Mittlerweile ist Hans-Walter Schmitt (HWS) 16 Jahre im
Schachgeschäft tätig und gehört damit zu den Dinosauriern der
Organisationszunft. Mit scheinbar unerschöpflicher Energie, Ideenreichtum
und Leidenschaft hat er das Projekt „Chess Classic“ mit seinen Freunden zum
renommiertesten Schnellschachfestival weltweit entwickelt. Dabei kamen ihm
seine Vertriebserfahrung für die konsequente Kunden- und Marktorientierung,
sowie die Bildung von leistungsfähigen und kompetenten Teams sehr zu Gute.
Dass neben seiner permanenten Unzufriedenheit mit dem Erreichten auch eine
Portion Glück seinen Lebensweg im Schach begleiteten, fällt am deutlichsten
auf, wenn das Verhältnis zum amtierenden Weltmeister und 11-maligen Chess
Classic-Sieger Viswanathan Anand beleuchtet wird. Im Jahre 1994 trafen sich
der neue Schachstar aus Indien und der neue Organisator aus Deutschland bei
der 1. Chess Classic im Frankfurter Westen. Wer die beiden erstmalig in Gran
Canaria 1995, dann in Groningen/Lausanne 1998, Delhi/Teheran 2000, dann in
Mexiko-City 2007 und in Bonn 2008 beim Kampf um den WM-Titel genau
beobachtet hat, weiß, dass beide in den letzten 16 Jahren sehr gute Freunde
geworden sind. Sicher scheint, dass Sie auch nächstes Jahr beim WM-Kampf
gegen Herausforderer Veselin Topalov Schulter an Schulter stehen. Wetten
dass, …?
Mike Rosa: Leiden Sie wirklich wie ein Hund, wenn Anand mal
verliert … ?
Hans-Walter Schmitt: Ja, bei wichtigen Wettkämpfen leide ich sehr
stark bei Niederlagen mit. Ich kann mich noch gut erinnern, als Anand in
Shanghi Nagar (Indien) im Jahre 1994 gegen Gata Kamsky nach 4:2 Führung im
Tiebreak noch verlor. Damals erfuhr ich während des Urlaubs von seiner
Niederlage, als ich gerade in einem der großen Dubliner Kaufhäuser war.
Meine Frau erinnert sich daran, dass ich damals mit dem spontanen Kauf von
ein Paar blauen Schuhen reagierte und anschließend im Hotel den restlichen
Tag im Bett verbrachte und dort bis zum nächsten Tag litt. Ähnlich erging es
mir 1999 in Lausanne bei Vishys Niederlage im Tiebreak gegen Anatoly Karpov.
Dort allerdings verzichtete ich auf den Schuhkauf und hatte bis zum
Abendessen wieder das Bett verlassen. Ich verkraftete die Niederlage also
schon besser, wobei es ein gewaltiger Unterschied ist, ob man vor Ort ist
oder in der Ferne leiden muss.
MR: … und was haben wir dann zu erwarten, wenn Anand mal in Mainz
verlieren sollte? Verschwinden Sie dann in der Präsidenten-Suite und die
Kollegen müssen die Siegerehrung alleine vornehmen?
HWS: Nein, nein, ich musste schon im Jahre 1999 in der
Ballsporthalle in Frankfurt Garry Kasparov das „Schwarze Jackett“ als
Siegertrophäe überstreifen. Wenn ich in der Veranstalterrolle bin, muss ich
die Gefühle für den Freund zu Hause lassen. Allerdings musste ich während
seiner Turniere in Mainz schon ein paar Mal ziemlich leiden, vor allem in
den Wettkämpfen gegen Vladimir Kramnik 2001, Ruslan Ponomariov 2002, Judit
Polgar 2003 und Teimour Radjabov 2006, die er nach anfänglichen Rückständen
später noch umdrehte. Wie Anand selbst in seinem Interview erläutert, gab es
in diesen Wettkämpfen verdammt enge Situationen, die auch einen anderen
Ausgang zugelassen hätten. Aber Mainz ist Mainz, es ist die Spielstätte, wo
er neunmal hintereinander gewonnen hat – eine unglaubliche Serie im
Weltschach.
MR: Weltmeister suchen sich ihre Gegner bekanntlich gerne mal
selbst aus. Wie hält es da der amtierende Champion? Fordert und erhält Anand
Mitspracherecht, wenn es um seine Gegner bei der Chess Classic geht?
