Interview mit Rustam Kasimdzhanov

von ChessBase
14.11.2011 – Einen nicht ganz unmaßgeblichen Anteil am Erfolg der deutschen Nationalmannschaft bescheinigen die Spieler auch dem eigens für dieses Turnier engagierten Eröffnungstrainer Rustam Kasimdzhanov. Der seit vielen Jahren in Deutschland lebende Usbeke erreichte 2004 den bisher größten Erfolg seiner Karriere, als er in Tripolis das WM-Turnier der FIDE gewann und FIDE-Weltmeister wurde. Später stand er Viswanathan Anand in zwei WM-Matches als Sekundant zur Seite. Wer sich ein Bild von "Kasims" profunden Kenntnissen machen möchte, schaut sich am besten eine seiner ChessBase DVDs an. Sein Repertoire reicht von "grundsolide" ("Beating the French") bis "riskant" (Albins Gegengambit, "Gar nicht so schlecht, wie man denkt") und hat auch den "normalen" Schachspieler immer im Blick ("Power of tactics - a world champion's guide for the club player"). In ihrem Resümee zur Europameisterschaft stellt Melanie Ohme angesichts des Erfolges der Männer die Frage, ob ein Eröffnungstrainer nicht auch eine gute Idee für die Frauenmannschaft wäre. Diese und andere Fragen beantwortet Rustam Kasimdzhanov im Interview mit ChessBase News.Trainieren und gewinnen mit Rustam Kasimdzanov... Melanie Ohmes Resümee beim DSB...Zum Interview...

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Interview mit Rustam Kasimdzhanov


Kasimdzhanov wird Fide-Weltmeister 2004

ChessBase: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Europameistertitels der deutschen Nationalmannschaft, an dem du als Eröffnungstrainer der Mannschaft beteiligt warst. Außerdem noch nachträgliche Gratulation zu deinem Sieg bei der Meisterschaft der zentralasiatischen Länder. Welche Länder sind das eigentlich genau?

Rustam Kazimdzhanov: Ja, vielen Dank. Das war die Meisterschaft der asiatischen Staaten der früheren UdSSR.

Wie kam es denn zu der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Schachbund?

Die Idee kam aus dem Kreis der Spieler. Die deutsche Mannschaft wollte einen Trainer für die Eröffnungsarbeit und irgendwann sind sie dann auf mich gekommen. Vor ein paar Monaten schon sprach mich Daniel Friedmann an, was ich davon halten würde, als Eröffnungstrainer für die deutsche Mannschaft zu arbeiten. Bundestrainer Uwe Bönsch hat bei diesen Turnieren auch viele andere, organisatorische Aufgaben, und ich kenne ja viele der möglichen Gegner aus meiner eigenen Turnierpraxis. Ich wusste dann erst nicht, ob aus  der Idee etwas Reales werden würde, aber dann kam es tatsächlich dazu.

Was waren deine genauen Aufgaben?

Ich war für die Eröffnungen zuständig. Wie gesagt, kenne ich viele Spieler aus meiner eigenen Turnierpraxis, weiß, was Ihnen liegt, oder was sie nicht so mögen und dann ging es um die ganz konkrete Vorbereitung auf die jeweiligen Gegner. Außerdem kenne ich mich in den Eröffnungen ganz gut aus und analysiere auch recht gut.

Ist die Betreuung einer ganzen Mannschaft, fünf Spieler, nicht sehr viel Arbeit?

Ja, das ist es. Pro Tag habe ich etwa 6-7 Stunden gearbeitet, wie die Spieler auch. Wir hatten ungefähr den selben Rhythmus. Manchmal habe ich aber auch noch nachts sehr lange gearbeitet, bis Zwei, halb Drei. Im Unterschied zu meiner Arbeit mit Anand sind hier die Ansprüche aber weniger hoch gewesen. Manchmal reichte auch nur ein kleiner Hinweis, z.B. auf die Frage, "soll ich gegen XY lieber diese oder jene Variante spielen" oder einfach ein Tipp, was man sich vielleicht anschauen kann. Ich bin selber sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit den deutschen Spielern, vor allem auch, dass meine Hilfe angenommen wurde. Das wäre nicht bei allen Mannschaften so der Fall gewesen. Wenn du z.B. Trainer einer Mannschaft mit lauter Super-Großmeistern bist, ist es schwierig dort akzeptiert zu werden. Die haben alle ihre eigenen Ideen. Die Zusammenarbeit mit den deutschen Spielern war aber sehr gut, auch aus meiner Richtung gesehen.



