Interview mit Levon Aronian: "Sie sind wie Raubtiere!"

von ChessBase
22.01.2006 – Levon Aronian hat in letzter Zeit einen kometenhaften Aufstieg hinter sich, der durch seinen Sieg beim FIDE-Worldcup und die Qualifikation zu den Kandidatenwettkämpfen gekrönt wurde. Aber selbst für den aktuellen Fünften der Weltrangliste ist das Corusturnier eine besondere Herausforderung. "Die Gegner hier sind einfach stärker. Sie setzen einem zu wie Raubtiere. Das kannte ich in dieser Intensität noch nicht. Du machst Züge, aber sie halten voll dagegen," charakterisiert der Aronian die Intensität dieses Turniers. Nach dem Turnier in Wijk wird Aronian auch in Merida/Linares mitspielen, musste aber eine Einladung zum M-tel Masters schweren Herzens ablehnen, weil ihm die Teilnahme an der Schacholympiade in Turin wichtiger ist und die beiden Termine sich überschneiden. Dagobert Kohlmeyer führte ein Interview mit dem in Berlin lebenden Armenier. Mehr...

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Geld ist nicht so wichtig, aber der Titel „Sportler des Jahres!“
Interview
mit Levon Aronian
Von Dagobert Kohlmeyer

Im Schachjahr 2005 sorgte neben Weselin Topalow, der FIDE-Weltmeister wurde, und Sergej Rublewski, der die russische Landesmeisterschaft gewann, der Armenier Levon Aronian als Weltcupgewinner für die meisten Schlagzeilen. Nach seiner Superleistung wurde der 23-jährige Großmeister in seiner Heimat zum Sportler des Jahres gewählt. In der absoluten Weltspitze angekommen, merkt Aronian nun, dass die Luft dort etwas rauer ist. Derzeit bekommt der Wahlberliner vom Bundesligisten SC Kreuzberg diesen Wind in Wijk aan Zee zu spüren. Aber er schlägt sich bisher wacker. Zur Halbzeit des Turniers sprach Dagobert Kohlmeyer in der De Moriaan Halle mit Levon Aronian. 

Levon, noch einmal herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des FIDE- Weltcups! Was war das für ein Gefühl, in Sibirien triumphiert zu haben? 

Ich war einfach sehr zufrieden. Mein Sieg überraschte mich selbst, denn das hatte ich nicht unbedingt eingeplant. Ich dachte, dass ich eher nach Hause fahren würde und mehr Zeit zum Training hätte. 

Wie hast du den Erfolg gefeiert? 

Ich fuhr erst einmal nach Armenien, um in Jerewan mit meinem Großvater Sarkis den Jahreswechsel zu begehen. Er ist 89 Jahre alt und braut einen hervorragenden Wodka. Der ist ganz speziell und schmeckt ausgezeichnet. Und das Bemerkenswerteste: Großvater versteht es so zu trinken, dass er davon nicht benebelt wird.  

Danach begann die Vorbereitung auf Wijk aan Zee? 

Zu Hause in Armenien war praktisch keine Zeit. Ich wurde viel eingeladen und in meinem Land -  genau wie Weselin Topalow in Bulgarien -  zum Sportler des Jahres gewählt. Erst am 8. Januar, also kurz vor dem Turnierbeginn, flog ich nach Berlin, wo ich derzeit wohne. Hier in Wijk aan Zee unterstützt mich mein Landsmann Gabriel Sargisjan als Sekundant. Er ist auch Mitglied unseres Nationalteams. 

Wie spielt es sich in der Premierligue bzw. in der obersten Etage des Weltschachs? 

Es ist anders, ganz klar. Schon die Partie zum Auftakt gegen Wassili Iwantschuk zeigte, dass meine Nerven flatterten. Meine Stellung war eigentlich gut, aber im einem Moment habe ich fehl gegriffen und Lehrgeld zahlen müssen. 

Worin besteht der Unterschied zu anderen GM-Turnieren? 

Die Gegner hier sind einfach stärker. Sie setzen einem zu wie Raubtiere. Das kannte ich in dieser Intensität noch nicht. Du machst Züge, aber sie halten voll dagegen. Mit der Zeit gewöhne ich mich aber an den größeren Druck. 

... und du hast hier gegen Kamsky auch das erste Tor erzielt. 

Das Spiel gegen Gata war schwer genug. Er büßte einen Bauern ein, und ich dachte, dass ich leicht gewinne. Doch Kamsky hat sich so zäh verteidigt, dass er die Partie beinahe zum Remis geführt hätte. Ich gewann am Ende nur durch glückliche Umstände.  

Um Erfolg zu haben, braucht man eben auch Glück. 

Ja, wie in der fünften Runde gegen Mickey Adams. Ich konnte mich dort im Damenendspiel mit zwei Minusbauern ins ewige Schach flüchten. Als ich den rettenden Zug mit der Dame nach e3 gefunden hatte, war ich sehr froh. 

Du hast in der Weltrangliste einen gewaltigen Sprung nach oben gemacht. Bekommst du jetzt mehr Einladungen? 

In der Tat. Ich spiele in Linares und Mexiko und soll auch im Mai beim Superturnier in Sofia starten. Aber diese Offerte von Silvio Danailow muss ich wohl schweren Herzens ablehnen. 

Warum das denn? 

Das M-tel Masters fällt leider am Ende mit der Schacholympiade in Turin zusammen, die am 20. Mai beginnt. 

Kannst du dort nicht etwas später einsteigen? 

Eigentlich nicht. Die Olympiade ist ganz klar ein Prestigeturnier für unsere Nation, und ich möchte meinem ehrgeizigen Team von Beginn an zur Verfügung stehen. Das ist für mich eine Sache der Ehre. 

Verstehe, du hast deine Prinzipien. Was begeistert dich am meisten am Schach? 

Die Möglichkeit, ein großartiges Spiel zu betreiben und damit auch noch Geld zu verdienen. Darum ist es mein geliebter Beruf geworden. 

Geld ist für dich doch nicht so wichtig, diese Aussage von dir konnte man jedenfalls nach dem Turnier in Khanty-Mansisk lesen. Ist das tatsächlich so?

Das stimmt. Meine nicht unerhebliche Börse vom Weltcup  (80 000 Dollar) habe ich zum Beispiel der Familie zur Verfügung gestellt. Wir halten fest zusammen. Fast alle wohnen in Berlin: Meine beiden Eltern, meine Schwester mit ihrem Mann und ihren zwei wunderbaren kleinen Kindern. Ich unterstütze sie gern. 

Respekt. Das würde nicht jeder in diesem Umfang tun. - Noch einmal zum Turnier in Holland: Du spielst zum ersten Mal in Wijk aan Zee. Wie sind deine Eindrücke? 

Ich finde das Schachfestival großartig. Es ist wohl einmalig in der Welt, was die Holländer hier seit Jahrzehnten auf die Beine stellen. Und was das Wetter angeht, so stört es mich überhaupt nicht. Jeden Abend gehen mein Sekundant und ich mit Vergnügen eine Runde an der frischen Luft spazieren. 

Danke für das Gespräch, Levon und weiterhin viel Erfolg!

Texte und Fotos: Dagobert Kohlmeyer

 

 

 

 

 


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