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Nachdruck aus Perlen vom Bodensee mit freundlicher Genehmigung
Seit mittlerweile Jahrzehnten steht Elisabeth Pähtz in der Rangliste der deutschen Schachfrauen einsam über den Dingen. International kratzt sie an der Weltklasse, national dürfte sie neben Vincent Keymer das mit weitem Abstand bekannteste Gesicht des deutschen Schachs sein. Ihre Medienpräsenz nutzt Pähtz auch, um für ihre Sache zu streiten – das Frauenschach.
Zu wenige Frauen spielen Schach, und die, die es doch tun, werden nach Ansicht von Pähtz nicht so gefördert, wie es nötig wäre, ja, oft nicht einmal wie legitime Mitspieler behandelt. Allein das Einstehen für ihre Sache macht sie in der Szene umstritten – ungeachtet ihrer Ausnahmestellung in einem Sport, dessen Aktive und Funktionäre im Umgang mit Frauen geschmeidiger sein könnten. Und jetzt ist sie auch noch zurückgetreten: Elisabeth Pähtz will nicht mehr für Deutschland spielen, verkündete sie vor einigen Wochen.
Ob das endgültig ist?
Elisabeth Pähtz hat eine lange Liste angefertigt. Darauf aufgeführt: all die Vorfälle aus der Vergangenheit, die ihr bis heute bitter aufstoßen, vier A4-Seiten, auf der sich kleine Demütigungen und Zurückweisungen aneinanderreihen.
Das Problem ist nur, wer will das heute noch alles wissen? Das zweite Problem: Wo Pähtz sich gedemütigt fühlt, würde ihr Gegenpart in diesen Episoden, meistens war das der ehemalige DSB-Sportchef Klaus Deventer, kühl darauf verweisen, dass doch immer alles strikt nach Recht und Gesetz zugegangen ist.
Derweil im Schachforum: Blöde Emanzipation! Ohne derart neumodischen Kram hätte die seit Ewigkeiten beste Schachspielerin wahrscheinlich kein so gewichtiges Wort. Ob dort jemals debattiert worden ist, was Liviu Dieter Nisipeanu als Mann interessant macht?
Die Wahrnehmung der Spitzensportlerin und die Wahrnehmung ihres Sportapparats dürften in vielen dieser Fälle stark voneinander abweichen. Und die Wahrnehmung vieler Schachspieler ist noch einmal eine spezielle. Die sehen Pähtz weniger als Vorzeigedame ihres Sports, eher als „Nervensäge“, wie Pähtz selbst sagt (siehe unten).
Wie schwer der Schachbund, obwohl personell runderneuert, sich immer noch damit tut, im 21. Jahrhundert anzukommen, war neulich beim Kongress in Magdeburg zu sehen. Alte Zöpfe, die abgeschnitten gehören, saßen dort in der ersten Reihe und mischten munter mit.
Elisabeth Pähtz streitet für ihre Sache, auch öffentlich, und das mit steigender Intensität, je weniger sie das Gefühl hat, dass sie gehört wird. Je intensiver sie streitet, desto weniger wissen das Schachvolk und seine Regenten damit umzugehen, und die Entfremdung wächst. Ob sich das reparieren lässt?
In diesem Fall ist der Interviewer als Schach-Fan emotional involviert, getrieben von dem Wunsch, dass die deutschen Nationalmannschaften nicht binnen fünf Jahren zwei Mal ihr erstes Brett verlieren sollten. Und das führte zu einem Interview, das nur unter einer im Vorgespräch gestellten Bedingung stattfinden würde: „Wenn ich dich frage, ob und wie es weitergeht, dann will ich etwas Konstruktives hören.“
Sich darauf einzulassen, ist ihr spürbar nicht leicht gefallen, wahrscheinlich in erster Linie wegen der noch zu klärenden Vorkommnisse 2019, die erst im Lauf des Interviews aufkamen. Aber sie hat am Ende die versprochene Kurve ins Versöhnliche bekommen und eine Perspektive aufgezeigt.
