ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Das folgende
Interview erscheint am 25.September im Hamburger Abendblatt. Vorabdruck mit
freundlicher Genehmigung des Hamburger Abendblattes.
PETER LEKO (25) war mit 14 Jahren der damals jüngste Schach-Großmeister der
Welt. Vom heutigen Sonnabend fordert der Ungar, momentan Nummer fünf der
Weltrangliste, den russischen Weltmeister Wladimir Kramnik (29; Nr. 3) um den
WM-Titel heraus. Das Match um eine Million Schweizer Franken (rund 670 000
Euro/bitte überprüfen) ist bis zum 18. Oktober auf 14 Partien angesetzt und wird
im Centro Dannemann in Brissago (Schweiz) gespielt. Bei einem Unentschieden
behält Kramnik die Krone. Leko, ein exzellenter Positionsspieler und
Verteidiger, wuchs mit dem Schachcomputer auf, gilt als Asket und Marathonmann
unter den Großmeistern. Leko ist seit vier Jahren verheiratet mit Sofy, der
Tochter seines Trainers Arschak Petrosjan. Deutschland war lange Zeit Lekos
schachliche und persönliche Heimat. Der Dortmunder Carsten Hensel managt ihn wie
auch Kramnik. Die Partien können im Internet live über
www.worldchesschampionship.com
verfolgt werden.
SCHACH-WM Der Ungar Peter Leko über sein Duell mit Weltmeister Wladimir Kramnik, Bobby Fischer und seine Leidenschaft für Fußball.
ABENDBLATT: Herr Leko, es gibt derzeit zwei Schachspieler, die sich Weltmeister nennen, und einen wie Garri Kasparow, der sich als bester Spieler der Welt bezeichnet. Wer ist denn nun der wahre König des Schachs?
PETER LEKO: Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Mein Gegner Wladimir Kramnik hat Kasparow in einem Match geschlagen, ohne eine Partie zu verlieren. Also sollte er der stärkste Spieler sein.
ABENDBLATT: Die schachinteressierte
Öffentlichkeit erwartet klarere Antworten.
LEKO: Ich bin dafür, die beiden WM-Titel zu
vereinigen. Mein Match gegen Kramnik ist der erste Schritt auf diesem Weg, die
andere Seite (der offizielle Weltverband FIDE, die Red.) muss dann den nächsten
Zug machen.
ABENDBLATT: Glauben Sie, dass Kasparow bei diesem
Prozess mitspielt? Er hat vor elf Jahren die Spaltung der Schachwelt aus
finanziellem Eigeninteresse vollzogen und will jetzt die Wiedervereinigung, weil
er keine andere Chance sieht, seinen Weltmeistertitel zurückzuerobern.
LEKO: Kasparow ist schwer zu durchschauen. Aber er ist immer ein hoch
interessanter Gegner auf dem Schachbrett.
ABENDBLATT: Können Sie sein Verhalten verstehen?
LEKO: Ich fällt mir schon nicht leicht, seine
Schachzüge zu verstehen. Grundsätzlich meine ich, Schachspieler sollten ihre
Auseinandersetzungen am Brett führen und nicht auf anderen Schauplätzen.
ABENDBLATT: Zuletzt aber endeten die Duelle der
Spitzenspieler meistens unentschieden. Droht dem Schachspiel der Remistod, der
ihm ja seit hundert Jahren vorausgesagt wird?
LEKO: Wenn beide Seiten keinen Fehler machen, und das kann auf höchstem Niveau
passieren, ist ein Remis das logische Ergebnis. Das gilt auch für andere
Sportarten, nicht umsonst werden Fußballspiele manchmal als Rasenschach
bezeichnet. Das sind jedoch oft taktisch und technisch hochklassige Spiele.
ABENDBLATT: Ein bisschen mehr Risiko wünschten
sich Zuschauer und Internetbesucher schon.
LEKO: Mein Match gegen Kramnik steht seit gut einem
Jahr fest. Es ist die bisher größte Herausforderung für mich. Da verschieße ich
mein Pulver nicht vorher. Trotzdem war ich auf den vergangenen großen Turnieren
der Spieler, der die meisten Partien gewonnen hat. Das Problem sind die
Eröffnungen: Viele Varianten scheinen ausgereizt. Neuerungen spart man sich für
die großen Momente auf.
