Interview
mit Michael Schönherr und Jürgen Jordan
Eine vielleicht etwas schwierige Frage gleich zu Anfang des Interviews:
Vor dem Erscheinen der Schachzeitung gab es schon sieben Schachzeitungen in
Deutschland. Warum war es notwendig eine weitere Schachzeitung auf den Markt zu
bringen?
Das ist eigentlich eine ganz einfache Frage. Es war nicht notwendig....
Wie ist denn die Idee entstanden?
Die Idee ist folgendermaßen entstanden. Ich habe früher, so vor zwanzig Jahren
gerne Schach gespielt, war Mitglied im Hamburger Schachklub, war dort auch
Jugendwart und suchte vor einer gewissen Zeit nach einer Möglichkeit, wie ich
mir meine Freizeit gestalten kann als Ausgleich zu meiner beruflichen Tätigkeit
im Vertrieb. Dann habe ich durch Zufall Christian Zickelbein in einem Hamburger
Einkaufszentrum wieder gesehen, habe mich dann mit der Szenerie Schach
beschäftigt und dabei festgestellt: Es haben sich einige Dinge massiv geändert
in den letzten zwanzig Jahren - da sind z.B. das Internet und ChessBase usw.,
Dinge, die Einzug in das Schachgeschehen gehalten haben. Und einige Dinge hatten
sich gar nicht geändert: Wenn ich z.B. eine Schachzeitung von vor 20 Jahren und
eine Schachzeitung zu diesem Zeitpunkt, das war Mitte 2008, in die Hand genommen
habe, dann habe ich keine Veränderung festgestellt - im Layout, im Format und
alles immer noch schwarz-weiß. Und da dachte ich, da müsste doch trotz der neuen
Medien Bedarf sein an einer moderneren Schachzeitung, z.B. auch in Farbe. Also
begann ich mich damit zu beschäftigen. Da ich kein Zeitungsmann und auch kein
Layouter bin, musste ich mich er erst einmal damit auseinandersetzen und
reinfuchsen. Ich habe dann noch mit einigen Leuten gesprochen, darüber wer
mitarbeiten möchte, und so kam es, dass wir für Dezember 2008 dann die erste
Ausgabe herausbringen wollten.
Als es dann losgehen sollte, stand ich allerdings erst einmal alleine da, musste
aber den Termin einhalten, weil ich erstaunlicherweise schon Abonnenten hatte,
bevor es die Zeitung gab -es gibt auch im Schachbereich einige Leute, die
sammeln und die Leidenschaft haben - ...
... ich vermute, das Lothar Schmid der erste Abonnent war, da er ja alles
sammelt...?
Nein, war er nicht...
Meine zweite Frage ist - es klang in der Antwort hier schon etwas an: Was
unterscheidet die Schachzeitung von anderen Schachzeitungen?
Es gibt eine Anzahl von Schachzeitungen, die haben ein relativ hohes Niveau -
ich will jetzt grundsätzlich keine Namen nennen, aber die meisten werden schon
wissen, was gemeint ist. Die sind auch von Großmeistern geschrieben, die Partien
werden von Großmeistern kommentiert - das ist auch gut so. Aber die breite Masse
der Schachspieler, wie haben ja fast 100.000 Spieler, die über den DSB in
Vereinen organisiert sind, die haben ja nicht eine DWZ von 2000. Und für diese
Schachfreunde, habe ich gedacht, könnte man doch auch etwas veröffentlichen,
damit diese Spieler etwas lernen. Ich merke ja auch bei mir selbst, dass ich
mehr lernen könnte, wenn die Kommentierung schon vor dem 20. oder 30.Zug
beginnt, ich brauche ja schon gleich am Anfang Hinweise zur Partie, welche
Eröffnung ist das, wie kommen die Züge zustande und so weiter. Andere
Schachzeitungen setzten das voraus, vielleicht auch aus einer gewissen
Betriebsblindheit, wenn man über 30 Jahre immer das gleiche macht, nach dem
Motto: Das haben wir immer so gemacht und das andere braucht ja keiner.
