Interview mit Hans-Walter Schmitt

von ChessBase
18.05.2009 – Vom 27. Juli bis 2. August ist Mainz die Weltschachhauptstadt. Dann treffen sich in der Rheingoldhalle Schachfreunde aus allen Kontinenten, Spitzenspieler und Club- oder Hobbyspieler gleichermaßen. In Schmitts Veranstaltungsphilosophie sind die Besucher und Sponsoren eines Schachevents Kunden, denen man als Organisator etwas bieten muss. Stars wie Weltmeister Viswanathan Anand und ein vorbildlicher Service für Zuschauer und Teilnehmer sorgen jedes Jahr dafür, dass die "Kunden" sich in Mainz ausgesprochen wohlfühlen. Im Interview mit Mike Rosa spricht Schmitt u.a. über seine langjährige Freundschaft mit Vishy Anand und die Organisation der Chess Classic, bei der in diesem Jahre neben Anand Aronian, Bologan, Nakamura, Nepomniachtchi, Movsesian und Naiditsch die Headliner sind. Als Medienpartner wird ChessBase das Turnier im Internet intensiv begleiten. Zum Interview...

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Konsequent und nachhaltig Services verbessern
Über WM Anand, Aronian, Kramnik, Topalov und die Chess Classic Mainz 2009

Mittlerweile ist Hans-Walter Schmitt (HWS) 16 Jahre im Schachgeschäft tätig und gehört damit zu den Dinosauriern der Organisationszunft. Mit scheinbar unerschöpflicher Energie, Ideenreichtum und Leidenschaft hat er das Projekt „Chess Classic“ mit seinen Freunden zum renommiertesten Schnellschachfestival weltweit entwickelt. Dabei kamen ihm seine Vertriebserfahrung für die konsequente Kunden- und Marktorientierung, sowie die Bildung von leistungsfähigen und kompetenten Teams sehr zu Gute. Dass neben seiner permanenten Unzufriedenheit mit dem Erreichten auch eine Portion Glück seinen Lebensweg im Schach begleiteten, fällt am deutlichsten auf, wenn das Verhältnis zum amtierenden Weltmeister und 11-maligen Chess Classic-Sieger Viswanathan Anand beleuchtet wird. Im Jahre 1994 trafen sich der neue Schachstar aus Indien und der neue Organisator aus Deutschland bei der 1. Chess Classic im Frankfurter Westen. Wer die beiden erstmalig in Gran Canaria 1995, dann in Groningen/Lausanne 1998, Delhi/Teheran 2000, dann in Mexiko-City 2007 und in Bonn 2008 beim Kampf um den WM-Titel genau beobachtet hat, weiß, dass beide in den letzten 16 Jahren sehr gute Freunde geworden sind. Sicher scheint, dass Sie auch nächstes Jahr beim WM-Kampf gegen Herausforderer Veselin Topalov Schulter an Schulter stehen. Wetten dass, …?

Mike Rosa: Leiden Sie wirklich wie ein Hund, wenn Anand mal verliert … ?

Hans-Walter Schmitt: Ja, bei wichtigen Wettkämpfen leide ich sehr stark bei Niederlagen mit. Ich kann mich noch gut erinnern, als Anand in Shanghi Nagar (Indien) im Jahre 1994 gegen Gata Kamsky nach 4:2 Führung im Tiebreak noch verlor. Damals erfuhr ich während des Urlaubs von seiner Niederlage, als ich gerade in einem der großen Dubliner Kaufhäuser war. Meine Frau erinnert sich daran, dass ich damals mit dem spontanen Kauf von ein Paar blauen Schuhen reagierte und anschließend im Hotel den restlichen Tag im Bett verbrachte und dort bis zum nächsten Tag litt. Ähnlich erging es mir 1999 in Lausanne bei Vishys Niederlage im Tiebreak gegen Anatoly Karpov.  Dort allerdings verzichtete ich auf den Schuhkauf und hatte bis zum Abendessen wieder das Bett verlassen. Ich verkraftete die Niederlage also schon besser, wobei es ein gewaltiger Unterschied ist, ob man vor Ort ist oder in der Ferne leiden muss.

