Interview mit Silvio Danailov

von ChessBase
18.05.2007 – Yuri Vasilievich führte mit dem Manager von Veselin Topalov, Organisator des M-tel Masters und Motor der neuen "Grand Slam"-Turnierreihe Silivio Danailov am Rande des Turniers in Sofia ein Interview, bei dem eine Reihe von interessanten Fragen angesprochen wurden. Danailov erläutert, warum das Feld in Sofia so und nicht anders aussieht, spricht über professionelles Schach und deren professionelle Vermarktung und blickt mit Stolz auf seine Verdienste um das Schach, die ihm von vielen allerdings geneidet werden. Das Interview erschien in russischer Sprache bei chesspro.ru. Wir veröffentlichen einen Nachdruck in deutscher Übersetzung. Interview...

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Silvio Danailov: "Ich habe viel Glück im Leben!“
Interview von Yuri Vasiliev (Nachdruck in deutscher Übersetzung aus chesspro.ru)

Vor dem Beginn des dritten Superturniers „M-Tel Masters“ unterhalte ich mich mit dem unternehmerischsten, skandalumwittertsten und erfolgreichsten Schachmanager der Gegenwart, Silvio Danailov.

Silvio, die erste Frage liegt auf der Hand: Warum sind die Teilnehmer des dritten Turniers „M-Tel Masters“ nicht so brillant wie die des ersten und zweiten Turniers?

- Erstens kann ein Turnier der 20. Kategorie per definitionem nicht schwach sein. Topalov, Mamedjarov und Adams gehören zu den „Top 10“, Kamsky ist der stärkste Spieler Amerikas, war WM-Herausforderer Teilnehmer von Herausforderungskämpfen. ein legendärer Spieler, der zum professionellen Schach zurückgekehrt ist, er ist für alle interessant. Sasikiran ist ein außerordentlich starker und begabter junger Großmeister, in Indien der zweite nach Anand. er hatte bislang aber nur ein Spitzenturnier und einfach nicht die Gelegenheit sich zu zeigen, was er kann. Diese Möglichkeit wird ihm nun von uns gegeben. Nisipeanu war 2005 Europameister, ein starker Großmeister, er vertritt Rumänien, ein Land, das zusammen mit Bulgarien vor kurzem in die Europäische Union eingetreten ist. Das ist, wenn Sie so wollen, eine Geste an unseren Nachbarn.

Sie haben es schon geschafft uns daran zu gewöhnen, dass bei den „M-Tel Masters“ immer Vertreter der Elite spielen…

- Ich habe die Stärksten alle eingeladen. Es ist nicht meine Schuld, dass Ivanchuk, der, wie er mir gesagt hat, in Sofia spielen wollte, Verpflichtungen nachkommen musste, die mit dem Club zu tun haben, für den er in der russischen Liga auftritt. Aus demselben Grund konnten wir einige russische  Großmeister nicht einladen. Aronian, den wir gerne in Sofia gesehen hätten, konnte seine Einladung wegen seiner Teilnahme an den Qualifikationskämpfen nicht annehmen. Die gleiche Geschichte bei Judit Polgar, nach langen Überlegungen hat sie uns gesagt: „Entschuldige, aber ich muss mich auf die Kandidatenkämpfe vorbereiten´“. Aus eben dem Grund habe ich Leko nicht eingeladen, weil ich wusste: dass er absagen wird, weil bei ihm die Qualifikation für Mexiko vorgeht. Ich verstehe sowieso nicht, warum die FIDE die traditionellen Termine des Turniers in Sofia bei der Terminvergabe der Kandidatenwettkämpfe nicht berücksichtigen wollte. Sie hätten die Termine der Wettkämpfe in Elista ein wenig verschieben können, aber sie wollten nicht.

Und Anand? Er war doch von Sofia und seinem Empfang dort ganz begeistert?