Aber es gibt ja auch Schachfreunde, die gar nicht den Anspruch haben,
Großmeister zu werden, Hobbyspieler, die trotzdem Spaß am Schach haben, aber an
ganz andere Stelle abgeholt werden müssen, als die Profi-Turnierspieler. Und
mein Ziel war es, für diese Spieler eine Zeitung zu machen, durch die sie etwas
lernen können, gleichzeitig aber auch Informationen bekommen: Was ist drum
herum? W
ir waren auch eine der ersten Schachzeitschriften in Deutschland, die Farbe
hineingebracht haben. Das spricht offenbar ein Menge Leute an, glücklicherweise.
Also eine Schachzeitung für den normalen Schachspieler...?
Genau!
Und wie ist denn der etwas frugale Name Schachzeitung entstanden? Warum
nicht z.B. Weltrochade oder Schachmagazin 128 oder etwas in der Art? Warum
"Schachzeitung"?
Das hat letztendlich zwei Gründe. Genau genommen sind wir ja eine Zeitschrift
und keine Zeitung. Wir arbeiten ja mit Logos für die Wiedererkennung, dass es
aus unserem Hause kommt: Schach und darunter ein zweites Wort: Zeitung, Buch,
Handel oder Turnier usw. Da passte Zeitung einfach am besten rein. Das ist Punkt
Eins. Punkt Zwei: Der durchschnittliche Mensch geht zum Kiosk und kauft eine
Zeitung. Der sagt nicht, ich kaufe eine Zeitung und hier kaufe ich eine
Schachzeitschrift, nein: Er kauft einfach eine Schachzeitung. Wir wollten es
einfach halten und auch so nennen: Schach-Zeitung. Außerdem gab es den Namen ja
auch noch nicht und die Domain war auch noch frei im Internet. Wenn sie heute
eine Firma aufmachen und eine Marke aufbauen, müssen sie immer zuerst gucken,
gibt es das schon im Internet in irgendeiner Form. Schachzeitung passte, war
frei, kann sich jeder merken.
Und wer macht nun eigentlich die Schachzeitung?
Letztendlich steht da ein relativ großes Team dahinter, Gott sei Dank! Und da
man heute eine Menge von Kommunikationsmöglichkeiten hat, Telefon, Internet,
email etc. kann man alles regeln, ohne dass man im gleichen Büro sitzen muss.
Meine Aufgabe letztendlich ist der Vertrieb, die Organisation der Abonnenten,
der Kontakt zu den Händlern, zum Großhandel, den Grossisten, Bahnhofsbuchhandel
usw. und ich mache das Layout. Zudem bin ich heilfroh, dass ich mit Jürgen
Jordan einen festen Mitarbeiter habe, der zufällig nur zwanzig Minuten entfernt
von mir wohnt. Das hat sich so ergeben.
Jürgen Jordan: Ich hatte mich Januar 2009 zufällig beworben, als ich hörte, dass
es eine neue Schachzeitung geben soll.
Das war zu einem Zeitpunkt, als ich beim Start ein bisschen, ich sage mal in
Anführungszeichen, im Stich gelassen wurde. Jürgen hat etwa 2100 DWZ und
übernimmt die Chefredaktion, guckt sich jeden Artikel an, der eingereicht wird
und macht außerdem die Rubrik "Zug um Zug", die immerhin 20 bis 25 Seiten
unseres Heftes beinhaltet. Das ist dann ein Fulltime-Job geworden. Wir sind
inzwischen beide fulltime mit der Herstellung der Schachzeitung beschäftigt.
Das ist also Ihre hauptberufliche Tätigkeit?
Die aktuelle Ausgabe
Ja.
Und Sie sind ja beide keine Großmeister, sondern Sie Herr Jordan, ein
guter Vereinsspieler, und Sie Herr Schönherr, ein mittelguter Vereinsspieler...?
Eher ein schlechter Vereinsspieler. Ich habe 2008 angefangen mit einer DWZ von
etwa 1300, jetzt bin ich bei 1500 und vielleicht schaffe ich mal 1700 oder 1900.
Das ist letztendlich eine Frage, wie viel Zeit man darin investiert. Ich glaube,
wenn ich mich intensiver mit Training beschäftigen würde, dann würde auch auf
1900 kommen. Aber ich werde niemals Großmeister werden können wie andere
Herausgeber von anderen Schachzeitungen. Das ist ganz klar. Das ist aber auch
nicht schlimm.
Kann man denn die Vorgänge in Partien oder Turnieren schachlich auf diesem
Niveau trotzdem gut bewerten?