MR: … und was haben wir dann zu erwarten, wenn Anand mal in Mainz verlieren sollte? Verschwinden Sie dann in der Präsidenten-Suite und die Kollegen müssen die Siegerehrung alleine vornehmen?

HWS: Nein, nein, ich musste schon im Jahre 1999 in der Ballsporthalle in Frankfurt Garry Kasparov das „Schwarze Jackett“ als Siegertrophäe überstreifen. Wenn ich in der Veranstalterrolle bin, muss ich die Gefühle für den Freund zu Hause lassen. Allerdings musste ich während seiner Turniere in Mainz schon ein paar Mal ziemlich leiden, vor allem in den Wettkämpfen gegen Vladimir Kramnik 2001, Ruslan Ponomariov 2002, Judit Polgar 2003 und Teimour Radjabov 2006, die er nach anfänglichen Rückständen später noch umdrehte. Wie Anand selbst in seinem Interview erläutert, gab es in diesen Wettkämpfen verdammt enge Situationen, die auch einen anderen Ausgang zugelassen hätten. Aber Mainz ist Mainz, es ist die Spielstätte, wo er neunmal hintereinander gewonnen hat – eine unglaubliche Serie im Weltschach.

 

MR: Weltmeister suchen sich ihre Gegner bekanntlich gerne mal selbst aus. Wie hält es da der amtierende Champion? Fordert und erhält Anand Mitspracherecht, wenn es um seine Gegner bei der Chess Classic geht?

HWS: Nach dem Turnier im Jahre 1997 sagte ich schon zu Anand, dass die Chess Classic nur eine Zukunft haben kann, wenn er sich als Titelverteidiger bereit erklärt, gegen die Allerbesten zu spielen. Also kamen 1998 die vier besten der Weltrangliste inklusive Garry Kasparov zum Zuge, 1999 spielten die drei Besten und Anatoly Karpov, 2000 die Top-10 und 2001 im „Duell der Weltmeister“ Anand und Kramnik. Danach wurde es zunehmend schwerer, geeignete Gegner zu finden, die ein spannendes Match versprachen, sodass wir nach Ruslan Ponomariov, Judit Polgar und Alexei Shirov seit 2005 den Gegner im ORDIX Open ermittelten und ab 2007 wieder zum ehemaligen 4er-Turnier mit Qualifikation in Vor- und Rückrunde und 4-Partien-Matches im Finale zurückkehrten. Wir wollten die Qualifikation durch unser ORDIX Open sportlich aufwerten und trotzdem die Möglichkeit haben, Einladungen auszusprechen. Genauso ermittelten wir auch die Gegner des Chess960-Weltmeisters, nur dass dies über die Qualifikation im FiNet Open läuft. Vishy Anand hatte immer ein Mitspracherecht bei der Chess Classic, hat diese Option aber nie gezogen, sondern dies immer kategorisch abgelehnt.

MR: Glauben Sie, dass das „Duell der Weltmeister“ im Jahre 2001 in Mainz zwischen Vishy Anand und Vladimir Kramnik Einfluss auf das letztjährige WM-Match in Bonn hatte?