Anand hat drei Mal hier gespielt – in zwei Turnieren und einem Wettkampf – mit Topalov. Und jedes Mal wurde er gut aufgenommen. Er war immer zufrieden. Dieses Mal habe ich ihn eingeladen, er hat mir geantwortet, dass in Indien zur gleichen Zeit irgendetwas geplant war. Er hat seine Entscheidung getroffen

Aber wissen Sie, ich bin sogar froh, dass der heutige „M-Tel Masters“ nicht aus gewöhnlichen Elitespielern zusammengestellt wurde. Wenn immer die gleichen Leute spielen, wie es lange in Linares der Fall war, wird es langweilig. Man muss auch den jungen Schachspielern die Chance geben öffentlich zu zeigen, was sie können. Sasikiran z.B., der, wie ich schon sagte, in Indien die Nummer 2 ist, hat erst einmal gegen Anand gespielt (und übrigens gewonnen). Ich bin sicher, dass dieser junge Spieler demnächst zu den Top 10 gehören wird. Ich bin nicht der landläufigen Meinung, dass „Stars“ dem Turnier den Namen geben. Nein, ganz im Gegenteil! Das Turnier macht die „Stars“. Es ist nicht wichtig, wer in „Wimbledon“ spielt. Sollen ruhig alle starken Spieler absagen, „Wimbledon“ bleibt „Wimbledon“. Alle wissen, dass das „M-Tel Masters“ das professionellste Turnier ist, bei dem die Großmeister die Partien entscheiden müssen. Das ist ein Turnier der Kategorie 20. Und alle finden es interessant, neue Namen zu sehen, die sich hier Stars entwickeln können.

- Eine Frage, die auch auf der Pressekonferenz zu hören war: Haben Sie auch Kramnik eingeladen?

- Kramnik lebt in einer irrealen Welt. Er hat auf die Möglichkeit eines Revanchespiels in Sofia mit Topalov verzichtet, für das er eine Million Dollar bekommen hätte. Und wo er sich befindet, da gehörte er auch hin. Alle haben gesehen, wo er war, nachdem er sich vor Kasparov versteckt hat. Er war ein Herr Niemand. Und er wäre ein Herr Niemand geblieben, wenn wir nicht bereit gewesen wären, den Wettkampf in Elista zu spielen, wodurch er Weltmeister wurde. Es gab ein unglaublich großes Interesse am Schachsport nach dem Wettkampf in Elista. Aber Kramnik versteckte sich von neuem. Diese Verweigerung zeugte ein weiteres Mal, dass dieser Mensch nicht versteht, in was für einer Welt er lebt. Dem Schach entging eine einmalige Chance. Das Interesse am Match in Sofia wäre um vieles größer gewesen als in Elista. Das wäre die goldene Chance fürs Schachspiel gewesen. Aber er hat sie verpasst, genauso, wie er sie damals verpasste, als er gegen Kasparov zur Revanche antreten sollte. Jetzt werden wir sehen, wie er mit diesem Titel umgeht. Im Oktober wird er in Mexiko natürlich verlieren.  Und dann wird er auf die Revanche warten, die der FIDE-Präsident ihm zugesichert hat. Aber es ist noch die Frage, ob er diese Revanche bekommt: Durchaus möglich, dass er sie nicht bekommt. In einem Jahr, wenn Kramnik den Titel verloren haben wird, kann alles mögliche passieren…

Warum sind Sie so sicher, dass Kramnik seinen Titel in Mexiko verlieren wird?

- Ein solches Turnier kann nur gewinnen, wer daran gewöhnt ist, starke Turniere zu spielen. Das könnte Anand oder Aronjan sein, wenn letzterer die Qualifikation schafft. Es könnte Topalov sein, der daran gewöhnt ist, sehr starke Turniere zu spielen und viele von ihnen gewonnen hat. Aber dass Kramnik nicht fähig ist ein solches Turnier zu gewinnen, ist mir persönlich völlig klar. Er könnte „plus zwei“ oder „plus drei“ bekommen, aber das ist zu wenig, um die Weltmeisterschaft zu gewinnen.

Und Svidler, Morozevich?

- Wie viele große Turniere hat Svidler in seinem Leben schon gewonnen?

Svidler hat vier russische Meisterschaften gewonnen.