HWS: Nach dem Turnier im Jahre 1997 sagte ich schon zu Anand, dass
die Chess Classic nur eine Zukunft haben kann, wenn er sich als
Titelverteidiger bereit erklärt, gegen die Allerbesten zu spielen. Also
kamen 1998 die vier besten der Weltrangliste inklusive Garry Kasparov zum
Zuge, 1999 spielten die drei Besten und Anatoly Karpov, 2000 die Top-10 und
2001 im „Duell der Weltmeister“ Anand und Kramnik. Danach wurde es zunehmend
schwerer, geeignete Gegner zu finden, die ein spannendes Match versprachen,
sodass wir nach Ruslan Ponomariov, Judit Polgar und Alexei Shirov seit 2005
den Gegner im ORDIX Open ermittelten und ab 2007 wieder zum ehemaligen
4er-Turnier mit Qualifikation in Vor- und Rückrunde und 4-Partien-Matches im
Finale zurückkehrten. Wir wollten die Qualifikation durch unser ORDIX Open
sportlich aufwerten und trotzdem die Möglichkeit haben, Einladungen
auszusprechen. Genauso ermittelten wir auch die Gegner des
Chess960-Weltmeisters, nur dass dies über die Qualifikation im FiNet Open
läuft. Vishy Anand hatte immer ein Mitspracherecht bei der Chess Classic,
hat diese Option aber nie gezogen, sondern dies immer kategorisch abgelehnt.
MR: Glauben Sie, dass das „Duell der Weltmeister“ im Jahre 2001 in
Mainz zwischen Vishy Anand und Vladimir Kramnik Einfluss auf das
letztjährige WM-Match in Bonn hatte?
HWS: Das Match zwischen dem Fide-Weltmeister Anand und dem
Braingames-Weltmeister Kramnik sehe ich heute noch als ein besonderes
Geschenk der beiden Chess Classic Freunde, die bis dahin 5 bzw. 6-mal
teilgenommen hatten, an ihren „ehrgeizigen“ Veranstalter. Es war das einzige
Match, das beide miteinander als Weltmeister spielten! Es war ein überaus
nervöses Match voller Spannung, Fehler und ausgelassenen Chancen, welches
Anand nach dem ersten Tiebreak 6:5:5,5 gewann. Im Jahre 1998 gewann Anand
schon einmal das Finale der Chess Classic in Frankfurt gegen Kramnik im „Sudden
Death“ 5:4, also noch knapper als 3 Jahre später in der Mainzer
Rheingoldhalle. In jedem dieser Matches tröstete ich zuerst den einsamen
Verlierer, erst danach konnte ich dem strahlenden Sieger gratulierten – die
Presse ist da ziemlich gnadenlos im Umgang mit dem Unterlegenen. Für Bonn
2008 glaube ich, hatte es nur marginalen sportlichen Einfluss, aber der
psychologische Aspekt war meiner Ansicht nach bedeutend, gerade deshalb,
weil die Weltschachexperten alle den Kasparov-Bezwinger Vladimir Kramnik als
den ausgewiesenen Zweikampf-Weltmeister in der Favoritenrolle sahen.
MR: Was haben Sie getan, um Anand zu helfen? Welche Rolle haben Sie
gespielt?
HWS: Nichts habe ich getan, ich war einfach nur da! Wir brauchen
eigentlich nicht mehr miteinander zu sprechen, es ist wie wenn wir uns blind
verstehen würden. Trotzdem begann ich ganz beiläufig über das Thema in der
Vorbereitungszeit zu philosophieren. Wer ist mehr unter Druck? Wer hat mehr
zu verlieren? Der beste Zweikämpfer oder der beste Turnierspieler der Welt,
oder der Erste in der Weltrangliste? Wer hat die beiden einzigen Zweikämpfe
gewonnen? Je näher der Wettkampf in Bonn kam, desto zuversichtlicher schien
mir Anand zu werden. Zufrieden mit seinem Sekundanten-Team, der Organisation
und dem gesamten technischen Environment. Als das A-Team dann in Bonn im
Hilton eintraf, war auch der letzte Baustein der Mission „Possible“ in Bezug
auf den Gegner und die Veranstaltungsarchitektur klar, jeder wusste, was zu
tun war.
MR: Was waren für Sie die Schlüsselmomente des WM-Kampfes?