HWS: Das Match zwischen dem Fide-Weltmeister Anand und dem Braingames-Weltmeister Kramnik sehe ich heute noch als ein besonderes Geschenk der beiden Chess Classic Freunde, die bis dahin 5 bzw. 6-mal teilgenommen hatten, an ihren „ehrgeizigen“ Veranstalter. Es war das einzige Match, das beide miteinander als Weltmeister spielten! Es war ein überaus nervöses Match voller Spannung, Fehler und ausgelassenen Chancen, welches Anand nach dem ersten Tiebreak 6:5:5,5 gewann. Im Jahre 1998 gewann Anand schon einmal das Finale der Chess Classic in Frankfurt gegen Kramnik im „Sudden Death“ 5:4, also noch knapper als 3 Jahre später in der Mainzer Rheingoldhalle. In jedem dieser Matches tröstete ich zuerst den einsamen Verlierer, erst danach konnte ich dem strahlenden Sieger gratulierten – die Presse ist da ziemlich gnadenlos im Umgang mit dem Unterlegenen. Für Bonn 2008 glaube ich, hatte es nur marginalen sportlichen Einfluss, aber der psychologische Aspekt war meiner Ansicht nach bedeutend, gerade deshalb, weil die Weltschachexperten alle den Kasparov-Bezwinger Vladimir Kramnik als den ausgewiesenen Zweikampf-Weltmeister in der Favoritenrolle sahen.

MR: Was haben Sie getan, um Anand zu helfen? Welche Rolle haben Sie gespielt?

HWS: Nichts habe ich getan, ich war einfach nur da! Wir brauchen eigentlich nicht mehr miteinander zu sprechen, es ist wie wenn wir uns blind verstehen würden. Trotzdem begann ich ganz beiläufig über das Thema in der Vorbereitungszeit zu philosophieren. Wer ist mehr unter Druck? Wer hat mehr zu verlieren? Der beste Zweikämpfer oder der beste Turnierspieler der Welt, oder der Erste in der Weltrangliste? Wer hat die beiden einzigen Zweikämpfe gewonnen? Je näher der Wettkampf in Bonn kam, desto zuversichtlicher schien mir Anand zu werden. Zufrieden mit seinem Sekundanten-Team, der Organisation und dem gesamten technischen Environment. Als das A-Team dann in Bonn im Hilton eintraf, war auch der letzte Baustein der Mission „Possible“ in Bezug auf den Gegner und die Veranstaltungsarchitektur klar, jeder wusste, was zu tun war.

MR: Was waren für Sie die Schlüsselmomente des WM-Kampfes?

HWS: Se3, 34. Zug der 5. Partie! Nur dieses eine Mal konnte ich meine Gefühle nicht voll kontrollieren. Meine rechte Faust ballte sich willkürlich, meine Unter- und Oberschenkel ließen meinen Körper in die Höhe schnellen und ein zu lautes „Ja“ entfleuchte. Erschrocken über mich selbst, setzte ich mich zum ungläubigen Entsetzen meiner Nachbarin Aruna Anand wieder hin! Diese 5. Partie, die Art und Weise und das Ergebnis hatten sicher direkten Einfluss auf die 6. Partie, die dann in großem Stil am nächsten Tag von Titelverteidiger Anand mit Weiß zum 3-Punkte-Vorsprung gewonnen wurde. „Game over“ war mein stilles Urteil.

 

Kramnik – Anand, WM-Match, Bonn 2008 (5)
Stellung nach 34…Se3!!

MR: Werden Sie beim nächsten Titelkampf Anands gegen Veselin Topalov und seinen Berater und Manager Silvio Danailov dabei sein? Weltweit ist ja bekannt, dass Sie sich während des Wiedervereinigungsmatches 2007 in Elista für Kramnik ausgesprochen haben und dem Topalov-Manager die Hauptschuld an der Eskalation gaben. Unlängst äußerte sich der Weltranglistenerste Topalov im bekannten Magazin „New in Chess“, wie und warum er Ihnen den Handschlag verweigerte. Was die Vermutung nahe legt, dass er nicht gerade zu Ihren Freunden zählt, zumal er nach wie vor seinen Manager Danailov verteidigt und daher wohl in nächster Zukunft trotz Weltranglistenposition Nr. 1 auch nicht in Mainz bei der Chess Classic aufschlagen wird.