Eine Vorlage, wenn man so will. Ob die jemand aufnimmt, werden wir bald sehen.
Es war dringend Zeit für ein Schachgespräch mit einem der ganz wenigen Zugpferde, die unser Sport hat. Zwischen griechischer Mannschaftsmeisterschaft und Dortmunder Superturnier haben wir Elisabeth Pähtz per Skype abgefangen. Wir haben über die Nationalmannschaft der Frauen gesprochen, über Kämpfe der Gegenwart und Vergangenheit, über den DSB und ihren Rücktritt und natürlich darüber, wie es nun weitergeht.
Foto: https://www.elisabeth-paehtz.de/ (Alexander Volkmann)
Du bist auf dem Weg nach Dortmund, um dort zu kommentieren. Vor ein paar Wochen beim Kandidatenturnier der Frauen hast du das auch gemacht. Ist „Kommentatorin“ ein Standbein für dich?
Kein bewusst gewähltes, es ergab sich einfach. In Dortmund war ich schon im vergangenen Jahr, und beim Kandidatenturnier bot es sich an, mich zu fragen, weil ich die Spielerinnen in- und auswendig kenne. Ich kann oft vorhersagen, in welche Richtung eine Spielerin die Partie lenken wird oder auch, welchen der möglichen Züge eine Spielerin gewiss nicht ausführt.
Weil Du ihr Repertoire kennst und weißt, in welchen Strukturen sie sich wohl fühlen?
Mehr noch, das hat auch mit Psychologie zu tun. Jemand wie Valentina Gunina zum Beispiel hat keine Angst, auspräpariert zu werden. Sie wird in der Eröffnung immer den prinzipiellen Zug machen, um Vorteil zu bekommen, auch wenn sie damit riskiert, in konkrete Computervorbereitung zu laufen. Anna Muzychuk würde das nicht riskieren. Wenn sie vor einer solchen Wahl steht, sucht sie eher nach pragmatischen Alternativen, die ihr eine spielbare Stellung sichern, auch wenn die ausgeglichen sein mag. Oft habe ich genau sagen können, wer gerade überrascht worden ist oder wer seine Vorbereitung aufs Brett bekommen hat. Mein Mitkommentator Evgenij Miroshnichenko ist zwar der bessere Spieler, aber solche Einsichten hätte er den Zuschauern nicht geben können.
Wahrscheinlich hättest Du selbst gerne mitgespielt…
Wer weiß, vielleicht beim nächsten Mal? Ich gehe davon aus, dass ich beim Grand Prix der Frauen dabei bin. Offiziell werde ich als erste Ersatzspielerin geführt, nehme aber an, dass die top gesetzte Hou Yifan absagt. Sie wäre nach Elo ohnehin fürs Kandidatenturnier qualifiziert.
Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft hat sich jetzt, neu formiert und stark verjüngt, mit Aserbaidschan gemessen und deutlich verloren. Wie bewertest Du Aufstellung und das sportliche Abschneiden?
Die Mannschaft war Aserbaidschan nicht gewachsen. Aber ich will deswegen nicht mit dem Finger auf diese oder jene Spielerin zeigen. Allen bis auf Sarah, die plus eins geholt hat, fehlte es an Erfahrung. Die Aseris hatten davon reichlich, unser Team muss sie erst noch sammeln, insofern war das ein wichtiges Match für die sportliche Entwicklung. Generell müsste man zum Thema Nationalmannschaft weiter ausholen und über Ausbildung, Kontinuität, Konzepte sprechen.
Also liegt die sportliche Dürrephase gar nicht an den Spielerinnen?
