"Fußball
ist wie Schach strategisch angelegt“
Interview mit Dr. Reinhardt Rauball
Von Dagobert Kohlmeyer aus Bonn
Rauball, Jussupov, Resch
In den 90er
Jahren spielte er beim Dortmunder Chess Meeting simultan gegen Garri Kasparow,
heute ist er Rechtsberater des amtierenden Schachweltmeisters Wladimir Kramnik.
BVB-Präsident Reinhardt Rauball hat auf Grund seines Jobs wenig Zeit für das
königliche Spiel, aber „die WM-Partien von Elista habe ich nachgespielt, um drin
zu bleiben“, sagt der bekannte Sportjurist. Mit Rauball kam Stürmer Alexander
Frei zum Kiebitzen nach Bonn. Der Schweizer spielt Schach, hat es sehr früh von
seinem Großvater gelernt und konnte die 3. Partie in der Bundeskunsthalle
deshalb fachmännisch verfolgen. Wir stellten Dr. Rauball einige aktuelle Fragen.
Carsten Hensel und Reinhardt Rauball
Geht Wladimir Kramnik wegen seiner Null in der 5. WM-Partie noch
juristische Schritte?
Als Anwalt
bin ich an meine Verschwiegenheit gebunden. Fragen sie bitte Herrn Kramnik oder
Herrn Hensel.
Kramnik vor der 3.Partie
Erwägen Sie vielleicht eine Schmerzensgeldforderung?
Wir haben
darüber diskutiert und sind zu bestimmten Ergebnissen gekommen, aber die
Veröffentlichung darüber möchte ich Wladimir Kramnik oder seinem Management
überlassen. Es hängt auch einiges von den nächsten Entscheidungen der FIDE ab,
wie es im WM-Zyklus weitergeht.
Topalows Manager Danailow hört nicht auf mit seinen Vorwürfen,
was halten Sie davon?
Ich habe aus
dem Duell in Elista gelernt, dass ein WM-Kampf im Schach nicht allein ein Duell
Mann gegen Mann ist, sondern da spielen ganze Organisationen mit. Da hat die
psychische Seite ihre ganz besondere Rolle. Sie wurde dort sehr stark ins Rennen
gebracht. Eigentlich sehr schade, denn Schach ist ein toller Sport. Ich bin der
Meinung, er hat solche Störmanöver nicht nötig.
Sie
haben schon sehr viele Sportler juristisch vertreten. Wo liegt der Unterschied
zwischen einem Denk- und einem Muskelsportler?
Bei
Sportlern, die sich bewegen, steht der Bewegungsablauf im Vordergrund. Es gibt
Fernsehbilder, und beim Streit wird der Videobeweis bemüht. Beim Schach geht es
in erster Linie um Dinge, die sich im Kopf und manchmal auch hinter den Kulissen
abspielen. Die zweite Ebene wirkt sich natürlich auf die erste Ebene aus. Das
sauber zu halten und Verstöße aufzudecken, ist sicherlich etwas, was verstärkt
in den Vordergrund rücken muss, wenn solche Dinge nicht aufhören.
Sehen Sie Parallelen zwischen Fußball und Schach?
Fußball ist
wie Schach strategisch angelegt. Mann muss bestimmte Ballpassagen schon vorher
im Kopf durchspielen. Die Lücke schaffen, die man braucht, um daraus die
Offensive einzuleiten. Das wird vorher geplant und besprochen. Wie beim Schach.
Der symbolische erste Zug: Reinhardt Rauball und Alex Frei
1.d4
Die Trainerlegende Max Merkel ist gerade gestorben. Was war er
für ein Mensch?
Ich habe ihn
mehrfach getroffen. Er trainierte Borussia Dortmund Anfang der 60er Jahre und
kam 1961 mit ihnen ins Endspiel der deutschen Meisterschaft, das dann leider
verloren wurde. Merkel war ein Mann mit Charisma. Zu seiner Trainerzeit hat er
schon sehr stark polarisiert. Weil er auch Methoden beim Training und bei der
Vorbereitung eines Spiels entwickelte, die außergewöhnlich waren. Sie wichen von
der üblichen Norm ab.
Rauball und Frei bei der 3.Partie im Publikum
Das war sicher nicht immer angenehm für die Spieler.
So ist es.
Aber er hat hinterher die Seiten gewechselt und ist in den Journalismus
gegangen. Von da an hat er das Tor zum Trainerjob zugemacht. Denn ich kann nicht
über Spieler sehr starke Parabeln veröffentlichen lassen und vier Wochen später
zu ihnen sagen: „Ich bin jetzt dein Trainer und du tust bitte, was ich gern
möchte.“ Das ist sehr schwierig
Wie war Merkel im persönlichen Umgang?
Persönlich
war er sehr angenehm. Man hatte viel Spaß miteinander, ich habe ihn auch mal im
Urlaub getroffen. Das passte schon alles. Der Mann hat sein Leben gelebt.
Im VIP-Raum
der Bundeskunsthalle ließ sich Dr. Reinhardt Rauball dann von Großmeister Artur
Jussupow die Züge von Kramnik und seinem coolen Gegner erklären, inzwischen
bewaffnet mit der neuesten Deep Fritz-Version, die er zu Hause in Dortmund
gleich testen will.