HWS: Wenn der Wettkampf im April nächsten Jahres zustande kommen sollte und Vishy wünscht, dass ich dabei sein soll, dann bin ich mit vollem Engagement zur Stelle. Zum kindischem Verhalten der Handschlagverweigerer möchte ich nur soviel sagen, als ich bei meinem Eintreffen in Bilbao 2008 auf Einladung der honorigen Veranstalter die Reihe der Spieler vor der neunten Runde abging, Anand, Radjabov, Aronian, Ivanchuk, Topalov und Carlsen und sie mit Handschlag begrüßte, verschränkte Topalov die Arme vor der Brust und ich ging weiter zu Magnus, dem ein ungläubiges Lächeln entwich. Nur eines will ich klarstellen, ich wollte mich keineswegs bei Topalov entschuldigen, wie er in dem NIC-Interview annahm, sondern nach allseits bekanntem europäischem Brauch höflich „Guten Tag“ sagen.

MR: Spielt die Frage des Austragungsortes des nächsten WM-Matches eine wichtige Rolle? Oder wäre Weltmeister Anand wirklich bereit, sich wie Gata Kamsky in die Höhle des Löwen nach Sofia zu begeben?

HWS: Bekannt war auch allen Kennern bei der letzten WM in Bonn, dass der Veranstalter UEP dem Team Kramnik sehr viel näher stand als dem Team Anand, aber wie alle sehen konnten, hatte es nicht viel genutzt. Ein psychologischer Vorteil wäre es schon für den Bulgaren Topalov, in Sofia vor heimischem Publikum zu spielen. Nach meiner Meinung ist es eine finanzielle Frage. Sollten die angeblichen Sponsoren aus Bulgarien das garantierte Preisgeld von einer halben Million für die Spieler verdreifachen, kann man doch darüber reden. Der größte Clou wäre noch, wenn die UEP für den Standort Kunsthalle Bonn bieten würde, aber wie es aussieht, haben die FIDE und die Universal Event Promotion jüngst ihre Verhandlungen eingestellt!

MR: Kommen wir jetzt zur Chess Classic. Würden Sie Topalov noch einmal einladen, nachdem er immerhin bereits 1997 im Hauptturnier „Giants“ und 1999 & 2000 im Nebenturnier „Masters“ gespielt hat?

HWS: Selbstverständlich gerne, wenn er sich traut, gegen Anand anzutreten und seine finanziellen Forderungen unsererseits erfüllbar sind. Nach seinem spektakulären WM-Sieg in San Luis hatten wir es probiert, auch in die 1. Schachbundesliga wollten wir ihn holen, aber selbst das Schachgeschäft ist kein einseitiges Wunschkonzert. 


Chess Classic 2000 – Premiere der Top Ten v.l.n.r. stehend: Veselin Topalov, Michael Adams, Vassily Ivanchuk, Evgeny Bareev
sitzend: Alexei Shirov, Alexander Morozevich, Garry Kasparov, Viswanathan Anand, Vladimir Kramnik, Peter Leko


Chess Classic 1997 mit Veselin Topalov, Viswanathan Anand, Anatoly Karpov und Eric Lobron

MR: Mit Weltmeister Viswanathan Anand und Chess960-Weltmeister Levon Aronian sind die Titelverteidiger am Start und treffen werden sie auf die im ORDIX und FiNet Open qualifizierten Sieger der letzten zwei Jahre. Zusätzlich haben Sie sich bereits im Januar für eine Einladung an den besten deutschen Spieler Arkadij Naiditsch ausgesprochen?