Ich denke schon. Ich lerne ja selber durch das Lesen meiner eigenen Zeitung
dazu. Das habe ich schon gemerkt – und manche meiner Gegner auch... Und ist gut
so. Denn unsere Auffassung ist: Die Anzahl der Leser unserer Zeitung wächst,
sobald es sich rumspricht, dass man durch das Lesen dieser Zeitung etwas lernt.
Ich bin letztendlich meine eigene Zielgruppe. Und zwar vom Alter her - ich bin
jetzt 41 -, vom Berufsstand her und vom schachlichen Niveau her. Wir machen die
ideale Zeitung für Leute wie mich.
Und wenn man mal eine Analyse braucht, gibt es ja technische Hilfsmittel,
die einem recht gute Ergebnisse liefern...
Und um so etwas zu produzieren, muss man ja offenbar auch kein Großmeister
sein...
Wie kommt denn ihr Konzept bei den Schachfreunden an und gibt es eine
inhaltliche Entwicklung?
Erstens: Das Konzept kommt sehr, sehr gut an. Das freut uns natürlich. Es gibt
aber im Deutschen Schachbund fast 100.000 organisierte Schachspieler und noch
kennen die Zeitung viele gar nicht. Obwohl wir beim Start im Internet sehr
offensiv geworben haben, bekomme ich immer noch Mails von Schachfreunden, die
noch nie ein Exemplar in der Hand gehabt haben und fragen, wie man abonnieren
kann. Erst wenn jeder in Deutschland organisierte Schachspieler einmal eines
unserer Hefte länger in der Hand gehabt hat und dann entscheidet, ob er
abonnieren möchte oder nicht; erst dann bin ich zufrieden. Das ist aber noch ein
langer, langer Weg. Zumal ja auch durch die Schachjugend immer neue dazu kommen…
Zum zweiten Teil der Frage: Die Schachzeitung ist noch permanent in der
Entwicklung. Das liegt daran, dass wir noch den Weg finden müssen. Mit der
wachsenden Anzahl der Leser und deren Rückmeldungen sehen wir, was diese sich
wünschen. Irgendwann können wir dann sagen, nun haben wir mit unseren Inhalten
das Gros der Leser zufrieden gestellt. Natürlich kann man nie alle Wünsche
erfüllen.
Bei uns entwickelt sich in den nächsten Monaten noch so viel, dass wir auch noch
gar keine Leserumfrage machen werden. Ich kann jetzt schon ankündigen, dass wir
schon ab Januar große Neuerungen haben werden, die unsere Zeitung erheblich
positiv verändern und auch den Schachmarkt deutlich durcheinander wirbeln
werden. Die erste Veränderung wird sein, dass wir ab Januar offizielles
Mitteilungsblatt des Niedersächsischen Schachverbandes und des
Landesschachbundes Bremen sein werden. Die ca. 7.000 Mitglieder bekommen dann
alle landesspezifischen wichtigen Informationen und offizielle Mitteilungen
durch uns. Wir drucken diese auf hochwertigem Papier und binden Sie in die
Schach-Zeitung ein. Wir werden diese Landesverbände dann sehr gut und beständig
betreuen und rechnen damit, dass wir dann weitere Anfragen bekommen. Es gibt
also permanent Entwicklungen. Wir sind hier am Leser vielleicht auch näher dran
als andere. Warum soll sich ein Konzept nicht auch mal grundsätzlich ändern?
Und jetzt kommt eine zweite Veränderung, die unser Magazin und auch den ganzen
Markt noch einmal erheblich verändert: Wir werden ebenfalls ab Januar die
Zeitschrift „Jugendschach“ in die Schach-Zeitung komplett integrieren. Unser
Heftumfang wächst dann auf 96 bzw. in Niedersachsen und Bremen auf 132 Seiten!
Und das bei gleichbleibendem Preis, nämlich nur 4,80 Euro im Monat! Aber die
Jugendschach-Leser brauchen keine Angst zu haben, dass sie das Heft dann nicht
mehr bekommen. Die bisherigen Abonnenten von Jugendschach erhalten das Heft
weiter so wie bisher auch. Im Einzelhandel wird es Jugendschach ab Januar nicht
mehr geben, aber als integrierten Bestandteil der Schach-Zeitung.
Heißt das, dass Sie Jugendschach übernommen haben?
