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Interview mit Georg Meier
Nachdruck in Auszügen, mit freundlicher Genehmigung von
Schach-Magazin 64
Pikanter Wechsel: Mit Georg Meier verlässt einer der deutschen
Topspieler den SV Werder Bremen und schließt sich ausgerechnet dem Erzrivalen
OSG Baden- Baden an. Mit dem 22-Jährigen wären die Hanseaten vermutlich Meister
geworden – glaubt nicht nur Meier. Doch der Trierer saß in der vergangenen
Saison kein einziges Mal in der Bundesliga am Brett. Über die Gründe und was ihm
zum Vorstoß in die absolute Weltspitze noch fehlt, unterhielt sich der stets
angenehm ruhig und überlegt wirkende Meier mit Hartmut Metz.
M64:
Georg Meier:
Mittlerweile ist ja bekannt, dass ich Probleme in Bremen hatte. Deshalb spielte ich in der vergangenen Saison keine einzige Partie in der Bundesliga. Die Bremer wollten die vereinbarten Konditionen für meine letzte Saison dort nicht einhalten und teilten mir dies erst nach Ablauf der Wechselfrist mit, sodass keine Möglichkeit mehr bestand, den Verein zu wechseln. So musste ich leider ein Jahr warten. Und es ist klar, dass die einzige Adresse, mit der ich mich verbessere, Baden-Baden lautet. Deshalb fragte ich beim Meister an.Meier:
In einigen wichtigen Punkten war ich gänzlich anderer Meinung als Schelz-Brandenburg – da möchte ich nicht näher darauf eingehen.SM64:
Die Zusammenarbeit vor drei Jahren begann doch so hoffnungsfroh: In Bremen wurden Sie als Vorzeigeobjekt gepriesen. Man wollte Sie besonders fördern und an die Weltspitze heranführen.Meier:
Die Idee an sich war sehr gut – nur die Umsetzung funktionierte nicht so, wie ich mir das vorstellte. Der Fokus war auch nicht zu 100 Prozent darauf ausgerichtet, dass ich mich gut entwickeln kann. Die Schachabteilung erhielt durch die Unterstützung ein positives Image. Während mir verboten wurde, in mehr als zwei ausländischen Ligen zu spielen, erfuhr ich – anders als zu Beginn versprochen – keinerlei Unterstützung beim Aufbau eines ausreichenden Wettkampfprogramms. Im Wesentlichen war ich nach wie vor auf mich allein gestellt, der Umzug nach Bremen hatte zudem logistische Nachteile. Und da ich auch Zeit aufwendete, um mich am Vereinsleben zu beteiligen, hatte das Ganze nur wenige Vorzüge für mich.SM64:
Was sagt das „gute Gefühl“: Sind die 40 Elo von dort drin, um die Schallmauer von 2700 Elo zu knacken? Oder reicht es gar bis weit vorne in der Weltspitze?
(...)
SM64: Sehen Sie weitere
Nuancen, um sich zu steigern?
Meier:
Klar, ich weiß ja nicht alles im Schach. Da gibt es genug, was ich noch lernen muss. Ganz allgemein gesprochen: Es gilt vorrangig, mein Eröffnungsrepertoire zu erweitern, um zumindest in die erweiterte Weltspitze zu gelangen.SM64:
An hochkarätigen Turniereinladungen mangelt es hier zu Lande. Außer in Dortmund gibt es kein geschlossenes Weltklasseturnier – und viele Deutsche spielen da auch nicht mit, wie schon Jan Gustafsson beklagte.Meier:
Man muss sehen, dass Deutschland gute Jugendspieler hat: Arik Braun, David Baramidze, Falko Bindrich – und dass sie alle bei um die 2550 Elo stagnieren. Einen wichtigen Grund dafür sehe ich in der fehlenden Perspektive, sich in Deutschland weiterzuentwickeln.SM64:
Die Talente entscheiden sich dann lieber für ein Studium.Meier: Genau. In Deutschland können sie nur Open spielen, bei denen man sich ab diesem Niveau kaum noch schachlich weiterentwickeln kann. Aus meiner Erfahrung weiß ich, man muss wirklich lange sehr hart arbeiten, um den Sprung dann trotzdem zu schaffen. Das ist jedoch nicht jedem gegeben. Hartnäckig zu arbeiten, ohne zu wissen, ob es sich überhaupt je lohnt.