HWS: Meist im Dezember, um die Weihnachtszeit herum, beraten wir uns im geschäftsführenden Vorstand der Chess Tigers, reden mit den Sponsoren und den Topspielern, checken die Verfügbarkeit des Austragungsortes Rheingoldhalle mit dem Congress Centrum Mainz und die Kapazität des Hilton Mainz ab. Den Wunschtermin der kommenden Chess Classic geben wir normaler Weise beim Veranstaltungsschluss der letzten Ausgabe bekannt, damit unser höchst kompetentes Team rechtzeitig persönlich planen kann. Bei den Spielern stand ja für die Chess Classic 2009 bereits fest, dass die Titelverteidiger Anand und Aronian, sowie die qualifizierten Bologan, Nakamura und Nepomniachtchi spielen würden. Da Anand darauf verzichtete, die Chess960-WM zu spielen, wurde der freie Platz an Sergei Movsesian vergeben, der im letzten Jahr Zweiter im FiNet Open wurde. Den letzten freien Platz in der GrenkeLeasing Schnellschach Weltmeisterschaft an Arkadij Naiditsch zu vergeben, war endlich fällig, nicht nur weil er Deutscher ist und in der Meistermannschaft der OSG Baden-Baden der Top-Scorer ist, sondern weil wir seine Entwicklung der letzten zwei Jahre als Elo 2700-verdächtig ansahen und so kam es ja dann auch.

MR: Das härteste Programm auf dem Schachbrett wird zweifelsohne Levon Aronian haben. Zwei Weltmeisterschaften und noch das stets mit starken Spielern gespickte Standard Simultan an 40 Brettern werden ihm Einiges abverlangen. Ist bei so viel Engagement nicht eine baldige Chess Tigers-Ehrenmitgliedschaft schon obligatorisch?

HWS: Meinen hohen Respekt besitzt Levon heute schon, weil er zweimal bereits das FiNet Open gewonnen hat. Beim ersten Versuch, den Thron zu erklimmen scheiterte er noch an Peter Svidler, qualifizierte sich aber, ohne zu murren, ein zweites Mal im Open und konnte dann im Match gegen selbigen Peter Svidler den Chess960-Weltmeistertitel gewinnen. Vor zwei Jahren verteidigte er den Titel in einem die Zuschauer elektrisierenden Finale gegen Anand im Tiebreak. Allein für diese Leistung hätte er schon die Ehrenmitgliedschaft verdient, die wir ihm sicher irgendwann verleihen werden. Levon Aronian haben wir bewusst dieses Jahr zum Hauptakteur gemacht, damit er auch sieht, dass wir ihm als Magnet für die Zuschauer vertrauen. Die Nr.3 der Welt wird das gelassen sehen, der Simultangeber nach der Pressekonferenz und vor dem Championsdinner zu sein. Bei der Chess960-WM wird er sicher keine vorbereiteten Neuerungen verpulvern müssen und dann kommt es zum „Showdown“ gegen Anand bei der GrenkeLeasing Rapid World Championship. Aber ich warne die beiden Favoriten, die doppelten „N“, Naiditsch und Nepomniachtchi, in der Qualifikation zu unterschätzen.

 

MR: Nicht nur die Turniere am Abend auch die Open werden mit 20 Minuten Bedenkzeit und einem Bonus von 5 Sekunden pro Zug gespielt. Dazu benötigen Sie nicht nur eine riesige Menge an Digitaluhren, es besteht auch immer die Gefahr, dass eine einzelne Partie den weiteren Ablauf verzögert. Warum dennoch dieser Aufwand? Einfacher wäre doch beispielsweise 25+0, oder?