ABENDBLATT: Für ein WM-Match.
LEKO: Ich verspreche ein heißes Match, da wird
Aufregendes passieren. Beide Seiten haben sich mit ihren Sekundanten monatelang
intensiv auf dieses Duell vorbereitet. Dabei sollten neue Ideen herausgekommen
sein.
ABENDBLATT: Ist das Reservoir an neuen
Möglichkeiten im Schach nicht allmählich ausgereizt?
LEKO: Es scheint mir unerschöpflich. Je härter man
arbeitet, je mehr Zeit man investiert, desto mehr neue interessante
Möglichkeiten findet man auch. Man darf nur nicht faul sein.
ABENDBLATT: Wie viel Zeit brauchen Sie im
Vergleich zu früher, als die Schachcomputer noch nicht so stark waren, um eine
neue Variante zu entwickeln?
LEKO: Das hat sich wenig geändert. Manchmal hat man einen Geistesblitz, ein
anderes Mal muss man zwei Wochen mit seinen Sekundanten hart arbeiten, um etwas
Brauchbares zu finden.
ABENDBLATT: Wie wichtig sind die Computer bei
Ihrer Vorbereitung?
LEKO: Im kreativen Bereich sind Sie nur bedingt eine
Hilfe da ist der menschliche Geist noch unerreicht , bei der technischen
Überprüfung einer Idee sind sie heute unerlässlich, weil sie bei begrenzten
Zugfolgen fehlerlos spielen. Man darf aber nicht den Fehler machen und auf die
Vorschläge des Computers warten, man sollte selbst nachdenken. Das hilft für die
Partie.
ABENDBLATT: Wäre ein Computer für Sie ein
härterer Gegner als Kramnik?
LEKO: Ein anderer, einer ohne Emotionen. Das wäre
kein sportliches Duell, sondern ein wissenschaftliches Experiment.
ABENDBLATT: Und: Wer gewinnt?
LEKO: Mit einer gezielten Vorbereitung sind die
Computer noch zu bezwingen, en passant wird es extrem schwierig.
ABENDBLATT: Die Spiele Mensch gegen Maschine haben in den vergangenen Jahren dem
Schach zu neuer Popularität verholfen. Interessiert sich auch jemand für Kramnik
gegen Leko?
LEKO: Wir sind beides junge Spieler und haben noch nicht die Bekanntheit eines
Kasparows, Karpows oder Fischer. In Ungarn wird unser Match in allen größeren
Städten öffentlich auf Leinwänden gezeigt. Und im Internet werden mehrere
Millionen regelmäßig unsere Spiele verfolgen.
ABENDBLATT: Fischer, Kasparow und Karpow waren
charismatische Weltmeister in Zeiten der Ost-West-Konflikte, die sich auch für
politische Ziele einspannen ließen. Was symbolisieren Kramnik und Leko?
LEKO: Wir sind zwei sehr starke Schach-Großmeister.
ABENDBLATT: Das ist zu wenig.
LEKO: Sie werden von mir keine abfälligen
Bemerkungen über Wladimir hören, nur damit ich das Interesse an dem Match
anheize. Das ist nicht mein Stil. Warum respektieren Sie nicht, das zwei
Weltklassespieler Schach auf höchstem Niveau spielen wollen. Das ist doch
berichtenswert.
ABENDBLATT: Für die Fachpresse. Die übrigen
Medien möchten schon ein wenig Spektakel sehen.
LEKO: Sorry. Schach auf höchstem Niveau ist
spektakulär. Warum erklären Sie Ihren Lesern nicht die Faszination des Schachs.
ABENDBLATT: Für eine breite Masse ist das Spiel
zu schwierig. Sie interessieren sich allenfalls für schräge Charaktere.
LEKO: Sie machen es sich zu einfach. Mit Verlaub,
wir sind beides Ausnahmekönner auf unserem Gebiet. Wir sind abseits des Brettes
jedoch völlig normale Menschen, und ich sehe auch keinen Grund, das zu ändern.
