"Ein Leben ohne Schach ist
schwer vorstellbar"
Interview mit Elisabeth Pähtz
Von Axel Eger
Fotos: Axel Eger, Joachim Schulze, Nadja Wittmann, Jeroen van den Belt
Beim
Turnier in Wijk aan Zee kündigte Elisabeth Pähtz einen überraschenden
Karriereschritt an. Deutschlands Nr. 1 wird im März in die Türkei ziehen und in
Ankara beim Türkischen Schachverband als Trainerin und Assistentin von
Verbandspräsident Ali Nihat Yazici arbeiten. Dennoch will die 27-jährige
Erfurterin weiterhin am Brett sitzen und spielen - wenn auch etwas weniger als
bisher. Axel Eger sprach mit Elisabeth Pähtz über ihre Zukunftspläne.
Wie kam der Kontakt mit dem türkischen Verband zustande?
Ich
hatte mich bei der Mannschafts-Europameisterschaft im November in Porto Carras
mit Verbandspräsident Ali Nihat Yazici unterhalten. Wir redeten über dies und
das und kamen irgendwie auf das Thema Zukunftsperspektiven. Als ich ihm sagte,
dass ich viel Spaß habe, mit Kindern zu arbeiten und außerdem mir die Türkei
sehr gefällt, hat er eins und eins zusammengezählt . . .
.
. . und dir ein Angebot unterbreitet. Was sind dort deine Aufgaben?
Meine Haupttätigkeit wird die eines Trainers sein. So soll ich die 13-jährige
Menzi Nezihe Ezgi betreuen. Sie hat eine Elo-Zahl von rund 1900 und gehörte bei
der EM schon zur türkischen Nationalmannschaft. Aber da kommen sicher noch
weitere Spielerinnen und Spieler dazu. Ein weiterer Aspekt ist die
administrative Verbandsarbeit, für die ich aufgrund meiner
Fremdsprachenkenntnisse eingesetzt werden soll. Eventuell bin ich auch beim
WM-Kampf zwischen Anand und Gelfand im Mai in Moskau dabei.
In welcher Funktion?
Es
kann gut sein, dass ich den Verbandspräsidenten, der ja gleichzeitig auch
Vize-Präsident des Weltverbandes FIDE ist, auf Geschäftsreisen als Dolmetscherin
begleite. Er spricht beispielsweise kein Russisch. Das wäre sicherlich eine
meiner Aufgaben in Moskau.
Wie sehen deine Umzugspläne für die kommenden Wochen aus?
Nach
Wijk stehen im Februar nur die Termine in der Frauen- und Männer-Bundesliga an.
Am 1. März fahre ich zur Einzel-Europameisterschaft - praktischerweise ist die
in Gaziantep in der Türkei. Ich bleibe anschließend gleich dort und ziehe damit
sozusagen um. Leben werde ich künftig in der Hauptstadt Ankara.
Musstest du lange überlegen, um das Angebot anzunehmen?
Eigentlich nicht. Es ist ein multifunktionaler Job, wo ich mal hier und mal dort
bin. Und es klingt spannend. Alles andere ergibt die Zeit. In Deutschland
jedenfalls hat man deutlich geringere schachliche Perspektiven, gerade, wenn man
als Trainer arbeiten will. In der Türkei dagegen boomt Schach derzeit
unglaublich und es wird sehr viel in die Jugendförderung gesteckt.
Bleibt da überhaupt noch Zeit zum Schachspielen? Wird man dich auch künftig am
Brett sehen?
Natürlich! Die großen Turniere werde ich weiterhin für Deutschland spielen. Die
Olympiade findet ja im August und September auch in der Türkei, in Istanbul,
statt. Und meine Lieblingsligen, zu denen auch die Bundesliga gehört, werde ich
gewiss nicht verpassen. Openturniere werde ich aber weniger spielen.
Angst vor Heimweh?
Ach,
vorher war ich doch auch nur selten zu Hause.
Wie zu hören war, arbeitest du zur Zeit an einem Schulschachprojekt für die
FIDE. Was steckt dahinter?
Es gibt jetzt eine Aktion
bei der FIDE, die sich "Schach in Schulen " nennt. Damit sollen weltweit Kinder
für Schach begeistert werden. Das Ganze läuft über das Internet und besteht aus
verschiedenen Bausteinen. Zum einen etwa, wie man Mitglied im Verein wird und
welche Vorteile man dort hat. Dann gibt es Kapitel, in denen erklärt wird, wie
jede Figur zieht und wieder andere, in denen alle Schachregeln zusammengefasst
sind. Es wird in verschiedene Sprachen übersetzt und ich übersetze halt vom
Englischen ins Deutsche.
Du spielst in diesen
Tagen erstmals in Wijk aan Zee. Ist es tatsächlich etwas Besonderes?
Na klar ist es schon
etwas Besonderes, zu solch einem Turnier eingeladen zu werden. Es hat einen
berühmten Namen und eine lange Tradition. Was das Feeling angeht, ist es für
mich aber nicht so viel anders als andere Turniere auch. Zum Glück habe ich mit
Sergej Karjakin und Vugar Gashimow zwei tolle Kumpels. Zweieinhalb Wochen allein
in Wijk - das wäre trotz des nahen Meeres, das ich so liebe, ziemlich
langweilig.
Wo spielst du
überhaupt am liebsten Schach?
Ich liebe den Kaukasus!
Vor allem wegen des Essens und der Leute. Dort spiele ich gern Turniere, wie
überhaupt generell in Russland. Man merkt, dass Schach dort einen ganz anderen
Stellenwert hat. Auch hier in den Niederlanden spürt man das.
Mittlerweile bist du
ausgebildete Fremdsprachenkorrespondentin. Hast du mal überlegt, in diesem Beruf
zu arbeiten?
Ja, ich hatte mal darüber
nachgedacht. Aber ein Dasein ganz ohne Schach ist schwer vorstellbar. Mein
ganzer Freundeskreis, ja, mein ganzes Leben baut sich darauf auf.