HWS: Unser Turnierleiter Hans-Dieter Post hat die im letzten Jahr erstmals eingesetzte „Open-Maschine“ so entwickelt, dass wir unmittelbar nach Eingabe des letzten Ergebnisses sofort auslosen können und damit die Paarungen an den großen Projektionswänden über der Bühne rollierend sofort den Teilnehmern anzeigen. Ohne Papier einzusetzen und ohne Systembrüche zwischen Turnieradministration und Live-Übertragung einkalkulieren zu müssen, hatten wir letztes Jahr bei der Spielzeit 20min/5s eher das „Luxusproblem“, die Pausen zwischen den Runden zu verlängern, anstatt sie verkürzen zu müssen. Menschen brauchen auch mal eine vernünftige Pause zwischen den Runden. Dass die wenigen lange spielenden Teilnehmer in einer Runde gleich wieder ans Brett müssen, liegt in der Natur der Dinge und wird ohne Beschwerde als selbstverständlich hingenommen. Wenn man mit der Bedenkzeit 25min/0s spielt, steigt nur der Schiedsrichterbedarf gewaltig an und die Übertragungstechnik streikt öfters mal, wenn die Figuren „fliegen“ oder die Figuren nicht exakt gesetzt werden. Mit der besten Schachuhr auf dem Markt, der „DGT XL“ von unserem Primepartner DGT zu spielen, die auch bei Weltmeisterschaften, Großmeisterturnieren und in der Schachbundesliga eingesetzt werden, ist doch obligatorisch bei einem Weltklasseturnier oder?

MR: Der Modus der Weltmeisterschaften und der Qualifikation in den Open bleibt also gleich, wo bleibt da die logische Weiterentwicklung „höher, weiter, schneller“?

Der Event Chess Classic ist vom sportlichen Wert, von der Einmaligkeit und vom dualen Erlebniskonzept „Lernen und Spielen“ völlig ausgereift. Jetzt gilt es, konsequent und nachhaltig die Services für den einzelnen Teilnehmer und Zuschauer - oft beides in einer Person -, den interessierten Familien aus leidenschaftlichen Schachspielern und deren begleitenden Mitgliedern sowie den Sponsoren und ihren Kunden, Partnern, Freunden und Mitarbeitern zu verbessern.

MR: Wie soll denn das funktionieren? Das kommt doch eher der Quadratur des Kreises nahe …

HWS: Wir haben vor gut drei Jahren neben den üblichen Informationen für Experten mit den leichtverständlichen Informationen für Schachlaien begonnen. Mit der ständigen Evaluierung der Partien durch ein Schachprogramm gelang es uns, die Interessierten sowohl über den Spielverlauf als auch über den momentanen Spielstand zu informieren. Digitale Ziffern zeigen den einfachen Spielstand an mit der Beantwortung der Frage „Wer steht besser?“. + (Plus) bedeutet, Weiß steht besser, +2 bis +3 bedeutet, Weiß steht auf Gewinn und bei über +3 steht Weiß klar auf Gewinn. Die mit – (Minus) erscheinenden Werte sagen das Gleiche für Schwarz aus. Die Darstellung der einzelnen Werte vom ersten bis zum letzten Zug in einem Balkendiagramm des Koordinatensystems zeigt auf dem Bildschirm den kompletten Spielverlauf an. Damit gelingt uns Folgendes: Der „Laie“ versteht den Stand in der Partie, ohne seinen Begleiter „Experte“ störend zu befragen und beide sind zufrieden. Damit haben wir den Interessentenkreis, bei einer Schachpartie zuzuschauen, von 100.000 organisierten Vereinsspielern auf 20.000.000 in Deutschland vergrößert – Faktor 200, nicht so  schlecht!



MR: Konkret, was erwartet uns Neues bei der kommenden Chess Classic?

HWS: Wir haben unsere Test- und Akzeptanzphase mit Erfolg und gutem Feedback der Besucher beendet und sind erstmals für die Chess Classic Mainz 2009 mit der Firma ChessBase aus Hamburg eine Medienpartnerschaft eingegangen, um nicht nur bei der Veranstaltung vor Ort, sondern auch im Internet dieselbe Leistung anzubieten, und um somit in den Bereich der kommerziellen Portale der bekanntesten Medien vorzudringen. Neu dabei ist, dass die stärksten Schachprogramme Deep Rybka 3 und Deep Fritz 11 permanent die laufenden Partien evaluieren und den Schachlaien und -experten die einfachen Informationen vermitteln. Jeder kann sich dann bei der Chess Classic seine eigenen Wünsche erfüllen.