HWS: Se3, 34. Zug der 5. Partie! Nur dieses eine Mal konnte ich
meine Gefühle nicht voll kontrollieren. Meine rechte Faust ballte sich
willkürlich, meine Unter- und Oberschenkel ließen meinen Körper in die Höhe
schnellen und ein zu lautes „Ja“ entfleuchte. Erschrocken über mich selbst,
setzte ich mich zum ungläubigen Entsetzen meiner Nachbarin Aruna Anand
wieder hin! Diese 5. Partie, die Art und Weise und das Ergebnis hatten
sicher direkten Einfluss auf die 6. Partie, die dann in großem Stil am
nächsten Tag von Titelverteidiger Anand mit Weiß zum 3-Punkte-Vorsprung
gewonnen wurde. „Game over“ war mein stilles Urteil.
Kramnik – Anand, WM-Match, Bonn 2008 (5)
Stellung nach 34…Se3!!
MR: Werden Sie beim nächsten Titelkampf Anands gegen Veselin
Topalov und seinen Berater und Manager Silvio Danailov dabei sein? Weltweit
ist ja bekannt, dass Sie sich während des Wiedervereinigungsmatches 2007 in
Elista für Kramnik ausgesprochen haben und dem Topalov-Manager die
Hauptschuld an der Eskalation gaben. Unlängst äußerte sich der
Weltranglistenerste Topalov im bekannten Magazin „New in Chess“, wie und
warum er Ihnen den Handschlag verweigerte. Was die Vermutung nahe legt, dass
er nicht gerade zu Ihren Freunden zählt, zumal er nach wie vor seinen
Manager Danailov verteidigt und daher wohl in nächster Zukunft trotz
Weltranglistenposition Nr. 1 auch nicht in Mainz bei der Chess Classic
aufschlagen wird.
HWS: Wenn der Wettkampf im April nächsten Jahres zustande kommen
sollte und Vishy wünscht, dass ich dabei sein soll, dann bin ich mit vollem
Engagement zur Stelle. Zum kindischem Verhalten der Handschlagverweigerer
möchte ich nur soviel sagen, als ich bei meinem Eintreffen in Bilbao 2008
auf Einladung der honorigen Veranstalter die Reihe der Spieler vor der
neunten Runde abging, Anand, Radjabov, Aronian, Ivanchuk, Topalov und
Carlsen und sie mit Handschlag begrüßte, verschränkte Topalov die Arme vor
der Brust und ich ging weiter zu Magnus, dem ein ungläubiges Lächeln
entwich. Nur eines will ich klarstellen, ich wollte mich keineswegs bei
Topalov entschuldigen, wie er in dem NIC-Interview annahm, sondern nach
allseits bekanntem europäischem Brauch höflich „Guten Tag“ sagen.
MR: Spielt die Frage des Austragungsortes des nächsten WM-Matches
eine wichtige Rolle? Oder wäre Weltmeister Anand wirklich bereit, sich wie
Gata Kamsky in die Höhle des Löwen nach Sofia zu begeben?
HWS: Bekannt war auch allen Kennern bei der letzten WM in Bonn,
dass der Veranstalter UEP dem Team Kramnik sehr viel näher stand als dem
Team Anand, aber wie alle sehen konnten, hatte es nicht viel genutzt. Ein
psychologischer Vorteil wäre es schon für den Bulgaren Topalov, in Sofia vor
heimischem Publikum zu spielen. Nach meiner Meinung ist es eine finanzielle
Frage. Sollten die angeblichen Sponsoren aus Bulgarien das garantierte
Preisgeld von einer halben Million für die Spieler verdreifachen, kann man
doch darüber reden. Der größte Clou wäre noch, wenn die UEP für den Standort
Kunsthalle Bonn bieten würde, aber wie es aussieht, haben die FIDE und die
Universal Event Promotion jüngst ihre Verhandlungen eingestellt!
MR: Kommen wir jetzt zur Chess Classic. Würden Sie Topalov noch
einmal einladen, nachdem er immerhin bereits 1997 im Hauptturnier „Giants“
und 1999 & 2000 im Nebenturnier „Masters“ gespielt hat?
HWS: Selbstverständlich gerne, wenn er sich traut, gegen Anand
anzutreten und seine finanziellen Forderungen unsererseits erfüllbar sind.