Ja und nein. Die Frauennationalmannschaft hat seit 2016 keine Erfolge aufzuweisen. Das hat mit vielen Faktoren zu tun. Die Aufstellung hat ständig gewechselt, der Kapitän auch. Es fehlte an Kontinuität und Stabilität. Bei der Männermannschaft war es anders. Die haben ein Stammteam, einen festen Trainer, der dahintersteht, und sportlich haben sie Erfolg, speziell seit 2017. Wir dagegen hatten zuletzt immer wieder Konflikte, keine Stammbesetzung – und keine Chance, als Team zusammenzuwachsen. Aber Teamgeist ist ein wichtiger Baustein für sportlichen Erfolg.
Beim Fußball heißt es gelegentlich, eine Mannschaft sei „untrainierbar“. Ist die deutsche Nationalmannschaft der Frauen auch so ein Fall?
So weit würde ich nicht gehen. Frauen sind sensibler, die Charaktere in der Mannschaft unterscheiden sich stark. In der jüngeren Vergangenheit wäre für einen Kapitän die Kombination von Nerven aus Stahl und einem gehörigen Maß an Empathie hilfreich gewesen.
Und der neue Kapitän Alexander Naumann hat beides?
Er wird allemal eine Linie finden und durchziehen. Ich kenne ihn von früher als charakterstark, das könnte passen. Aber ein neuer Kapitän bedeutet ja noch kein neues Konzept, das Talente vom Kinderschach bis in die Nationalmannschaft zieht. So wie ich mir schon in der U10 oder U12 substanziellere Arbeit wünsche, so fände ich am anderen Ende des Leistungsspektrums etwas wie die „Prinzengruppe“ für Mädchen wunderbar. Diese Gruppe war das Beste, was es in der Talentförderung in Deutschland jemals gab. So etwas mit Fiona Sieber, Annmarie Mütsch, Lara Schulze, Jana Schneider, daraus könnte etwas entstehen. Und hinter diesen Vieren wachsen ja schon andere Talente nach.
Wie immer es weitergeht, Du wirst, Stand jetzt, nicht dabei sein. Ende 2018 wolltest du eine Pause von der Nationalmannschaft einlegen, jetzt bist Du komplett zurückgetreten. Wie kam es dazu?
Das war das Ergebnis einer langen Entwicklung. Batumi war sicher eine Art Auslöser. Da haben alle Beteiligten Fehler gemacht, ich auch, das begann schon vor dem Turnier. Ich hatte noch die Querelen um die Aufstellung bei der Europameisterschaft 2017 im Hinterkopf. Als vor der Schacholympiade 2018 der Kapitän mitteilte, dass eine Spielerin ihr Brett bereits „gebucht“ habe, bekam ich eine Ahnung, dass sich die Geschichte wiederholt. Aber als ich darauf pochte, dass wir uns beim Trainingslehrgang vorab zusammensetzen und gemeinschaftlich für die beste Aufstellung entscheiden, haben mir Kapitän und Bundestrainer geraten, die Sache hinzunehmen. In Batumi habe ich für mich versucht, das zu lösen, indem ich das Gespräch mit dieser Spielerin suchte, um meine negativen Emotionen abzulegen. Das hat auch funktioniert, glaube ich. Aber im Verlauf des Turniers kam es zu weiteren Konflikten, die nicht nur mich, sondern alle aus der Bahn geworfen haben.
Und dann wolltest du nicht mehr?
Zumindest wollte ich eine Pause. Nach Batumi war ich, wie viele von uns, emotional am Ende. Wenn es im Team nicht stimmt, spiele ich schlechter. Dieses Problem habe ich bis heute nicht in den Griff bekommen. Den Schachbund habe ich nach Batumi gebeten, mich aus dem Kader zu nehmen, damit eine Spielerin nachrücken kann. Auf meinen Jahreszuschuss 2019 habe ich verzichtet, ich würde ja nicht für Deutschland spielen, eine prinzipielle Sache. Deshalb habe ich bei der Einzel-Europameisterschaft im April auch Trainer und Unterkunft selbst bezahlt.