MR: Wie würden Sie jemandem, der noch nie bei der Chess Classic war, beispielhaft erklären, wie dieses Wunschkonzert funktioniert?

HWS: Am besten ist es, das vor Ort selbst auszuprobieren, aber gut, ich versuche, es zu beschreiben. Die große Rheingoldhalle mit den Spielern live auf der Bühne ist das „Silent Auditorium“. Hier geht es quasi atemlos und sehr still zu und alle Sinne werden bei den meisten Zuschauern befriedigt. 1. der Puritaner setzt sich ohne jegliche Hilfsmittel hin und genießt ohne weitere Informationen das Spiel, 4-5 Meter große Projektionen der Partien und die direkte Sicht zu den Spielern genügen ihm. 2. der Experte lauscht zusätzlich via Ear-Clip den im Dialog kommentierenden zwei Großmeistern und 3. der Laie nimmt die leicht verständlichen Informationen an den separaten Monitoren mit den Bewertungsanzeigen in Anspruch. So bekommt jeder das angeboten, was er möchte, zugeschnitten auf seine Bedürfnisse und seine Kenntnisse im Schach. Eintritt am Abend € 8,-, ermäßigt € 5,- und bei allen Open-Teilnehmern ist der Eintritt im Startgeld inklusive.

Im Rheinfoyer - außerhalb des strikten Sprechverbots - kann der geneigte Zuschauer sich vor die fünf Monitore setzen, welche die zwei Partien, die Bewertungen der Partien und das Live-Bild der Bühne mit den Spielern zeigen und ungestört genießen. Ebenso kann man beim „Public Viewing“ das Gleiche inklusive Live-Kommentator eines weiteren Großmeisters verfolgen, dabei diskutieren mit Freunden und Großmeistern, sich Snacks und Drinks von der Bar gönnen, am Bücherstand von Schach Niggemann stöbern oder sich am Shop der Chess Tigers mit Informationen oder Merchandisingartikel versorgen. Im Übrigen ist das Rheinfoyer mit dem „Public Viewing“ eintrittsfrei, die Chess Tigers wollen damit auch ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden.

Die Krönung des Genießens erfährt man dann beim „Gourmet Viewing“ im Goldsaal „A“ des Hilton Mainz. Bei landesspezifischen Speisen und Getränken, - in diesem Jahr soll die Tagesfolge böhmisch, badisch, elsässisch, amerikanisch, asiatisch und rheinhessisch sein -, können die Gäste die Partien genauso verfolgen wie beim „Public Viewing“. Der Großmeisterkommentar ist in diesem kleinen und geschlossenen Kreis viel individueller in der Gestaltung mit Geschichten weit über den Standard hinaus natürlich obligatorisch. Der Höhepunkt an jedem Abend ist, wenn die Top-Spieler nach der nebenan stattgefundenen Tagespressekonferenz in den Gourmet Club kommen, egal ob sie gewonnen oder nicht gewonnen haben. Die Zusammenkunft am Abend bringt die Top-Spieler mit Begleitung, die Sponsoren mit Kunden, die Presse, die Organisatoren und Schachgenießer wie Du und ich zusammen. Das Vergnügen kostet € 39,- alles inklusive am Abend.

 