Nein, das heißt, dass wir eine Kooperation haben. Und ich bin froh, mit bereits
so erfahrenen Leuten ein gemeinsames Heft zu produzieren, von dem nachher sowohl
Erwachsene als auch Jugendliche profitieren. So lernen dann auch beide Seiten
mit Hilfe der Schach-Zeitung & Jugendschach voneinander. Das ist eine ganz tolle
Sache. Und wenn dann noch die Landesmitteilungen dazu kommen, ist jedes Heft
randvoll gefüllt mit Informationen für jeden Schachfreund.
Sie sprechen das Internet an: Ist denn in Zeiten des Internets, wo man
jede Information rasend schnell bekommt und Schach in großem Umfang angeboten
wird, eine Schachzeitung nicht ein Anachronismus: Sie erscheint nur in
bestimmten Abständen, ist auf eine bestimmte Seitenzahl begrenzt, etc.?
Der Markt der Medien verändert sich ja permanent. Ich hätte doch vor drei Jahren
nicht daran gedacht, dass es mal so viel Fernsehwerbung für Internetseiten gibt
wie zurzeit. Oder „Apps“. Wer konnte ahnen, welche Rolle das einmal spielen
wird? Wir wissen ja nicht, was in zwei Jahren sein wird. Ich habe in der
Verwandtschaft Kinder, die wissen nicht mehr, was ein analoger Fotoapparat ist.
Ich glaube aber, dass trotz aller Veränderungen immer der Bedarf da sein wird,
ein kontinuierliches Produkt zu haben, das man lesen kann.
Nehmen wir z.B. ihre Webseite, Sie haben eine hervorragende Nachrichtenseite.
Mir ist da z.B. der Hinweis auf die Jan Gustafsson- Seite aufgefallen und ich
kann mir vorstellen, auch darüber zu berichten. Aber einen Tag später sind da
schon wieder drei neue Nachrichten. Das heißt: Bei Ihnen und im Internet
grundsätzlich ist der Fluss viel stärker. Nur: Muss der durchschnittliche
Schachspieler so zugeballert werden? Oder reichen ihm nicht ein paar Nachrichten
weniger, mit denen er sich dann aber in Ruhe beschäftigen kann? Er ist
vielleicht froh, bei der Riesenanzahl von Turnieren und drei bis zehn
Nachrichten am Tag, einmal im Monat in einem kontinuierlichen Magazin eine
Auswahl von Nachrichten präsentiert zu bekommen, die er sich auch merken kann.
Allerdings bleiben wir permanent am Ball und ich kann nicht ausschließen, dass
wir in einem Jahr vielleicht ein Schach-Zeitungs-App haben werden oder wie auch
immer das dann heißen wird, vielleicht App 3.0…. Es gab kürzlich eine
Fernsehzeitung, die hatte im Heft ein kleines Display, auf dem man einen Film
abspielen konnte - in der Zeitung! Vielleicht haben wir ja mal kleine Filme in
der Zeitung, Zeitung im Internet, Internet in der Zeitung. Wer weiß?
Ihrer Antwort entnehme ich, dass sie den Markt sehr genau beobachten und
schauen, was vertriebstechnisch alles möglich ist und neue Ideen entwickeln...?
Nicht nur vertriebstechnisch. Wir müssen auch beobachten: Was passiert
drucktechnisch, was passiert bei den neuen Medien, usw. Das gehört schon dazu,
wenn Sie heute irgendwo etwas machen und erfolgreich sein wollen. Ich glaube
übrigens, dass es in einiger Zeit nur noch zwei Schachzeitungen geben wird.
Zwei zusätzliche Schachzeitungen...?
Nein, nur noch zwei Schachzeitungen insgesamt!
Also zwei, die von den sieben noch übrig sind? Und Sie sind dabei?
Ja. Wobei ich Verbandszeitungen, Spezialzeitschriften, Vereinszeitschriften
natürlich von dieser Einschätzung ausnehme.
Was kostet es, eine Schachzeitung überhaupt herzustellen. Ich kann mir
vorstellen, dass dies ein teures Produkt ist.
Das stimmt. Wenn sie ein Vollfarbzeitschrift herstellen, mit z.B. 5000er
Auflage, um mal eine Zahl zu nennen, dann können Sie davon ausgehen, dass sie
mit knapp 6000 Euro brutto reine Druckkosten rechnen müssen.