Im Kader bist du aber geblieben? 2019 warst Du wieder die traditionell einzige A-Kader-, also Weltklasse-Spielerin beim DSB.
Ja, der Bundestrainer rief an und überzeugte mich, im Kader zu bleiben mit dem Argument, dass der DSB Sporthilfegeld vom Innenministerium für mich beantragen wolle. Aufgrund meiner Weltranglistenposition und der vielen Einzelmedaillen sei die Chance gut, eine Förderung zu bekommen. Einen entsprechenden Antrag soll der DSB für mich und Vincent Keymer gestellt haben. Allerdings müsste nach meinem Kenntnisstand dem Antrag ein Wettkampf- und Karriereplan beigefügt werden. Beides wollte nie jemand von mir sehen.
War der Antrag eine Finte, um nicht die seit Jahrzehnten einzige Weltklassespielerin aus dem Kader streichen zu müssen?
Diese Vermutung liegt nahe. Ich habe den vermeintlichen Antrag ans Innenministerium jedenfalls nie gesehen und auf Fragen zum Stand der Dinge monatelang keine Antwort bekommen. Stattdessen tauchte plötzlich wieder die Frage auf, ob nach Lesart des DSB und des Innenministeriums Schnell- und Blitzschach Sport sind.
Ähem, was? Schach ist Sport – oder etwa nicht?
Schach oder klassisches Schach schon, aber bei Blitz und Rapid scheint das nicht so klar zu sein. Als ich bei der EM 2012 Zweite im Blitz und Dritte im Rapid geworden war, hat mir jedenfalls der damalige Leistungssportreferent Klaus Deventer erklärt, Blitz und Rapid seien für den DSB keine Sportdisziplin, deshalb dürfe ich meinen Jahreszuschuss nicht für Hotel und Verpflegung verwenden.
Dann weiß es ja doch jemand genau…
…aber ob er Recht hat? Verschiedene Funktionäre erzählen verschiedene Dinge. Einer zum Beispiel hat mir gesagt, dass Blitz- und Schnellschach als Sport in der DSB-Satzung stehen, das Ministerium sie aber ablehnt. Ein anderer sagt, dass beim DSB nur vom Schach im Allgemeinen gesprochen und nicht auf einzelne Disziplinen eingegangen wird. Jedenfalls wurde diese Sache wieder thematisiert, als ich versucht habe, den Sachstand hinsichtlich meiner Förderung in Erfahrung zu bringen. Schließlich war ich nur deswegen im Kader geblieben. Nachdem ich bis Mai vom Geschäftsführer keine Antwort auf meine Mails bekommen hatte, habe ich beim Referenten Leistungssport nachgefragt. Der sagte mir, mein Antrag sei abgelehnt worden, weil meine Medaillen im Blitz und Schnellschach erzielt worden waren, was laut Innenministerium nicht zählt. Diese Ablehnung habe ich aber nie gesehen.
Das klingt arg undurchsichtig. Warum sollte der Schachbund freiwillig eine Schachdisziplin schlechter stellen als eine andere, indem er sie zur Nicht-Sportart erklärt? Fast noch erstaunlicher fände ich, wenn irgendwo tatsächlich ein Ministerialbeamter darüber nachdenkt, ob bestimmte Disziplinen einer Randsportart womöglich kein Sport sind.
Mir hat bis heute niemand vom DSB erklären können, warum meine Medaillen nicht zählen. Vom Innenministerium habe ich bis heute nie eine Förderung bekommen, obwohl ich für Deutschland bei Europa- und Weltmeisterschaften 14 Einzelmedaillen erspielt habe. Dazu kenne ich weder den Standpunkt des DSB noch den des Innenministeriums, falls es einen gibt. Egal, wen ich frage, ich höre immer unterschiedliche Dinge. – Jedenfalls gewann ich, während laut DSB mein Förderantrag beim BMI lag, im April Bronze bei der Einzel-Europameisterschaft. Der DSB kündigte dazu einen ausführlichen Bericht auf der Homepage an, der jedoch nie erschien. Im Mai hatte ich dann genug.