SM64:
Die Holländer werden gerne für ihre Einladungspolitik gepriesen. Bei den Niederländern kommen Leute wie Jan Smeets oder Erwin L‘Ami zum Zuge, die erstmal nicht besser als die jungen Deutschen sind – aber dann doch an ihnen vorbeiziehen. Mangelt es bei uns an dieser Kultur?Meier:
Wenn man das mit Holland vergleicht, sind die Unterschiede krass. Bei uns liegt der Fokus meinem Eindruck nach auf dem Breitenschach. Die Spitze spielt keine besondere Rolle. In Holland besitzen die Profis dagegen einen ganz anderen Status. In jedem europäischen Land differiert die Gewichtung zwischen Spitze und Breite – so schlecht wie in Deutschland ist es meines Erachtens für Profis aber nirgends! Leider ist es so schwer. Man stelle sich nur vor Anish Giri wäre beispielsweise in Deutschland gelandet … Er wäre lange noch nicht da, wo er jetzt steht, denke ich.Meier:
Einen Schuldigen auszumachen, das fällt schwer. Die deutsche Meisterschaft ist aber auf jeden Fall absolut profifeindlich! Da spielen fast nur Amateure mit. Ziel sollte ein Rundenturnier sein, um den besten deutschen Spieler zu ermitteln. Dadurch sieht man: Es ist dem DSB wichtiger, es den Amateuren recht zu machen, anstatt auch mal die Profis zu unterstützen.Meier:
Genau, da können sich auch gerne Amateure qualifizieren. Das Gros sollten jedoch die besten Spieler des Landes stellen.Meier:
Ich habe mich nicht entschlossen. Ich möchte mir nur einmal einen Eindruck verschaffen. Solch ein Stipendium ist eine Option – aber keine sehr wahrscheinliche.Meier:
Das weiß ich aktuell nicht. Naturwissenschaftliches käme in Betracht, ich bin aber auch sprachbegabt.Meier:
Im Vergleich zu Bremen, dass sich die Mannschaft auf Englisch unterhält! Bei Werder bekamen wir jedes Jahr einen Aseri, Ukrainer oder anderen dazu. Die unterhielten sich dann alle untereinander auf Russisch. Ich konnte zum Teil nur mit Laurent Fressinet auf Französisch parlieren, weil Unterhaltungen auf Englisch kaum zu Stande kamen. Ich fühlte mich wie bei einer beliebigen Legionärstruppe … Schon allein die soziale Komponente wird also bestimmt besser. Zudem freue ich mich natürlich auf all die Spitzenspieler.Meier:
Wie es konkret abläuft, muss ich erst noch erfahren. Aber natürlich freue ich mich auf den Kontakt mit ihnen.SM64:
Die deutsche Spitze ist nun ebenso in Baden-Baden versammelt: Sie, Arkadij Naiditsch und Jan Gustafsson – fehlt eigentlich lediglich der Mülheimer Daniel Fridman, dann wäre die Nationalmannschaft komplett.Meier:
Stimmt. Es kann nur förderlich sein, wenn das Gros der Nationalspieler auch in einem Verein antritt. So trifft man sich naturgemäß häufiger. Mit Arkadij und Jan verstehe ich mich zudem gut.Meier:
Ich habe gegen alle drei genannten Nationalmannschaftskollegen noch nie eine Turnierpartie gespielt! Es gibt ja, wie erwähnt, keine Turniere in Deutschland. Insofern lassen sich Duelle leicht vermeiden …SM64:
Zurück zum Titel in der Bundesliga: Ohne das Zerwürfnis mit Bremer Verantwortlichen wäre nicht Ihr neuer, sondern Ihr alter Verein Meister geworden. Werder patzte bei drei 4:4 gegen schlechtere Mannschaften.SM64:
OSG-Kapitän Sven Noppes versucht die Zahl der Einsätze vor der Saison vertraglich zu vereinbaren. Naiditsch und Gustafsson durften fast immer ran. Bestreiten Sie ebenso ein Dutzend oder mehr Partien?Meier:
Aus vertraglichen Gründen muss ich bezüglich der genauen Zahl schweigen. Eine Zusage für eine bestimmte Zahl erhielt ich allerdings, das stimmt.SM64:
Wir gehen davon aus, dass Sie alles in Ihrer Macht stehende tun werden, um solch eine Schlappe zu vermeiden – und Sie sind im Duell gegen Bremen besonders motiviert.