Und wie viele Abonnenten braucht man zum Überleben?
Also ich weiß nicht, wie viele Abonnenten „man“ zum Überleben braucht. Aber wir
können sagen, dass wir überleben können.
Wie erzielt man mit Schachzeitungen die Erlöse? Im Massenzeitungsmarkt
wird ja viel über die Werbung und Anzeigen erwirtschaftet, die Einzelverkäufe
sind oft nur ein kleines Zubrot. Wie ist das bei Schachzeitungen?
Grundsätzlich möchte ich dazu sagen, dass die anderen Schachzeitungen uns
dreißig Jahre voraus sind und diese Frage viel besser beantworten können als
wir, die wir gerade zwei Jahre am Markt sind. Ich kann aber sagen, dass unsere
Zeitschrift grundsätzlich werbeunabhängig ist. Es ist aber auch insofern eine
gute Frage, als dass wir ab und zu mal darauf angesprochen werden, das hört man
als negative Kritik, dass wir ChessBase zugeneigt oder gar von ChessBase
abhängig wären. Das sind wir nicht! Und das wissen Sie am besten. Wir sind beide
nicht voneinander abhängig. Aber, ich bin der Meinung, dass, wenn man heute über
Schach berichtet, dann kommt man an ChessBase nicht vorbei und das finde ich
auch nicht schlimm. Wer damit nicht leben kann, dem können wir nicht helfen. Ich
habe ja schon gesagt: wir können nicht jeden glücklich machen. Wir finden es
wichtig, über die Produkte von ChessBase zu berichten und diese den Leuten
zugänglich zu machen. Es gibt ja auch viele Schachfreunde, die waren schon 40
oder 50 Jahre alt, als der Computer und ChessBase erschienen und die nun
versuchen, sich darin einzuarbeiten. So haben wir die Möglichkeit, Leuten, die
bisher nicht ChessBase genutzt haben, diese Technik in unserer Zeitschrift näher
zu bringen. Das wollen wir gerne tun. Das machen wir für andere Produkte
genauso. Wenn ein neues Buch auf den Markt kommt und wir sind der Meinung,
darüber kann man etwas schreiben, dann tun wir das. Bei der Masse von Büchern,
die aus dem Boden sprießen, siehe Niggemann, der 40.000 Bücher im Laden hat,
muss man natürlich schon selektieren. Ihre Firma hat den Vorteil, dass es keinen
direkten Konkurrenten gibt. Aber jetzt bin ich ein wenig von der Frage
abgekommen. Also unsere Zeitung ist werbeunabhängig. Das liegt aber auch daran,
dass es nicht so viele potenzielle Werbekunden im Schachbereich gibt. Wir haben
uns bisher aus Zeitgründen gar nicht damit befassen können, weitere Werbekunden
zu suchen.
Und wie genau hat man sich die Produktion einer Schachzeitung
vorzustellen? Was sind die typischen Abläufe?
Am Anfang des Monats steht immer eine leere Leinwand. Das sind 64 leere Seiten
auf meinem PC, die gefüllt werden müssen. Dann beginne ich mit den Serien.
Jonathan Carlstedt wird im kommenden Jahr wieder ein Buch herausbringen, das wir
als Serie vorab veröffentlichen, über die Tarraschvariante im Damengambit. So
fängt eine Ausgabe dann an zu wachsen. Dann kommen von Jürgen vier oder fünf
kommentierte Partien. So füllt sich die Zeitung von Monat zu Monat. Dann finden
Sie eine gute Druckerei, schicken die Daten dort hin. Daraufhin wird das
gedruckt und schließlich verteilt. Ein Teil geht in den Einzelhandel, vor allem
Bahnhofsbuchhandel und Flughafenbuchhandel. Wir haben übrigens in Deutschland
mehr als 150.000 Verkaufsstellen, also Zeitschriftenläden. Ein weiterer Teil
geht an die Abonnenten. Und dann haben wir noch einen Teil über für
Werbemaßnahmen. Was die Verkaufsstellen angeht, muss man natürlich erst noch
lernen, welche überhaupt für so ein Produkt geeignet sind.
Da braucht man aber reine hohe Auflage, um alle Stellen zu erreichen...
Das schafft man am Anfang natürlich nicht. Aber man kann z.B.- jetzt kommt ein
Tipp aus dem Vertrieb- gucken, welches der größte Schachklub in Deutschland ist.
