Im Schachjahr 2005 sorgte neben Weselin Topalow, der
FIDE-Weltmeister wurde, und Sergej Rublewski, der die russische
Landesmeisterschaft gewann, der Armenier Levon Aronian als Weltcupgewinner für
die meisten Schlagzeilen. Nach seiner Superleistung wurde der 23-jährige
Großmeister in seiner Heimat zum Sportler des Jahres gewählt. In der absoluten
Weltspitze angekommen, merkt Aronian nun, dass die Luft dort etwas rauer ist.
Derzeit bekommt der Wahlberliner vom Bundesligisten SC Kreuzberg diesen Wind in
Wijk aan Zee zu spüren. Aber er schlägt sich bisher wacker. Zur Halbzeit des
Turniers sprach Dagobert Kohlmeyer in der De Moriaan Halle mit Levon Aronian.
Levon, noch einmal herzlichen Glückwunsch zum Gewinn
des FIDE- Weltcups! Was war das für ein Gefühl, in Sibirien triumphiert zu
haben?
Ich war einfach sehr zufrieden. Mein Sieg überraschte mich
selbst, denn das hatte ich nicht unbedingt eingeplant. Ich dachte, dass ich
eher nach Hause fahren würde und mehr Zeit zum Training hätte.
Wie hast du den Erfolg gefeiert?
Ich fuhr erst einmal nach Armenien, um in Jerewan mit
meinem Großvater Sarkis den Jahreswechsel zu begehen. Er ist 89 Jahre alt und
braut einen hervorragenden Wodka. Der ist ganz speziell und schmeckt
ausgezeichnet. Und das Bemerkenswerteste: Großvater versteht es so zu trinken,
dass er davon nicht benebelt wird.
Danach begann die Vorbereitung auf Wijk aan Zee?
Zu Hause in Armenien war praktisch keine Zeit. Ich wurde
viel eingeladen und in meinem Land - genau wie Weselin Topalow in Bulgarien -
zum Sportler des Jahres gewählt. Erst am 8. Januar, also kurz vor dem
Turnierbeginn, flog ich nach Berlin, wo ich derzeit wohne. Hier in Wijk aan Zee
unterstützt mich mein Landsmann Gabriel Sargisjan als Sekundant. Er ist auch
Mitglied unseres Nationalteams.
Wie spielt es sich in der Premierligue bzw. in der
obersten Etage des Weltschachs?
Es ist anders, ganz klar. Schon die Partie zum Auftakt
gegen Wassili Iwantschuk zeigte, dass meine Nerven flatterten. Meine Stellung
war eigentlich gut, aber im einem Moment habe ich fehl gegriffen und Lehrgeld
zahlen müssen.
Worin besteht der Unterschied zu anderen GM-Turnieren?
Die Gegner hier sind einfach stärker. Sie setzen einem zu
wie Raubtiere. Das kannte ich in dieser Intensität noch nicht. Du machst Züge,
aber sie halten voll dagegen. Mit der Zeit gewöhne ich mich aber an den
größeren Druck.
... und du hast hier gegen Kamsky auch das erste Tor
erzielt.
Das Spiel gegen Gata war schwer genug. Er büßte einen
Bauern ein, und ich dachte, dass ich leicht gewinne. Doch Kamsky hat sich so
zäh verteidigt, dass er die Partie beinahe zum Remis geführt hätte. Ich gewann
am Ende nur durch glückliche Umstände.
Um Erfolg zu haben, braucht man eben auch Glück.
Ja, wie in der fünften Runde gegen Mickey Adams. Ich
konnte mich dort im Damenendspiel mit zwei Minusbauern ins ewige Schach
flüchten. Als ich den rettenden Zug mit der Dame nach e3 gefunden hatte, war
ich sehr froh.
Du hast in der Weltrangliste einen gewaltigen Sprung
nach oben gemacht. Bekommst du jetzt mehr Einladungen?
In der Tat. Ich spiele in Linares und Mexiko und soll auch
im Mai beim Superturnier in Sofia starten. Aber diese Offerte von Silvio
Danailow muss ich wohl schweren Herzens ablehnen.
Warum das denn?
Das M-tel Masters fällt leider am Ende mit der
Schacholympiade in Turin zusammen, die am 20. Mai beginnt.
Kannst du dort nicht etwas später einsteigen?
Eigentlich nicht. Die Olympiade ist ganz klar ein
Prestigeturnier für unsere Nation, und ich möchte meinem ehrgeizigen Team von
Beginn an zur Verfügung stehen. Das ist für mich eine Sache der Ehre.
Verstehe, du hast deine Prinzipien. Was begeistert dich
am meisten am Schach?
Die Möglichkeit, ein großartiges Spiel zu betreiben und
damit auch noch Geld zu verdienen. Darum ist es mein geliebter Beruf geworden.
Geld ist für dich doch nicht so wichtig, diese Aussage
von dir konnte man jedenfalls nach dem Turnier in Khanty-Mansisk lesen. Ist das
tatsächlich so?
Das stimmt. Meine nicht unerhebliche Börse vom Weltcup
(80 000 Dollar) habe ich zum Beispiel der Familie zur Verfügung gestellt. Wir
halten fest zusammen. Fast alle wohnen in Berlin: Meine beiden Eltern, meine
Schwester mit ihrem Mann und ihren zwei wunderbaren kleinen Kindern. Ich
unterstütze sie gern.
Respekt. Das würde nicht jeder in diesem Umfang tun. -
Noch einmal zum Turnier in Holland: Du spielst zum ersten Mal in Wijk aan Zee.
Wie sind deine Eindrücke?
Ich finde das Schachfestival großartig. Es ist wohl
einmalig in der Welt, was die Holländer hier seit Jahrzehnten auf die Beine
stellen. Und was das Wetter angeht, so stört es mich überhaupt nicht. Jeden
Abend gehen mein Sekundant und ich mit Vergnügen eine Runde an der frischen
Luft spazieren.
Danke für das Gespräch, Levon und weiterhin viel
Erfolg!
Texte und Fotos: Dagobert Kohlmeyer