Deine Rücktrittserklärung kam kurz vor der Präsidiumswahl beim DSB. Absicht?
Ja. Zwei weitere Jahre Leistungssport unter dem Vizepräsidenten und Hauptverantwortlichen für Leistungssport Klaus Deventer kamen für mich nicht in Frage. Ich wollte ein Zeichen setzen.
Indem Du die Pause in einen Rücktritt verwandelst.
Ich wollte nicht mehr. Über all die Jahre könnte man ja Fall für Fall als Kleinigkeit bewerten, aber wenn sich eine Kleinigkeit an die andere reiht, kommt irgendwann der Punkt, an dem es reicht.
Du hast mir eine lange Liste mit all diesen Kleinigkeiten gezeigt. Die meisten davon lassen sich an einer Person festmachen…
Fast alle sogar! Nur weiß und versteht ja kaum jemand, was vor 2014 alles passiert ist, weil neue Leute am Ruder sind. Die können nichts dafür und nehmen mich jetzt wahrscheinlich als Nervensäge wahr, weil sie meine Geschichte mit dem DSB nicht kennen. Klaus Deventer war bereits bei Beginn meiner Schachlaufbahn beim DSB bzw. DSJ. Ihn mache ich für vieles von dem verantwortlich, was mich bitter gestimmt hat.
Ein Beispiel, bitte.
Ach, es sind so viele mit so vielen Details. Eine besonders krasse Erinnerung war die Schacholympiade 2008. Damals wollte der DSB unseren Zweittrainer in einer 20 Kilometer entfernten Villa unterbringen, angeblich aus Kostengründen. Sarah und ich boten an, in ein Doppelzimmer zu ziehen, damit der Trainer ins Hotel kann, aber das allein reichte nicht. Dirk Jordan hat den Restbetrag bezahlt. Und dann bekamen die Herren wenig später noch einen dritten Trainer. Für dessen Einzelzimmer und Honorar war plötzlich Geld da. Das habe ich als demütigend empfunden. Oder nehmen wir den Grand Prix, über den wir ja eben schon gesprochen haben. Bei den Herren hat sich der DSB um eine Wildcard bemüht, obwohl es keinen deutschen Schachspieler gibt, der stabil über 2700 Elo liegt. Eine Frau, die die Teilnahmekriterien der FIDE erfüllt, gäbe es durchaus, aber niemand ist auf die Idee gekommen, nach einer Wildcard für den Frauen-Grand-Prix zu fragen, wie mir Klaus Deventer mitgeteilt hat.
Ich hatte eher die Geschichte mit den zerrissenen Flyern erwartet.
Ja! Da organisierst du ein Schachfestival für Frauen, und dann zerreißt ein Mitglied der DSB-Frauenkommission deine Werbeflyer, weil er Konkurrenz zu seinem eigenen Turnier fürchtet. Der Vorsitzende der Kommission sitzt tatenlos daneben und sagt achselzuckend „So ist der halt“, wie soll ich mich da fühlen? Und diese Leute sitzen immer noch in der Frauenkommission. Den DSB interessiert das anscheinend wenig.
Mir ist unlängst die Kleinigkeit „Honorierung der Nationalmannschaften“ aufgefallen. Bekäme jemand den Auftrag, ein Honorarsystem zu entwickeln, das Frauen davon abhält, sich zur Ausnahmespielerin zu entwickeln, er könnte einfach das jetzige übernehmen.
Eine Honorierung nach Elo, nicht nach Geschlecht, wäre angemessen. Ich könnte ja damit leben, weniger zu bekommen als Brett vier der Männer, mein Elo ist schließlich kleiner. Aber zu sagen, eine Frau bekommt generell halb so viel wie ein gleichstarker Mann, das geht nicht.