Das ist der Hamburger Schachklub mit 470 Mitgliedern, welche Zeitschriftenläden
sind da um die Ecke, und dann schickt man denen mal ein Exemplar zu.
Und hat das Erfolg gehabt?
Ich bin noch gar nicht so weit, dass ich es gemacht habe. Aber das ist eine
Idee, die ich irgendwann verwirklichen werde. Wie gesagt: Ich werde erst müde,
wenn jeder ein Exemplar in der Hand gehabt hat.
Wie ist denn die Stimmung so in der Schachzeitungsszene. Sie sagten
vorhin, in Kürze gäbe es nur noch zwei Schachzeitungen...
Moment, Vorsicht: Ich habe das prophezeit, aber ich schätze, das wird schon in
fünf bis zehn Jahren so sein...
Ok, aber wie ist denn so die Rivalität der Zeitungen untereinander?
Kooperiert man oder beobachtet man sich argwöhnisch? Das ist doch für die
alteingesessenen Zeitschriften sicher seltsam, wenn jemand Neues am Markt
erscheint.
Wir hatten ja das Glück, dass uns am Anfang keiner ernst genommen hat. Das hat
sich aber inzwischen, wenn man sich so den Farbanteil und die Papierqualität in
einigen anderen Zeitschriften anschaut, offenbar geändert. Wir haben am Anfang
Gespräche gesucht und haben uns überall vorgestellt. Wir sind nach Bremen zum
Schünemann-Verlag gefahren, der Schachmagazin 64 herausgibt und haben uns
vorgestellt. Wir sind zu Tischbierek nach Berlin gefahren und haben das gleiche
gemacht. Zur Rochade wollten wir auch, hat sich aber irgendwie nicht ergeben.
Das haben wir getan, damit man sich einmal kennenlernt und mal miteinander
gesprochen hat. Ansonsten ist keine Verbindung da. Dafür ist dann doch eine
gewisse Konkurrenzsituation da.
Für Statistiker: Wie viele Ausgaben wurden bisher produziert und wie ist
die Auflagenentwicklung?
Die Auflagenentwicklung ist sehr gut! Da sind wir sehr zufrieden. Erstmalig sind
wir mit der Dezemberausgabe 2008 erschienen, haben also bisher 23 Hefte
produziert.
Noch eine Frage zu der Schwierigkeit, eine Schachzeitung in den Markt zu
bringen. Es gab ja eine parallele Neuerscheinung von Großmeister Jörg Hickl, die
Schach-Welt. Die hat ja nicht so eine gute Entwicklung genommen und wurde wieder
eingestellt. Wie erklären Sie sich den Unterschied?
Es gibt ja schon zwei Großmeisterzeitungen, die über 30 Jahre ihre Leser
akquiriert haben. Da war es für Jörg Hickl schwer, sich mit einer weiteren
Großmeisterzeitung im Markt zu behaupten. Die meisten Leser seiner Zielgruppe
haben ja schon eine der anderen Zeitungen abonniert und so schnell gibt man
seine Zeitung nicht auf. Wir hatten eine andere Zielgruppe, einen anderen Markt
und auch einen anderen Ansatz. Wir gehen auch von 64 Farbseiten aus. Hickls
Zeitung war -bis auf den Umschlag- schwarzweiß.
Wir bemühen uns auch sehr um unserer Kunden und möchten diese auch nett
behandeln. Das ist ja nicht selbstverständlich, auch nicht im Schachmarkt. Ich
höre immer wieder von unseren Lesern. "Wahnsinn, ihr habt ja unheimlich schnell
geantwortet." Oder wenn jemand mal eine Zeitung nicht bekommen hat, weil sie
über den Postweg verloren gegangen ist - das kommt ja schon mal vor - dann
schicken wir natürlich ein neues Heft zu - da wird nicht diskutiert, dass das
vielleicht schon das dritte Mal passiert ist - das ist sicher in den anderen
Verlagen aber auch so.
Zum Abschluss: Was sind ihrer Ziele, die Visionen?
20.000 Abonnenten.
Und das ist möglich?
Ja, ich werde nicht müde. Zum Glück hat ein Tag ja 24 Stunden, bevor die
Nacht anfängt…
Das Interview
führte André Schulz.