ABENDBLATT: Nette Menschen werden keine
Weltmeister. Bobby Fischer wollte das Ego seines Gegners zerbrechen. Was wollen
Sie?
LEKO: Mit sauberen Mittel gewinnen. Dazu bin ich fähig.
ABENDBLATT: Besitzen Sie die nötige Aggressivität für einen Zweikampf um diesen
hohen Einsatz?
LEKO: Das kann ich erst nach dem Match beantworten.
Ich denke seit Monaten nur an diesen Wettkampf meine Frau Sofia hat das
akzeptiert und unterstützt mich dabei , und ich glaube an den Sieg. Sollte ich
es nicht schaffen, bricht für mich keine Welt zusammen. Ich bin jung genug, es
weiter zu versuchen.
ABENDBLATT: Ist Kramnik Ihr Freund?
LEKO: Er ist ein Konkurrent. Wir respektieren uns.
ABENDBLATT: Sie haben den Amerikaner Bobby Fischer
kennen gelernt, als er auf seiner Flucht vor den US-Behörden in Ungarn
untergetaucht war. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?
LEKO: Das war 1998/99. Es ist eine sehr enge Freundschaft entstanden, deshalb
will ich keine Einzelheiten preisgeben. Nur so viel: Sein absoluter Siegeswille
hat mich stark beeindruckt und auch mein Spiel in den Jahren danach stark
beeinflusst.
ABENDBLATT: Haben Sie später noch Kontakt mit ihm
gehabt?
LEKO: Nein.
ABENDBLATT: Sie gelten als der körperlich fitteste
Schachspieler. Könnte das in einem engen Match ausschlaggebend werden?
LEKO: Spitzenschach bedeutet eine extreme mentale Anstrengung über vier bis
sechs Stunden. Um das drei oder vier Wochen lang auszuhalten, braucht man eine
sehr gute Kondition. Die habe ich. Jeden Tag treibe ich ein bis zwei Stunden
Sport. Für viele Großmeister-Kollegen ist das eine Last, für mich reine Lust.
Ich spiele zwei Mal in der Woche Tennis oder Squash und so oft es irgendwie geht
Fußball. Das ist meine große Leidenschaft.
ABENDBLATT: Hat der ungarische
Fußball-Nationaltrainer Lothar Matthäus bereits bei Ihnen angerufen?
LEKO: Als ich zwölf Jahre alt war, hatte ich eine
sehr schwere Entscheidung zu treffen: Will ich irgendwann Fußball- oder
Schachprofi werden. Ich galt in Ungarn als großes Fußballtalent.
ABENDBLATT: Warum haben Sie sich für Schach
entschieden?
LEKO: Weil es ein Einzelsport ist. Alles hängt von
mir ab und nicht von meinen Mitspielern. Als ich zwölf war, habe ich gespürt,
dass ich mit den besten Spielern der Welt mithalten kann. Ich habe für mich eine
klare Perspektive gesehen, beim Schach ganz nach oben zu kommen.
ABENDBLATT: Würden Sie nicht lieber in einem
Stadion laut von Zehntausenden bejubelt werden als im Internet stille
Anerkennung zu erfahren?
LEKO: Ich war oft bei Heimspielen von Borussia Dortmund im Westfalenstadion. Das
ist eine sensationelle Atmosphäre. Ein Sieg im Schach verschafft mir aber auch
ohne lautstarken Jubel tiefe Befriedigung.
ABENDBLATT: Wie gehen Sie mit Niederlagen um?
LEKO: Wichtig ist die Balance zu halten. Die
Emotionen dürfen weder nach der einen noch der anderen Seite ausschlagen, sonst
verliert man die Objektivität am Brett. Nach einer Niederlage brenne ich jedoch
die ganze Nacht auf die nächste Partie. Und oft ist mir dann am nächsten Tag
auch ein Sieg gelungen.
ABENDBLATT: Wagen Sie eine Prognose: Wie geht ihr
Match gegen Kramnik aus?
LEKO: Es wird eine ganz enge Angelegenheit. Die
Entscheidung fällt in der letzten Partie für mich.
Interview: RAINER GRÜNBERG