Interview mit Merijn van Delft

von André Schulz
25.06.2020 – Merijn van Delft gibt seit vielen Jahren Schachtraining, auch in Videoshows bei ChessBase, und hat jetzt ein interessantes Buch zum Thema "Positionelles Opfer" veröffentlicht. Im Interview gibt er Auskunft über sich und seine Arbeiten.

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Kann man sagen, dass du Schachprofi bist?

Ja auf jeden Fall. Ich lebe vom Schach, aber nicht als Spieler, sondern als Trainer, Coach, Autor, Organisator, und als Präsentator. Bei ChessBase habe ich eine wöchentliche Show beispielsweise.

Als Trainer führst du die Tradition deines Vaters fort…

Als ich klein war, waren mein Vater und ich neu in der Schachwelt. Als ich einfach alles gespielt habe was ich konnte, hat mein Vater sich für Psychologie und Didaktik interessiert. Er hat bei uns in Apeldoorn die lokale Schachkultur auf eine höheres Niveau gehoben und hat sich immer gefragt, wie man sich weiterentwickeln kann. Nicht nur als Schachspieler, sondern auch menschlich. Als ich etwa 14 Jahre war, habe ich dann auch zum ersten Mal Schachunterricht gegeben und als ich mit 18 Jahren nach Amsterdam gezogen bin zum Studieren, stand mein eigene Schachkarriere schon nicht mehr im Vordergrund. Unsere Erfahrungen aus diesen frühen Zeiten haben wir gemeinsam in unseren Buch Developing Chess Talent beschrieben.

Jetzt hast du ein neues Buch veröffentlicht, über positionelle Opfer: „Mastering Positional Sacrifices“. Warum nicht über eine Eröffnung. Eröffnungsbücher verkaufen sich doch viel besser?

Ich beschäftige mich auch gerne mit Eröffnungstheorie, weil Strategie mich im allgemeinem sehr interessiert. Insbesondere positionelle Opfer, das ist ein faszinierendes und immer wichtigeres Thema im modernen Schach. Das hängt für mich alles zusammen. Ich freue mich natürlich, wenn sich das Buch oft verkauft, aber das war nicht die Motivation beim Schreiben. Ich wollte unbedingt mal systematisch festhalten, was ich zu dem Thema weiß.

Merijn van Delft

Wie lange hast du daran gearbeitet?

Ich sammele seit Jahrzehnten schöne Partiebeispiele und im vergangenen Sommer habe ich dann die Struktur vom Buch konkret  ausgearbeitet. Als die Struktur einmal stand, dauerte das Schreiben nur ein paar Monate. Das ging schon um Einiges flotter als damals die  Abschlussarbeit an der Uni!

Ganz kurz: Der Unterschied zwischen positionellem und taktischem Opfer…?

Taktische Opfer sind auf schnellen Erfolg angelegt, meist um gegen den König zum Mattangriff zu kommen. Die positionellen Opfer haben eine langfristige Wirkung. Für das materielle Opfer erhält man dauerhaft bestimmte andere Vorteile, wie gute Figuren, eine gute Bauernstruktur oder Kontrolle über bestimmte wichtige Felder.

Wie entstand die Idee, aus deinem Interesse für das Thema ein Buch zu machen?

Ich habe bei New in Chess angefragt, ob der Verlag sich das vorstellen könnte. Allard Hoogland war sofort interessiert und meinte, klar, komm vorbei, dann besprechen wir das. Mein Lektor wurde dann Peter Boel, und da er ein alter Freund aus Apeldoorn ist, war die Zusammenarbeit mit New in Chess sehr angenehm. Allard und Peter haben sich ab und zu gemeldet mit einer Idee und ansonsten habe ich einfach mein Ding durchgezogen, also ideal.

Wie ist das Buch aufgebaut?

Das Buch ist 300 Seiten stark, enthält in den ersten neun Kapiteln 115 beispielhafte Musterpartien und im 10. Kapitel zusätzlich 48 Aufgaben. Bei der Konzeption ging es mir darum, eine klare Struktur zu schaffen, die es dem Leser ermöglicht, das Thema und die verschiedenen Motive, in denen es vorkommt, systematisch zu erfassen und zu lernen. Die ersten vier Kapitel sind praktisch ein Grundkurs in positionellen Opfern. Dann wird es anspruchsvoller und es werden verschiedene Opfer behandelt, die zum Standard geworden sind, zum Beispiel das Benkö/Wolga-Gambit und das Sizilianische Qualitätsopfer. Dieses wird im Zweiten Teil, den Kapiteln fünf und sechs, behandelt. Der dritte Teil ist besonders spannend. In den Kapiteln sieben bis neun habe ich untersucht, wie weit man mit positionellen Opfern gehen kann.  Auch die neuartige Interpretation solcher Opfer durch die Supermaschinen und Engines habe ich in einem Kapitel vorgestellt.

