Der Sieg von Sergei Kalinitschew bei den vergangenen Deutschen Meisterschaften in Lübeck kam etwa überraschend. Zwar war der gebürtige Moskauer einer von zwei Großmeistern im Feld. Aber eigentlich galt der junge Rasmus Svane mit seiner deutlichen höheren Elozahl als Favorit auf den Titelgewinn. Stattdessen setzte sich der immerhin schon 60-jährige Kalinitschew durch. Für der aktuelle Dezember-Ausgabe von Schachmagazin 64 führte Hartmut Metz ein Interview mit dem neuen Deutsche Meister.
Kalinitschew kam einst im Zuge seiner Wehrpflicht für die Rote Armee in die frühere DDR und bleib dort. Der Titelgewinn bei den Deutsche Meisterschaften ist sein bisher größter Erfolg nach einem dritten Platz bei den Deutschen Meisterschaften 2004. Kalinitschew hatte sich vor dem Turnier immerhin eine Gewinnchance von 25% ausgerechnet, doch in einige Partien ließ er bessere Möglichkeiten aus: "Ich habe immer mal für zehn oder 15 Minuten Aussetzer," räumt der neue Deutsche Meister selbstkritisch ein. "Da spiele ich 'scheiße'". In der letzten Runde war eigentlich Rasmus Svane auf Titelkurs, schätzte die Position am Brett von Kalinitschew als remis ein, was ihm den Titel gebracht hätte, und unternahm selber keine Gewinnanstrengungen mehr. Doch dann kippte die Partie von Kalinitschew zu dessen Gunsten.
Preisgeld gab es diesmal keines, was Kalinitschew, der zur Zeit im Bundesfreiwilligendienst beschäftigt ist und zuvor als Altenpfleger gearbeitet hat, aber diesmal nicht tragisch findet. Vor zwanzig Jahren hatte Sergey Kalinitschew jedoch eine unfreiwillige Nebenrolle im berühmten "Allwermann-Fall". Beim Open in Böblingen 1997 hatte der Amateur Clemens Allwermann mit Hilfe einer Funkausrüstung, einem Freund im nahe gelegenen Hotelzimmer und einem mitrechnenden Fritz-Schachprogramm einige Großmeister besiegt und gegen Kalinitschew ein "Matt in acht Zügen" angekündigt und seinen Gegner damit ums Preisgeld gebracht. Diese Erfahrung ging dem Betrogenen noch lange durch den Kopf: "Ja, das ist belastend. Manchmal spiele ich gegen einen, der macht einen guten Zug. Sofort schießt Dir in den Kopf: Der betrügt! Das ist wie eine Paranoia."
In seinem Beitrag berichtet Hartmut Metz auch ausführlich von den bei den Deutschen Meisterschaften durchgeführten Dopingproben. Er selbst wurde kontrolliert. Vor der Urinabgabe muss der Sportler jeweils schriftlich angeben, welche Medikamente er kürzlich eingenommen hat. Für einen Schachsportler keine Routine: "Ich verschweige verschämt, dass ich ein „Ovo“-Junkie bin, wie der Schweizer sagt. Die morgendliche Ovomaltine führe ich mir jeden Morgen beim Frühstück oral zu – außer hier bei der deutschen Meisterschaft, wo Kaffee kein adäquater Ersatz ist für mein Aufputschmittel. Schließlich enthält dieser doch nicht wie der Malztrunk das Vitamin B12! Besonders wichtig, weil ich so viel erfolgreicher die Caro- Kann-Variante (Eröffnungs-Kennziffer B12!) mit Schwarz zu spielen vermag ... "
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