Wie ist die Idee zu einer Online-Liga entstanden?
Die Corona-Pandemie hat den Spielbetrieb in den deutschen Schachligen zum Erliegen gebracht. Ein Großteil der online neu entstandenen Angebote sind Blitzturniere, die sich an Einzelpersonen richten – viele Spieler sehnen sich aber nach Vereinswettkämpfen, wie vor Beginn der Krise.
Auch machen sich zahlreiche Vereine Sorgen, dass Mitglieder den Verein verlassen, weil derzeit kein Spielbetrieb stattfindet. Daher wollen wir ein Online-Turnier mit längerer Bedenkzeit anbieten, bei dem Schachfreunde nur für ihren Verein antreten und sich mit anderen Teams aus ganz Deutschland messen können.
Wie genau hat man sich die Durchführung vorzustellen?
Wir versuchen, Mannschaftskämpfe so gut wie möglich als Online-Turnier abzubilden. Hierzu werden alle gemeldeten Mannschaften nach Spielstärke in Ligen zu je 32 Teams einsortiert. Jede Liga besteht aus Staffeln, in denen jeder gegen jeden spielt. Die besten der Staffeln einer Liga ermitteln im Play-Off den Meister der Liga. Beim jeweiligen Mannschaftskampf wird kurz vor Beginn von den Mannschaftsführern die Aufstellung eingegeben und dann geht’s los. Für jede Mannschaft wird ein virtueller Vereinsraum eingerichtet. In diesem Raum empfängt die Heimmannschaft an dem zuvor gewählten Wochentag die Gastmannschaft. Für die Turnierverwaltung setzen wir auf den bewährten Bundesliga-Ergebnisdienst, der von Schachfreund Matthias Berndt eigens für die DSOL angepasst wurde. Somit ist sichergestellt, dass die Ergebnisse und Tabellenstände zeitnah für alle sichtbar sind.
Wie wurde die Idee von den Vereinen angenommen?
Die Rückmeldungen sind sehr positiv, es gab zahlreiche Anfragen und die Vorankündigung auf schachbund.de hat eine sehr hohe Klickzahl. Insbesondere höre ich, dass Vereine die Gelegenheit begrüßen, durch die DSOL den Vereinsgeist und die Verbundenheit der Mitglieder zum Verein zu stärken.
Wie viele Anmeldungen gibt es?
Die Anmeldungen verliefen anfangs etwas zögerlich. In einem Mannschaftsturnier muss man ja auch erst mal die Mannschaft zusammenstellen. Von daher ist die Meldezahl vielleicht mit einem Einzelturnier nicht vergleichbar. Mit dem nahenden Meldschluss stiegen die Anmeldezahlen aber rasant an. Inzwischen wollen 130 Mannschaften teilnehmen.
45 Minuten ist eine recht lange Bedenkzeit für ein Online-Turnier. Warum wurde diese Bedenkzeit gewählt?
Viele Schachfreunde finden es schade, dass im Internet fast nur Blitzturniere angeboten werden. Von daher wollten wir ein Turnier mit längerer Bedenkzeit ausschreiben. Aber das ist in der Tat ein ungewöhnlicher Modus und wir werden im Nachgang bewerten, ob eine so lange Bedenkzeit zum Online-Schach passt.
Gibt es keine Befürchtungen, dass die lange Bedenkzeit zu Betrugsversuchen einladen und wie will man dem Umstand begegnen?
Uns ist bewusst, dass man hier auf die Fairness der Schachfreunde setzen muss. Wir haben uns gegen Kameraüberwachung entschieden, da sich einige Schachfreunde dann aufgrund des Aufwandes oder wegen des fehlenden Equipments gegen eine Teilnahme entschieden hätten.
Es werden ja keine hohen Preise ausgelobt, von daher hoffen wir, dass sich die Schachfreunde auf schöne Partien gegen Gegner aus der ganzen Republik freuen, die man bei normalen Mannschaftskämpfen eher nicht trifft, und den Erfolg nicht mit den falschen Mitteln erzwingen wollen.
Wird das Turnier fester Bestandteil des Turnierkalenders und auch nach dem Corona-Lockdown noch einmal stattfinden?
Das werden wir davon abhängig machen, wie gut das Turnier angenommen wird und wie viele Schachfreunde die DSOL gerne parallel zum normalen Spielbetrieb haben möchten. Denkbar wäre es auch, die DSOL regelmäßig in den ansonsten spielfreien Sommermonaten durchzuführen. Ein großer Vorteil des Onlineschachs ist ja, dass man es überall auf der Welt spielen kann.
Ein anderes Thema betrifft neue Ideen für den Spielbetrieb. Als aktiver berufstätiger Spieler wäre ich persönlich beispielsweise für eine Verkürzung der Bedenkzeiten auf höchstens drei Stunden Gesamtbedenkzeit. Gibt es hier Überlegungen? Auch das Format bei der Carlsen Tour ist interessant, also statt einer langen Partie vier Rapid-Partien. Gibt es dazu Überlegungen?