Kam es da nicht auch zu einem Interessenskonflikt mit deiner Arbeit für Anand?

Nein gar nicht. Ich habe Vishy berichtet, dass ich diese Anfrage der deutschen Nationalmannschaft habe und er hatte überhaupt nichts dagegen.

Wo hat die Vorbereitung besonders funktioniert und wo ging vielleicht auch mal etwas schief?

Insgesamt hat die Vorbereitung eigentlich sehr gut funktioniert. Ich glaube, dass wir so etwa in jeder vierten Partie das aufs Brett bekommen haben, was wir vorbereitet hatten. Das ist eine recht gute Quote.

Als besonders erfolgreich hat sich ja die Französische Verteidigung erwiesen. Die Deutschen haben damit fast 100% gemacht- mit Schwarz. War das deine Idee? Bist du ein Französisch-Experte?

Ich habe schon die eine oder andere Französisch-DVD produziert, das stimmt.  Georg Meier spielt ja sowieso Französisch, die Rubinstein-Variante ist allerdings inzwischen auch nicht ganz leicht für Schwarz. In der Partie gegen Sutovsky hatte er gewisse Schwierigkeiten. Daniel Fridman hat ein breites Repertoire. Ich habe ihn tatsächlich zu Französisch überredet.

War es gegen Armenien abgesprochene Taktik, so zu spielen, d.h. Aronian, der Schwarz hatte, mit einem Remis aus dem Match zu nehmen?

Ja. Ich weiß nicht, ab Arkadij es vielleicht sowieso vorhatte. Aber wir haben dann überlegt, gegen Aronian die Farbe zu opfern, also eine Weißpartie auf remis zu spielen. Arkadij hat sehr stark gespielt bei dieser Europameisterschaft und hätte auch gegen Aronian Chancen gehabt, wer weiß. Andererseits ist Aronian auch ein sehr starker Spieler und die Armenier sind mit Aronian ohne Zweifel stärker als ohne ihn. Die Idee war auch, auf die beiden Weißspieler von Armenien mehr Druck zu legen.


Schlussfeier in Porto Carras





War das nicht von Aronian ungeschickt, den Deutschen diese Möglichkeit zu eröffnen?

Mit Schwarz muss Aronian gegen einen starken Spieler wie Naiditsch nicht unbedingt gewinnen. Natürlich kann er erst einmal spielen und schauen, was passiert. Ich glaube, er hat aber gar nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass Arkadij auf diese blutleere symmetrische Variante spielt.

Die deutschen Frauen haben jetzt auch schon den Wunsch nach einem Eröffnungstrainer geäußert. Noch ein Job für dich?

Ich glaube, da wäre ich der Falsche. Bei meiner Arbeit geht es ja um sehr konkrete Analysen und Vorschläge. Bei dem Frauen muss man allgemeinere Tipps geben, wie man bestimmte Sachen spielt oder was man gegen eine bestimmte Gegnerin anstreben soll. Da ist eine schachlich nicht so spezielle, dafür aber auch psychologische Betreuung notwendig.


Russland gewinnt Frauenturnier

Gab es denn für den Sieg eine Erfolgsprämie vom DSB?

Die Spieler haben etwas ausgemacht, ich kenne die Details nicht. Ich selbst habe eine Pauschale bekommen und keine Siegprämie ausgehandelt.

Warum nicht?

Ich habe an diese Möglichkeit gar nicht gedacht.



Das Interview führte André Schulz.





 

 

 


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