Nach seinem spektakulären WM-Sieg in San Luis hatten wir es probiert, auch
in die 1. Schachbundesliga wollten wir ihn holen, aber selbst das
Schachgeschäft ist kein einseitiges Wunschkonzert.
Chess Classic 2000 – Premiere der Top Ten v.l.n.r. stehend: Veselin Topalov,
Michael Adams, Vassily Ivanchuk, Evgeny Bareev
sitzend: Alexei Shirov, Alexander Morozevich, Garry Kasparov, Viswanathan
Anand, Vladimir Kramnik, Peter Leko
Chess Classic 1997 mit Veselin Topalov, Viswanathan Anand, Anatoly Karpov
und Eric Lobron
MR: Mit Weltmeister Viswanathan Anand und Chess960-Weltmeister
Levon Aronian sind die Titelverteidiger am Start und treffen werden sie auf
die im ORDIX und FiNet Open qualifizierten Sieger der letzten zwei Jahre.
Zusätzlich haben Sie sich bereits im Januar für eine Einladung an den besten
deutschen Spieler Arkadij Naiditsch ausgesprochen?
HWS: Meist im Dezember, um die Weihnachtszeit herum, beraten wir
uns im geschäftsführenden Vorstand der Chess Tigers, reden mit den Sponsoren
und den Topspielern, checken die Verfügbarkeit des Austragungsortes
Rheingoldhalle mit dem Congress Centrum Mainz und die Kapazität des Hilton
Mainz ab. Den Wunschtermin der kommenden Chess Classic geben wir normaler
Weise beim Veranstaltungsschluss der letzten Ausgabe bekannt, damit unser
höchst kompetentes Team rechtzeitig persönlich planen kann. Bei den Spielern
stand ja für die Chess Classic 2009 bereits fest, dass die Titelverteidiger
Anand und Aronian, sowie die qualifizierten Bologan, Nakamura und
Nepomniachtchi spielen würden. Da Anand darauf verzichtete, die Chess960-WM
zu spielen, wurde der freie Platz an Sergei Movsesian vergeben, der im
letzten Jahr Zweiter im FiNet Open wurde. Den letzten freien Platz in der
GrenkeLeasing Schnellschach Weltmeisterschaft an Arkadij Naiditsch zu
vergeben, war endlich fällig, nicht nur weil er Deutscher ist und in der
Meistermannschaft der OSG Baden-Baden der Top-Scorer ist, sondern weil wir
seine Entwicklung der letzten zwei Jahre als Elo 2700-verdächtig ansahen und
so kam es ja dann auch.
MR: Das härteste Programm auf dem Schachbrett wird zweifelsohne
Levon Aronian haben. Zwei Weltmeisterschaften und noch das stets mit starken
Spielern gespickte Standard Simultan an 40 Brettern werden ihm Einiges
abverlangen. Ist bei so viel Engagement nicht eine baldige Chess
Tigers-Ehrenmitgliedschaft schon obligatorisch?
HWS: Meinen hohen Respekt besitzt Levon heute schon, weil er
zweimal bereits das FiNet Open gewonnen hat. Beim ersten Versuch, den Thron
zu erklimmen scheiterte er noch an Peter Svidler, qualifizierte sich aber,
ohne zu murren, ein zweites Mal im Open und konnte dann im Match gegen
selbigen Peter Svidler den Chess960-Weltmeistertitel gewinnen. Vor zwei
Jahren verteidigte er den Titel in einem die Zuschauer elektrisierenden
Finale gegen Anand im Tiebreak. Allein für diese Leistung hätte er schon die
Ehrenmitgliedschaft verdient, die wir ihm sicher irgendwann verleihen
werden. Levon Aronian haben wir bewusst dieses Jahr zum Hauptakteur gemacht,
damit er auch sieht, dass wir ihm als Magnet für die Zuschauer vertrauen.
Die Nr.3 der Welt wird das gelassen sehen, der Simultangeber nach der
Pressekonferenz und vor dem Championsdinner zu sein. Bei der Chess960-WM
wird er sicher keine vorbereiteten Neuerungen verpulvern müssen und dann
kommt es zum „Showdown“ gegen Anand bei der GrenkeLeasing Rapid World
Championship. Aber ich warne die beiden Favoriten, die doppelten „N“,
Naiditsch und Nepomniachtchi, in der Qualifikation zu unterschätzen.