Bei Turnierpartien haben wir für die Bundesligen einen Modus gefunden, der von den Spielern weitestgehend begrüßt wird. Ich habe bei meinen Schiedsrichtereinsätzen in der 1. und 2. Bundesliga zumindest noch keine Kritik an der Bedenkzeit gehört. Ich glaube nicht, dass eine Verkürzung der
Bedenkzeit (z.B. auf 3 Stunden, wie Sie vorschlagen) großen Anklang bei den Bundesligaspielern finden wird. Beim Pfalz-Open in Neustadt an der Weinstraße habe wir vor ein paar Jahren 90min + 30sec/Zug gespielt. Hier haben sich vor allem die starken Spieler beschwert, so dass wir auf 90min/40 Züge + 30min + 30sec/Zug gewechselt haben.
Ein drittes Thema betrifft die Cheating-Versuche im „normalen“ Betrieb. Siegburger Spieler, darunter Robert Hübner, haben ja im Januar Klage gegen die Unterwerfungserklärung eingereicht. Wie wird damit umgegangen?
Die Spielervereinbarung wurde vor ein paar Jahren eingeführt, da juristisch festgestellt wurde, dass der DSB nur Spieler sanktionieren kann, mit denen er eine Vereinbarung abgeschlossen hat. Vereinbarungen mit den Aktiven abzuschließen fordert übrigens auch die NADA vom Deutschen Schachbund, andernfalls würden die Fördergelder wegfallen. In der 2. Bundesliga und bei allen Einzelturnieren haben fast alle Spieler diese Vereinbarungen unterzeichnet. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass unsere Aktiven die Notwendigkeit solcher Vereinbarungen für einen fairen Sport erkennen. Kein fairer Sportler möchte, dass ein Betrüger nicht bestraft werden kann, weil dem Verband die rechtliche Handhabe fehlt. Sfr. Bodo Schmidt vom SC Siegburg hat mich mehrfach angerufen und mir seine Auffassung dargelegt. Er sieht in einer Überprüfung (z.B. mit Metall-Scannern) der Spieler (insbesondere des Ehrenmitglieds des DSB GM Robert Hübner) ein unverhältnismäßiges Vorgehen. Ich denke aber, dass auch für Schachfreunde mit großen Verdiensten keine Sonderregeln gemacht werden sollten.
Will der Schachbund das vor einem normalen Gericht durchziehen, oder kann man mit dem Thema auch anders umgehen?
Der SC Siegburg ist bereits Anfang Januar vor Gericht gegangen. Die Klage wurde uns allerdings erst vor kurzem zugestellt. Der DSB wird die oben geschilderte Auffassung auch vor Gericht darstellen.
Warum ist es notwendig, die Unterwerfungserklärung in dieser harten Form einzufordern? Gibt es ein offizielles Statement vom Deutschen Schachbund?
Wo sehen Sie hier eine Härte? Der strittige Passus steht so in §11 der FIDE-Regeln, die wir für die Bundesliga nicht außer Kraft setzen wollen und können:
11.3.3 Der Schiedsrichter kann von einem Spieler verlangen, dass dieser in einem abgesonderten Bereich die Untersuchung seiner Kleidung, seiner Gepäckstücke, anderer Gegenstände oder seines Körpers zulässt. Der Schiedsrichter oder eine von ihm beauftragte Person darf den Spieler untersuchen, wobei der Untersuchende das gleiche Geschlecht wie der zu Untersuchende haben muss. Verweigert ein Spieler die Erfüllung dieser Pflichten, hat der Schiedsrichter Maßnahmen gemäß Artikel 12.9 zu ergreifen.
Seit der vergangenen Saison setzen die Schiedsrichter der 1. und 2. Bundesliga Metallscanner ein. Fast alle Spieler, die ich als Schiedsrichter überprüft habe, haben die Maßnahmen als Beitrag zu einem fairen Sport begrüßt. Die Mitgliederversammlung des Schach-Bundesliga e.V. mit allen Bundesliga-Vereinen hat vor einem Jahr die Anschaffung von hinreichend vielen Scannern beschlossen, so dass bei jedem Kampf geprüft werden kann. Das zeigt, wie sehr gerade unsere stärksten Vereine an einer Überprüfung interessiert sind.
Dann wurde noch von einem vermeintlichen Cheatingfall beim Wettkampf Koblenz-Bochum berichtet. Das wurde vom DSB ja nicht kommuniziert. Müsste darüber nicht informiert werden?
Hier hat ein Spieler unberechtigterweise das Turnierareal verlassen und auch bei der Aufklärung des Cheating-Vorwurfes nicht mitgewirkt. Da er sich weigerte, das von ihm aufgesuchte Hotelzimmer vom Schiedsrichter in Augenschein nehmen zu lassen, wurde er für mehrere Monate gesperrt. Ihm konnte zwar Cheating nicht nachgewiesen werden, aber da er sich weigerte, dem Schiedsrichter die Sachen zu zeigen, auf die er während der Partie Zugriff hatte, wurde neben dem Partieverlust auch die Sperre verhängt.
Vielen Dank!
Die Fragen stellte André Schulz.
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