In Schachforen kursiert zu Deiner Person das Narrativ von der gierigen Diva, die mehr gefördert worden ist als jeder andere deutsche Schachspieler. Dazu die Frage: „Was will die eigentlich noch?“
Ich verstehe ja, woher das kommt. Immer wieder mache ich Stress wegen Kleinigkeiten, die niemand im Detail wissen will. Das nervt, logisch. Darum wird ja auch gerne übersehen, dass es mir eher um die Förderung vom Frauenkader allgemein geht. Ich bin ein ganz anderer Fall als seinerzeit Arkadij Naiditsch, der vor allem auf Finanzielles geschaut hat. Aber gut, reden wir über mich und Geld. Die meisten Leute wissen nicht, wie meine Förderung tatsächlich aussah. Bei vielen ist nur hängengeblieben, dass ich als 13-Jährige einmal 10.000 Mark bekommen habe. Das ist damals für regelmäßiges Großmeistertraining verwendet worden, in erster Linie mit Christopher Lutz und Artur Jussupow. Ansonsten habe ich das Gleiche bekommen wie alle anderen Topkader. Mein jährlicher Zuschuss reicht für die Teilnahme an der Einzel-EM, außerdem Reise- und Verpflegungskosten für ein Open wie das auf der Isle of Man. Wenn wir dem die Prinzenförderung gegenüberstellen, dazwischen liegen Welten. Leider war ich schon erwachsen, als die Prinzengruppe entstand. Das war Pech.
Was muss passieren, damit Du vom Rücktritt zurücktrittst?
Für das Frauenschach in Deutschland wünsche ich mir einen runden Tisch mit dem kompletten Kader und allen Funktionären, um die Vergangenheit aufzuarbeiten, einen Schnitt zu machen und dann neu anzufangen. Das Stückwerk muss aufhören, dann kommen auch wieder Ergebnisse. Ich persönlich möchte Akzeptanz spüren. International gewinne ich immer wieder Medaillen, mehr als jeder andere, und das verschafft dem deutschen Schach Ansehen und Fördergelder vom Ministerium. Aber irgendeine Form der Anerkennung bekomme ich dafür selten, stattdessen oft Ignoranz. Das kann nicht sein.
Würde die neue Vizepräsidentin Sport Olga Birkholz der verlässliche und vertrauensvolle Kontakt sein, der Dir bislang fehlte?
Ich kenne Olga kaum. Aber ich bin mir trotzdem sicher, dass sie Feingefühl und Empathie einbringen wird. Abgesehen davon ist ja nicht alles schlecht. Zum Beispiel haben wir seit 2014 einen Bundestrainer, der signalisiert, dass er sich für unsere bzw. meine Belange interessiert. Dorian hat mir geholfen, meine Motivation wiederzufinden und Konflikte zu lösen. Ihm verdanke ich, dass ich zwei Mal die 2.500-Hürde übersprungen habe. Oder nehmen wir Andreas Jagodzinsky, den Leistungssportreferenten. Der ist freundlich, empathisch, interessiert. Nur entscheidet halt am Ende nicht er, sondern das Präsidium. Und dort hatte nach meinem Empfinden der Präsident Ullrich Krause den Leistungssport komplett seinem Vizepräsidenten Sport übergeben. Was ja auf eine Weise sogar Sinn ergab, Klaus Deventer war fast 30 Jahre dabei und kannte sich aus. Nur waren eben jede Menge Konflikte mit seiner Person verbunden, die die anderen nicht kennen konnten. Oder Marcus Fenner. Ich verstehe nicht, dass er meine Mails nicht beantwortet, aber glaube, dass er Gold wert ist für den DSB. Im Prinzip mag ich die ganze Riege.
Also steht von Deiner Seite aus die Tür für eine Rückkehr offen?
Ja. Nach all den Querelen bin ich mir nicht sicher, wie es auf der anderen Seite der Tür aussieht, aber das werde ich in Dortmund herausfinden. Dort treffe ich Ullrich Krause.
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