Das Ambiente und die Funktionalität des Veranstaltungsortes sind unseres Erachtens optimal für kombinierte Teilnehmer und Zuschauer orientierte Turniere. „Vom Bett zum Brett“ nicht mehr als 150 Meter im gleichen Gebäudekomplex Rheingoldhalle und Hilton Mainz. Die permanente Möglichkeit, auf den Rhein mit den ruhig vorbei gleitenden Schiffen, zu sehen, hilft besonders nach verlorenen Schnellschachpartien seine Mitte wiederzufinden. Das ambivalente Zusammenspiel von Weltklasse und Kreisklasse ist in unserer Veranstaltung ohne Gleichen weltweit. Unser Kinder Club bietet die Familien gerechte Voraussetzung, während der Open selbst zu spielen, wobei die Kinder von 10:00 Uhr morgens bis 18:00 Uhr abends fachlich gut betreut sind. Ein wunderbares Beispiel für die Nutzung unseres Angebots ist: Oma, Opa, Mama, Papa, Enkel und Enkelin kommen für ein langes Wochenende von Donnerstag bis Sonntag nach Mainz, wohnen im Hilton, Opa und Oma shoppen in der nur 300 Meter entfernten City, besuchen die Sehenswürdigkeiten der über 2000 Jahre alten Stadt Mainz oder wandern einfach vergnüglich am Rhein entlang, die beiden 4- und 6-jährigen Enkelkinder gehen in den Kinder Club und die berufstätigen Eltern können endlich mal ungestört sich in den Open austoben. Abends schaut man bei den Top-Spielern in der Rheingoldhalle oder im Rheinfoyer zu oder trifft sich im Gourmet Club. Das heißt für uns Chess Tigers, von 10:00 Uhr morgens bis 24:00 Uhr nachts, Chess Entertainment und Schacherlebniskultur pur mit hohen Standards bei Teilnehmer- und Zuschauerservices anzubieten.

MR: Das Konzept scheint schlüssig zu sein, aber gibt es auch genügend Interessierte die diese Services annehmen wollen und mit wie vielen Leuten kann man dieses Angebot halten? Da braucht man doch schon einen Zweischichtbetrieb, oder?

HWS: Das Geheimnis der Leistungskraft des Chess Classic Teams liegt in der Kompetenz jedes Einzelnen und dem gemeinsamen Bewusstsein: „Wir wollen die Besten sein“ und „Das Team ist der Star“. Dazu kommen unser klares Bekenntnis zur Kundenorientierung und unser Anspruch, uns jedes Jahr zu verbessern, innerhalb jedes Einzelnen und ganzheitlich als Team, natürlich auch durch Integration neuer Mitglieder. Die Arbeit innerhalb der 60-64 Leute umfassenden Mannschaft wird eines Teils in der ganzjährigen Vorbereitung planerisch geleistet und dann in der 7-tägigen Realisierung im Congress Centrum Mainz präzise und kundenfreundlich umgesetzt. Ideal-typisch wäre es, wenn wir jede Position doppelt besetzen könnten, aber einige Schlüsselpositionen sind einfach noch nicht mit einem Backup zu versehen.

Als Beispiele gebe ich mal die Position des technischen Turnierleiters Hans-Dieter Post und des Live-Chefs Thilo Gubler an sowie das Zusammenwirken von beiden! Wenn Sie einen Meldeschluss um 12:15 Uhr haben und um 12:30 Uhr pünktlich, und das ist unser Anspruch, das ORDIX Open von über 750 Teilnehmern mit der 1. von 5 Runden am Nachmittag anfahren wollen, dann müssen Sie Kompetenzen und Typen im Team haben, die das nicht nur organisatorisch und technisch bewerkstelligen können, sondern auch nervlich aushalten. Ohne Erfahrung und Coolness der operativ Wirkenden, beziehungsweise der Entscheidungsträger ist die Aufgabe nicht lösbar. Aber wir haben ja schon einen 15-jährigen Erfahrungsschatz bei alljährlichem intensivem Training. Auch in anderen Bereichen, wie Internet & Vernetzung, Anmeldung, Turnierleitung, Materialverwaltung, Ergebniserfassung, Schiedsrichtereinsatz, Informationsmanagement, Werbung, Merchandising, Kinder Club, Selbstverpflegung, Kommentierung, Spielerbetreuung, Pressarbeit national und international, Hotelkoordination, Websitebetrieb und -redaktion wird höchst kompetent und nachhaltig gearbeitet.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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