- Wann war das? Und was waren das für Meisterschaften? Haben dort Kasparov und Kramnik gespielt? Das waren Schweizer System-Turniere, nicht einmal Rundeturniere. Schon bei den russischen Superfinale als Rundenturnier sah er ziemlich bescheiden aus. Und Morozevich? Er hat nur ein einziges Mal im Leben in Linares „plus eins“ bekommen, und schon wird überall laut von seinem „Triumph“ gesprochen. „Plus 1“ ist natürlich eine große Leistung… Aber davor belegte er in starken Turnieren nur letzte Plätze. Das Höchste womit Morozevich in Mexiko rechnen kann, ist seine „50 Prozent“ zu bekommen, die er in San Luis gesammelt hat. Wenn Aronjan Elista schafft, dann wird es in Mexiko zwei Favoriten geben, wenn nicht, dann wird Anand der einzige Anwärter auf den Sieg sein.

In welcher Form ist Topalov jetzt, kann man von ihm eine zweite Besteigung des Olymps erwarten?

- Jetzt beobachten wir eine Euphorie, weil Anand die Rating-Liste der FIDE anführt. Er ist gerade eben so Erster geworden, und schon wird so viel Lärm gemacht, als hätte er einen unglaublichen Wettkampf gewonnen. Veselin war praktisch zwei Jahre lang die Nummer eins. Er hat in dieser Zeit die meisten sehr starken Turniere gewonnen oder ist Zweiter geworden. Er hat sich bemüht ein echter Meister zu werden, hat alle Partien zu Ende gespielt, hat schön gespielt, mit der Presse gesprochen und überhaupt das Schachspiel voran gebracht. Seinen schwersten Wettkampf hatte er in Elista. Die ununterbrochene Anspannung begann sich zu zeigen. Und schon dieses Jahr in Morelia/Linarese wurde uns klar, dass er keine Energie mehr hatte. Wir begriffen, dass es eine Verschnaufpause geben musste. Deshalb wurde auf das Turnier in Monaco verzichtet, an dem Veselin zehn Jahre hintereinander teilgenommen hatte. Jetzt ist er der Zweitbeste der Welt. Natürlich werden wir uns bemühen dahin zurückzukommen, wo wir mal waren, aber wir haben nicht vor die Ereignisse zu forcieren.

Hier sieht man von neuem in aller Schönheit die „Regeln von Sofia“. Anscheinend gefallen sie nur den Organisatoren, die Profis scheinen von ihnen nicht begeistert zu sein…

- Das ist ganz natürlich, schließlich müssen sie für das gleiche Geld mehr arbeiten. Aber irgendwann muss man zum echten Profi werden. Man muss zu Ende spielen, einen ordentlichen Anzug tragen, ein sauberes Hemd anziehen und zur Partie mit geputzten Schuhen erscheinen, und nicht in Turnschuhen und T-Shirt. Und nach der Partie muss man mit der Presse sprechen. Muss, Muss, Muss.. Früher musste man gar nichts. Nimm dein Geld in Empfang, setzte 15 bis 20 Züge und du kannst wieder gehen, dich erholen. Aber das konnte nicht ewig so weiter gehen. Entweder wird man Profispieler, oder man muss weiter in Amateurturnieren spielen.

Spüren Sie die Folgen des „Toilettenskandals“?

Gata Kamsky hat das vor kurzem in einem Interview für die bulgarische Zeitung  „Trud“ gut zum Ausdruck gebracht. In Amerika gibt es den Begriff „schlechte Werbung“ nicht. Es gibt nur Werbung. Leider gibt es in der Welt, in der wir leben (in der Welt des Schachspiels meine ich), zu viele Amateure. Sie haben nie etwas von Werbung gehört, wissen nicht, was Marketing bedeutet, was echter Professionalismus ist. Weil sie eben Amateure sind. Im Laufe dieses „Toilettenskandals“ wurde über Schach gesprochen. Die New York Times hat den Artikel darüber auf der ersten Seite gebracht. Das war echte Werbung. Keine „schlechte“ oder „gute“, sondern einfach Werbung. Alle fanden es interessant, was da abläuft, während dieses Wettkampfes, in dem zwei sehr starke Schachspieler spielen. Jeden hat dieses Ereignis aufgewühlt.