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Meist kommen die Schachmotive in den Partien ja nicht in reiner Form vor. Oft gibt es Nebenmotive, die den klaren Blick auf das Hauptthema verstellen. Wie bist du da vorgegangen?

Das Hauptmotiv muss in den Musterpartien klar erkennbar sein. Im Zweifel habe ich solche unklaren Partien weggelassen. Klar ist der Praxis immer komplizierter, aber es geht erstmal darum, zu lernen welchen Themen es überhaupt gibt, möglichst in klarer Form.

Wie hast du die Musterpartien gefunden?

Im Laufe der Zeit habe ich aus meinem Interesse heraus viele Musterpartien mit positionellen Opfern gesammelt. Meine Mannschaftskollegen und Schachfreunde kennen meine Leidenschaft und wenn sie eine schöne Musterpartie gesehen haben, schicken sie mir diese zu. Aus dieser Sammlung habe ich dann geschöpft.

Hast du viele Klassiker ausgewählt?

Es gibt natürlich einige Klassiker zu bestimmten Motiven, an denen man einfach nicht vorbeikommt. Meine Intention war es aber, dazu nicht so bekannte Musterpartien auszuwählen, darunter durchaus auch ältere Partien. Einige Klassiker, zum Beispiel die berühmte Partie Reshevsky-Petrosian, Zürich 1953, mit dem Qualitätsopfer, wurde schon so oft publiziert, dass ich daraus lieber eine Aufgabe gemacht habe.

Hier ist ein Partiebeispiel, das ich sehr lehrreich fand.

 

Mit welchen technischen Hilfsmitteln hast du gearbeitet?

Das Buch ist komplett mit dem ChessBase-Programm geschrieben. Ich habe alle Musterpartien sehr intensiv mit den Cloudversionen von Leela und Stockfish untersucht und geprüft. Alle Stellungsbeurteilungen und Varianten sind also maschinell überprüft. Die ChessBase Engine Cloud ist in dieser Hinsicht ein fantastisches Hilfsmittel. Die Nutzung der Engines von anderen Schachfreunden auf deren Supermaschinen kostet ein paar Dukaten, aber man kommt sehr schnell zu zuverlässigen Ergebnissen.

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Warum zwei Engines?

Die Architekturen der beiden Engines sind ja sehr unterschiedlich. Leela - man könnte auch FatFritz nehmen, das ist im Prinzip das Gleiche - vermittelt sehr schnell eine stimmige Grundeinschätzung. Das Programm ist in seinem Urteil sehr stabil. Es gibt aber bisweilen blinde Flecken im taktischen Bereich. Hier hilft dann Stockfish beim Blundercheck. Aber: Diese Varianten habe ich zum großen Teil nicht in dem Buch abgedruckt. Stattdessen habe ich die Opfermotive und die Bedingungen, unter denen sie in den verwendeten Beispielpartien funktionieren, mit Worten erklärt. Es ging mir darum, selber genau zu verstehen, worum es geht, und diese Erkenntnis dem Leser in einer genießbaren Form weiterzugeben. Ich erzähle die schachliche Geschichte der jeweiligen Partie.

Du bist ein bisschen ein Wanderer zwischen den Welten, in Apeldoorn/Amsterdam und in Hamburg zu Hause…

Ja, ich fühle mich hier und dort sehr wohl. Für mich sind die deutsche und die niederländische Kultur sehr verwandt. Gut, im Fußball spielen wir immer auf das andere Tor, aber eigentlich sind die kulturellen Unterschiede nicht groß.  Auch das Schach verbindet.

In Apeldoorn haben wir ein Denksportcentrum, das gibt es in allen großen niederländischen Städten. 2018 haben wir dort ein GM-Turnier gemacht und planen auch ein weiteres. Allerdings immer mit Rahmenveranstaltungen, besonders für Kinder und Jugendliche, um für das Schach zu werben. Ich bin dann ja auch noch der Turnierorganisator des Batavia-Turniers in Amsterdam.  Auch dort steht der gesellige und soziale Charakter der Veranstaltung im Vordergrund. Schach hat eine hohe Integrationsfähigkeit. Ich finde auch, dass die Schachspieler auf diesem Gebiet viel leisten.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit dem Buch.

Besten Dank.

Die Fragen stellte André Schulz

 

 

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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