MR: Nicht nur die Turniere am Abend auch die Open werden mit 20
Minuten Bedenkzeit und einem Bonus von 5 Sekunden pro Zug gespielt. Dazu
benötigen Sie nicht nur eine riesige Menge an Digitaluhren, es besteht auch
immer die Gefahr, dass eine einzelne Partie den weiteren Ablauf verzögert.
Warum dennoch dieser Aufwand? Einfacher wäre doch beispielsweise 25+0, oder?
HWS: Unser Turnierleiter Hans-Dieter Post hat die im letzten Jahr
erstmals eingesetzte „Open-Maschine“ so entwickelt, dass wir unmittelbar
nach Eingabe des letzten Ergebnisses sofort auslosen können und damit die
Paarungen an den großen Projektionswänden über der Bühne rollierend sofort
den Teilnehmern anzeigen. Ohne Papier einzusetzen und ohne Systembrüche
zwischen Turnieradministration und Live-Übertragung einkalkulieren zu
müssen, hatten wir letztes Jahr bei der Spielzeit 20min/5s eher das
„Luxusproblem“, die Pausen zwischen den Runden zu verlängern, anstatt sie
verkürzen zu müssen. Menschen brauchen auch mal eine vernünftige Pause
zwischen den Runden. Dass die wenigen lange spielenden Teilnehmer in einer
Runde gleich wieder ans Brett müssen, liegt in der Natur der Dinge und wird
ohne Beschwerde als selbstverständlich hingenommen. Wenn man mit der
Bedenkzeit 25min/0s spielt, steigt nur der Schiedsrichterbedarf gewaltig an
und die Übertragungstechnik streikt öfters mal, wenn die Figuren „fliegen“
oder die Figuren nicht exakt gesetzt werden. Mit der besten Schachuhr auf
dem Markt, der „DGT XL“ von unserem Primepartner DGT zu spielen, die auch
bei Weltmeisterschaften, Großmeisterturnieren und in der Schachbundesliga
eingesetzt werden, ist doch obligatorisch bei einem Weltklasseturnier oder?
MR: Der Modus der Weltmeisterschaften und der Qualifikation in den
Open bleibt also gleich, wo bleibt da die logische Weiterentwicklung „höher,
weiter, schneller“?
Der Event Chess Classic ist vom sportlichen Wert, von der
Einmaligkeit und vom dualen Erlebniskonzept „Lernen und Spielen“ völlig
ausgereift. Jetzt gilt es, konsequent und nachhaltig die Services für den
einzelnen Teilnehmer und Zuschauer - oft beides in einer Person -, den
interessierten Familien aus leidenschaftlichen Schachspielern und deren
begleitenden Mitgliedern sowie den Sponsoren und ihren Kunden, Partnern,
Freunden und Mitarbeitern zu verbessern.
MR: Wie soll denn das funktionieren? Das kommt doch eher der
Quadratur des Kreises nahe …
HWS: Wir haben vor gut drei Jahren neben den üblichen Informationen
für Experten mit den leichtverständlichen Informationen für Schachlaien
begonnen. Mit der ständigen Evaluierung der Partien durch ein Schachprogramm
gelang es uns, die Interessierten sowohl über den Spielverlauf als auch über
den momentanen Spielstand zu informieren. Digitale Ziffern zeigen den
einfachen Spielstand an mit der Beantwortung der Frage „Wer steht besser?“.
+ (Plus) bedeutet, Weiß steht besser, +2 bis +3 bedeutet, Weiß steht auf
Gewinn und bei über +3 steht Weiß klar auf Gewinn. Die mit – (Minus)
erscheinenden Werte sagen das Gleiche für Schwarz aus. Die Darstellung der
einzelnen Werte vom ersten bis zum letzten Zug in einem Balkendiagramm des
Koordinatensystems zeigt auf dem Bildschirm den kompletten Spielverlauf an.
Damit gelingt uns Folgendes: Der „Laie“ versteht den Stand in der Partie,
ohne seinen Begleiter „Experte“ störend zu befragen und beide sind
zufrieden. Damit haben wir den Interessentenkreis, bei einer Schachpartie
zuzuschauen, von 100.000 organisierten Vereinsspielern auf 20.000.000 in
Deutschland vergrößert – Faktor 200, nicht so schlecht!
MR: Konkret, was erwartet uns Neues bei der kommenden Chess Classic?