- Ich werde nicht wegen dieses Skandals „nicht geliebt“. Man gönnt es mir nicht, dass ich Topalov nach oben geführt habe, dass ich das professionellste Schachturnier geschaffen habe, dass ich jetzt den „Grand Slam“ entstehen lasse, dass ich die „Regeln von Sofia“ eingeführt habe. Fünfzig Jahre lang hat man sich den Kopf darüber zerbrochen, wie man die kurzen Remis bekämpfen soll, dabei war alles ganz einfach: Man muss den Spielern verbieten am Brett Gespräche zu führen. Man ist neidisch, eifersüchtig. Aber das sind nicht meine Probleme. Das Schachspiel muss sich erneuern, oder es wird sterben. Eine andere Lösung gibt es nicht.

Sie haben den „Grand Slam“ erwähnt. Gibt es in diesem Projekt irgendwelche Fortschritte?

Wir arbeiten dran. In Bilbao liegen schon €400.000 auf der Bank für das „Masters“ Endturnier. Wie sie in Linares sehen konnten, haben die Organisatoren von drei Turnieren eine Vereinbarung unterschrieben: Wijk aan Zee, Linares, Sofia. Ende des Jahres wird das „Masters“ je nach den entsprechenden Ergebnissen stattfinden. Und Geld für dieses Turnier ist auch schon da. Ich denke, dass das vierte „Grand Slam“-Turnier in Mexiko sein wird, der Bürgermeister ist jedenfalls sehr daran interessiert. Wir arbeiten dran. Wer hat die Sponsoren für die Weltmeisterschaft in Mexiko gefunden? Euer ergebenster Diener. Und hat sich irgendjemand bedankt? Natürlich nicht. Man sagt nur: „Was ist das bloß für ein übler Bursche, dieser Danailov“

Verhält man sich Ihnen gegenüber in Bulgarien anders?

- In Bulgarien werden wir unterstützt. Der Präsident Bulgariens, Georgi Parvanov, eröffnet das Turnier. Das sagt viel aus. Wir haben zuverlässige Sponsoren. Hier ist alles in Ordnung. In Bulgarien wächst der zweite hervorragende Großmeister heran, Ivan Cheparinov. Sein Rating liegt schon bei 2680. Cheparinov birgt großes Potential, schließlich ist er erst 20. In ein paar Jahren wird er um die Krone des Weltschachspiels kämpfen. M-Tel Masters ist in Hinblick auf die Organisation das absolut beste Turnier. Das sagen die Teilnehmer, das geben die Organisatoren anderer Turniere zu, das finden auch die Journalisten. Im Leben Bulgariens ist es ein sehr wichtiges Ereignis sowohl in sportlicher als auch in sozialer Hinsicht. Wir werden uns Mühe geben, damit dieses Turnier für viele Jahre mustergültig und traditionell sein kann.

Ich habe Ihren kleinen Sohn und Ihre kleine Tochter gesehen. Die organisieren schon ihre kleinen Kinderskandälchen… Hübsche, nette Kinderchen. Sind schon ganz schön groß geworden!

- Ja, ich kann mich glücklich schätzen. Ich habe eine großartige Familie, ich habe großartige Kinder, mein Beruf ist mein Hobby. Alles, was ich in meinem professionellen Wirkungskreis erreichen wollte, habe ich erreicht. Vor 15 Jahren habe ich gesagt, dass Topalov Weltmeister wird, und man hat mir ins Gesicht gelacht. Jetzt lacht man nicht mehr. ich habe gesagt, dass die Schachspieler echte Profis werden müssen, wie es sie beim Tennis gibt. Und es ist mir gelungen ein Turnier zu schaffen, bei dem man nach echten professionellen Regeln spielt und mit der Presse spricht, wie es die Tennisspieler bei professionellen Spielen tun. Das Hauptziel ist jetzt der „Grand Slam“. Das ist sehr wichtig. Er wird kommen.

Darüber hinaus kann ich sagen, dass ich im Leben viel Glück habe!

 

 

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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