos. So ist der Schachbund auch seit Jahren ohne Hauptsponsor (Zum
Vergleich: Der französische Verband erhält jährlich 200.000 Euro von einer
Bank). Gerüchteweise hört man aber, es gäbe Verhandlungen mit einem möglichen
neuen Hauptsponsor. Können Sie dazu etwas sagen?
Der Deutsche Schachbund kann für die
nächsten drei Jahre einen neuen Hauptsponsor vorweisen! Leider sind die Summen
nicht mit Frankreich vergleichbar. Nichts desto Trotz werden zukünftige
Aktivitäten vom Sponsor nachhaltig unterstützt. Der Name des Sponsors und
weitere Details werden zeitnah auf
www.schachbund.de bekannt gegeben. Bis dahin halte ich mich an unsere mit
dem Sponsor getroffene Vereinbarung, die namentliche Nennung in der
Öffentlichkeit zu vermeiden. Darüber hinaus verhandeln wir mit zwei weiteren
potenziellen Sponsoren, die sich in ihrer Förderung auf unsere
A-Nationalmannschaft konzentrieren wollen.
Im Bereich Webauftritt wären aber ja
viele Verbesserungen denkbar, z.B. bessere Vereinheitlichung und Verzahnung mit
den Landesverbänden, Webspace für Vereine etc. Warum passiert hier nichts,
obwohl auch innerhalb des Schachbundes das Problem bekannt ist und seit Jahren
Kritik auch am Webauftritt geübt wird?
Ich teile die Kritik an unserem öffentlichen
Auftritt! Ich empfinde ihn als eines unserer größten Probleme. Wir sind nicht in
der Lage, Inhalte und Themen des deutschen Schachbundes so aufzubereiten, dass
sowohl einer breiten Öffentlichkeit als auch unseren Landesverbänden dargelegt
werden kann, dass im DSB manchmal sogar erfolgreich ;-) gearbeitet wird. Gern
nähme ich in meiner Rolle als Finanzchef hier Geld in die Hand, um dieses
gravierende Defizit endlich nachhaltig anzugehen. Hier ist m.E. ebenso wie in
der Spitzensportförderung schnellstmöglich eine konsensuale Entscheidung
ebenenübergreifend herbeizuführen.
Mit der Wahl von Professor Robert von
Weizsäcker zum Präsidenten des Schachbundes verband sich viel Hoffnung auf eine
Verbesserung der Situation. Nach vier Jahren wird von Weizsäcker nicht noch
einmal kandidieren. Mit viel Elan und guten Plänen angetreten, scheint es, als
ob der scheidende Präsident in seinen Erneuerungsvorhaben von den Strukturen im
Verband ausgebremst wurde. Entscheidungen werden im Schachbund nur mit großer
Schwerfälligkeit getroffen. Ist der Verband mit seiner Vielzahl von
Entscheidungsträgern so überhaupt noch den Anforderungen der modernen Zeit
gewachsen?
Hier möchte ich relativieren. Es ist m. E.
zu einfach, die nicht umgesetzten Vorhaben ausschließlich mit unseren Strukturen
zu begründen. Ja! Wir haben föderale Strukturen mit allen Vor- und Nachteilen.
Nein! Wir sind deshalb nicht automatisch handlungsunfähig. Ich behaupte, dass
mit einer professionellen Kommunikationspolitik sowohl nach innen als auch nach
außen wir (das Präsidium) unseren Teil zu einer ergebnisorientierten Politik des
DSB leisten können und müssen. Im Rahmen dieser Politik sollte und kann es dann
auch möglich sein bzw. wieder werden, konstruktiv ebenenübergreifend zusammen zu
arbeiten.
Von Weizsäckers gescheiterte
Kandidatur als ECU-Präsident hat auch den DSB international beschädigt. Vor der
Kandidatur wurde offenbar kein erfolgversprechender Wahlkampf geführt und es
schien, als hätte man den mit den ruppigen Gepflogenheiten in FIDE und ECU nicht
vertrauten von Weizsäcker vorher nicht gut beraten. Im Schachbund gibt es aber
doch einige Erfahrung auf dem international rüden Schachparkett. Wieso fiel das
Ergebnis trotzdem am Ende so schlecht aus? Und wie will sich der Schachbund,
immerhin einer der größten Verbände der Welt, in ECU und FIDE wieder messbares
Gewicht erlangen?
Ich kann den ersten Teil der Frage zum nicht
Erfolg versprechenden Wahlkampf nicht beantworten. Zur Frage der Beratung: Ich
vermute, dass er und sein Ticket einen mit so viel Härte geführten Wahlkampf auf
ECU-Ebene tatsächlich nicht erwartet hatten.
Für die Zukunft befürworte ich international
eine Politik kleiner Schritte. Insbesondere der Ausbau und die Pflege
bilateraler Beziehungen sind m. E. der angezeigte Weg, unser Standing wieder
auf ein unserem eigenen Anspruch entsprechendes Niveau anheben zu können.
In diesem Jahr werden ein neuer
Präsident und ein neues Präsidium gewählt. Bisher gibt es mit Hans-Jürgen Weyer
einen Kandidaten für das Präsidentenamt. Außerhalb der DSB-Strukturen ist
darüber aber so gut wie nichts über die Wahlen bekannt. Die DSB-Webseite
schweigt, z.B. Vielleicht können Sie hier etwas Aufklärung leisten: Wann und in
welchem Rahmen finden die Wahlen statt? Wer wählt? Werden noch weitere
Kandidaten erwartet? Welche Ämter werden noch per Wahl vergeben?
Seit einigen Tagen gibt es mit Herbert
Bastian, dem Sprecher der Landesverbände, einen weiteren Kandidaten um das Amt
des Präsidenten.
Es wird beim DSB- Kongress in Bonn am 04.
Juni das gesamte Präsidium zuzüglich der Referenten gewählt. Aktiv
wahlberechtigt sind die Delegierten unserer Mitgliedsorganisationen. Die Anzahl
der Stimmen der einzelnen Verbände errechnet sich auf der Basis ihrer jeweiligen
Mitgliedszahlen.
Vielen Dank für die Beantwortung der
Fragen!
Das Interview führte André Schulz.