HWS: Wir haben unsere Test- und Akzeptanzphase mit Erfolg und gutem
Feedback der Besucher beendet und sind erstmals für die Chess Classic Mainz
2009 mit der Firma ChessBase aus Hamburg eine Medienpartnerschaft
eingegangen, um nicht nur bei der Veranstaltung vor Ort, sondern auch im
Internet dieselbe Leistung anzubieten, und um somit in den Bereich der
kommerziellen Portale der bekanntesten Medien vorzudringen. Neu dabei ist,
dass die stärksten Schachprogramme Deep Rybka 3 und Deep Fritz 11 permanent
die laufenden Partien evaluieren und den Schachlaien und -experten die
einfachen Informationen vermitteln. Jeder kann sich dann bei der Chess
Classic seine eigenen Wünsche erfüllen.
MR: Wie würden Sie jemandem, der noch nie bei der Chess Classic
war, beispielhaft erklären, wie dieses Wunschkonzert funktioniert?
HWS: Am besten ist es, das vor Ort selbst auszuprobieren, aber gut,
ich versuche, es zu beschreiben. Die große Rheingoldhalle mit den Spielern
live auf der Bühne ist das „Silent Auditorium“. Hier geht es quasi atemlos
und sehr still zu und alle Sinne werden bei den meisten Zuschauern
befriedigt. 1. der Puritaner setzt sich ohne jegliche Hilfsmittel hin und
genießt ohne weitere Informationen das Spiel, 4-5 Meter große Projektionen
der Partien und die direkte Sicht zu den Spielern genügen ihm. 2. der
Experte lauscht zusätzlich via Ear-Clip den im Dialog kommentierenden zwei
Großmeistern und 3. der Laie nimmt die leicht verständlichen Informationen
an den separaten Monitoren mit den Bewertungsanzeigen in Anspruch. So
bekommt jeder das angeboten, was er möchte, zugeschnitten auf seine
Bedürfnisse und seine Kenntnisse im Schach. Eintritt am Abend € 8,-,
ermäßigt € 5,- und bei allen Open-Teilnehmern ist der Eintritt im Startgeld
inklusive.
Im Rheinfoyer - außerhalb des strikten Sprechverbots - kann der
geneigte Zuschauer sich vor die fünf Monitore setzen, welche die zwei
Partien, die Bewertungen der Partien und das Live-Bild der Bühne mit den
Spielern zeigen und ungestört genießen. Ebenso kann man beim „Public Viewing“
das Gleiche inklusive Live-Kommentator eines weiteren Großmeisters
verfolgen, dabei diskutieren mit Freunden und Großmeistern, sich Snacks und
Drinks von der Bar gönnen, am Bücherstand von Schach Niggemann stöbern oder
sich am Shop der Chess Tigers mit Informationen oder Merchandisingartikel
versorgen. Im Übrigen ist das Rheinfoyer mit dem „Public Viewing“
eintrittsfrei, die Chess Tigers wollen damit auch ihrer sozialen
Verantwortung gerecht werden.
Die Krönung des Genießens erfährt man dann beim „Gourmet Viewing“
im Goldsaal „A“ des Hilton Mainz. Bei landesspezifischen Speisen und
Getränken, - in diesem Jahr soll die Tagesfolge böhmisch, badisch,
elsässisch, amerikanisch, asiatisch und rheinhessisch sein -, können die
Gäste die Partien genauso verfolgen wie beim „Public Viewing“. Der
Großmeisterkommentar ist in diesem kleinen und geschlossenen Kreis viel
individueller in der Gestaltung mit Geschichten weit über den Standard
hinaus natürlich obligatorisch. Der Höhepunkt an jedem Abend ist, wenn die
Top-Spieler nach der nebenan stattgefundenen Tagespressekonferenz in den
Gourmet Club kommen, egal ob sie gewonnen oder nicht gewonnen haben. Die
Zusammenkunft am Abend bringt die Top-Spieler mit Begleitung, die Sponsoren
mit Kunden, die Presse, die Organisatoren und Schachgenießer wie Du und ich
zusammen. Das Vergnügen kostet € 39,- alles inklusive am Abend.
Das Ambiente und die Funktionalität des Veranstaltungsortes sind
unseres Erachtens optimal für kombinierte Teilnehmer und Zuschauer
orientierte Turniere. „Vom Bett zum Brett“ nicht mehr als 150 Meter im
gleichen Gebäudekomplex Rheingoldhalle und Hilton Mainz. Die permanente
Möglichkeit, auf den Rhein mit den ruhig vorbei gleitenden Schiffen, zu
sehen, hilft besonders nach verlorenen Schnellschachpartien seine Mitte
wiederzufinden. Das ambivalente Zusammenspiel von Weltklasse und Kreisklasse
ist in unserer Veranstaltung ohne Gleichen weltweit. Unser Kinder Club
bietet die Familien gerechte Voraussetzung, während der Open selbst zu
spielen, wobei die Kinder von 10:00 Uhr morgens bis 18:00 Uhr abends
fachlich gut betreut sind. Ein wunderbares Beispiel für die Nutzung unseres
Angebots ist: Oma, Opa, Mama, Papa, Enkel und Enkelin kommen für ein langes
Wochenende von Donnerstag bis Sonntag nach Mainz, wohnen im Hilton, Opa und
Oma shoppen in der nur 300 Meter entfernten City, besuchen die
Sehenswürdigkeiten der über 2000 Jahre alten Stadt Mainz oder wandern
einfach vergnüglich am Rhein entlang, die beiden 4- und 6-jährigen
Enkelkinder gehen in den Kinder Club und die berufstätigen Eltern können
endlich mal ungestört sich in den Open austoben. Abends schaut man bei den
Top-Spielern in der Rheingoldhalle oder im Rheinfoyer zu oder trifft sich im
Gourmet Club. Das heißt für uns Chess Tigers, von 10:00 Uhr morgens bis
24:00 Uhr nachts, Chess Entertainment und Schacherlebniskultur pur mit hohen
Standards bei Teilnehmer- und Zuschauerservices anzubieten.
MR: Das Konzept scheint schlüssig zu sein, aber gibt es auch
genügend Interessierte die diese Services annehmen wollen und mit wie vielen
Leuten kann man dieses Angebot halten? Da braucht man doch schon einen
Zweischichtbetrieb, oder?
HWS: Das Geheimnis der Leistungskraft des Chess Classic Teams liegt
in der Kompetenz jedes Einzelnen und dem gemeinsamen Bewusstsein: „Wir
wollen die Besten sein“ und „Das Team ist der Star“. Dazu kommen unser
klares Bekenntnis zur Kundenorientierung und unser Anspruch, uns jedes Jahr
zu verbessern, innerhalb jedes Einzelnen und ganzheitlich als Team,
natürlich auch durch Integration neuer Mitglieder. Die Arbeit innerhalb der
60-64 Leute umfassenden Mannschaft wird eines Teils in der ganzjährigen
Vorbereitung planerisch geleistet und dann in der 7-tägigen Realisierung im
Congress Centrum Mainz präzise und kundenfreundlich umgesetzt. Ideal-typisch
wäre es, wenn wir jede Position doppelt besetzen könnten, aber einige
Schlüsselpositionen sind einfach noch nicht mit einem Backup zu versehen.
Als Beispiele gebe ich mal die Position des technischen
Turnierleiters Hans-Dieter Post und des Live-Chefs Thilo Gubler an sowie das
Zusammenwirken von beiden! Wenn Sie einen Meldeschluss um 12:15 Uhr haben
und um 12:30 Uhr pünktlich, und das ist unser Anspruch, das ORDIX Open von
über 750 Teilnehmern mit der 1. von 5 Runden am Nachmittag anfahren wollen,
dann müssen Sie Kompetenzen und Typen im Team haben, die das nicht nur
organisatorisch und technisch bewerkstelligen können, sondern auch nervlich
aushalten. Ohne Erfahrung und Coolness der operativ Wirkenden,
beziehungsweise der Entscheidungsträger ist die Aufgabe nicht lösbar. Aber
wir haben ja schon einen 15-jährigen Erfahrungsschatz bei alljährlichem
intensivem Training. Auch in anderen Bereichen, wie Internet & Vernetzung,
Anmeldung, Turnierleitung, Materialverwaltung, Ergebniserfassung,
Schiedsrichtereinsatz, Informationsmanagement, Werbung, Merchandising,
Kinder Club, Selbstverpflegung, Kommentierung, Spielerbetreuung, Pressarbeit
national und international, Hotelkoordination, Websitebetrieb und -redaktion
wird höchst kompetent und nachhaltig gearbeitet.
Vielen Dank für das Gespräch.