Silvio
Danailov: "Ich habe viel Glück im Leben!“
Interview von Yuri Vasiliev (Nachdruck in deutscher
Übersetzung aus chesspro.ru)
Vor dem Beginn des dritten Superturniers „M-Tel Masters“
unterhalte ich mich mit dem unternehmerischsten, skandalumwittertsten und
erfolgreichsten Schachmanager der Gegenwart, Silvio Danailov.

Silvio, die erste Frage liegt auf der
Hand: Warum sind die Teilnehmer des dritten Turniers „M-Tel Masters“ nicht so
brillant wie die des ersten und zweiten Turniers?
- Erstens kann ein Turnier der 20.
Kategorie per definitionem nicht schwach sein. Topalov, Mamedjarov und Adams
gehören zu den „Top 10“, Kamsky ist der stärkste Spieler Amerikas, war
WM-Herausforderer Teilnehmer von Herausforderungskämpfen. ein legendärer
Spieler, der zum professionellen Schach zurückgekehrt ist, er ist für alle
interessant. Sasikiran ist ein außerordentlich starker und begabter junger
Großmeister, in Indien der zweite nach Anand. er hatte bislang aber nur ein
Spitzenturnier und einfach nicht die Gelegenheit sich zu zeigen, was er kann.
Diese Möglichkeit wird ihm nun von uns gegeben. Nisipeanu war 2005
Europameister, ein starker Großmeister, er vertritt Rumänien, ein Land, das
zusammen mit Bulgarien vor kurzem in die Europäische Union eingetreten ist.
Das ist, wenn Sie so wollen, eine Geste an unseren Nachbarn.
Sie haben es schon geschafft uns daran
zu gewöhnen, dass bei den „M-Tel Masters“ immer Vertreter der Elite spielen…
- Ich habe die Stärksten alle eingeladen.
Es ist nicht meine Schuld, dass Ivanchuk, der, wie er mir gesagt hat, in Sofia
spielen wollte, Verpflichtungen nachkommen musste, die mit dem Club zu tun
haben, für den er in der russischen Liga auftritt. Aus demselben Grund konnten
wir einige russische Großmeister nicht einladen. Aronian, den wir gerne in
Sofia gesehen hätten, konnte seine Einladung wegen seiner Teilnahme an den
Qualifikationskämpfen nicht annehmen. Die gleiche Geschichte bei Judit Polgar,
nach langen Überlegungen hat sie uns gesagt: „Entschuldige, aber ich muss mich
auf die Kandidatenkämpfe vorbereiten´“. Aus eben dem Grund habe ich Leko nicht
eingeladen, weil ich wusste: dass er absagen wird, weil bei ihm die
Qualifikation für Mexiko vorgeht. Ich verstehe sowieso nicht, warum die FIDE
die traditionellen Termine des Turniers in Sofia bei der Terminvergabe der
Kandidatenwettkämpfe nicht berücksichtigen wollte. Sie hätten die Termine der
Wettkämpfe in Elista ein wenig verschieben können, aber sie wollten nicht.
Und Anand? Er war doch von Sofia und
seinem Empfang dort ganz begeistert?
Anand hat drei Mal hier gespielt – in zwei
Turnieren und einem Wettkampf – mit Topalov. Und jedes Mal wurde er gut
aufgenommen. Er war immer zufrieden. Dieses Mal habe ich ihn eingeladen, er
hat mir geantwortet, dass in Indien zur gleichen Zeit irgendetwas geplant war.
Er hat seine Entscheidung getroffen
Aber wissen Sie, ich bin sogar froh, dass
der heutige „M-Tel Masters“ nicht aus gewöhnlichen Elitespielern
zusammengestellt wurde. Wenn immer die gleichen Leute spielen, wie es lange in
Linares der Fall war, wird es langweilig. Man muss auch den jungen
Schachspielern die Chance geben öffentlich zu zeigen, was sie können.
Sasikiran z.B., der, wie ich schon sagte, in Indien die Nummer 2 ist, hat erst
einmal gegen Anand gespielt (und übrigens gewonnen). Ich bin sicher, dass
dieser junge Spieler demnächst zu den Top 10 gehören wird. Ich bin nicht der
landläufigen Meinung, dass „Stars“ dem Turnier den Namen geben. Nein, ganz im
Gegenteil! Das Turnier macht die „Stars“. Es ist nicht wichtig, wer in
„Wimbledon“ spielt. Sollen ruhig alle starken Spieler absagen, „Wimbledon“
bleibt „Wimbledon“. Alle wissen, dass das „M-Tel Masters“ das professionellste
Turnier ist, bei dem die Großmeister die Partien entscheiden müssen. Das ist
ein Turnier der Kategorie 20. Und alle finden es interessant, neue Namen zu
sehen, die sich hier Stars entwickeln können.
- Eine Frage, die auch auf der
Pressekonferenz zu hören war: Haben Sie auch Kramnik eingeladen?
- Kramnik lebt in einer irrealen Welt. Er
hat auf die Möglichkeit eines Revanchespiels in Sofia mit Topalov verzichtet,
für das er eine Million Dollar bekommen hätte. Und wo er sich befindet, da
gehörte er auch hin. Alle haben gesehen, wo er war, nachdem er sich vor
Kasparov versteckt hat. Er war ein Herr Niemand. Und er wäre ein Herr Niemand
geblieben, wenn wir nicht bereit gewesen wären, den Wettkampf in Elista zu
spielen, wodurch er Weltmeister wurde. Es gab ein unglaublich großes Interesse
am Schachsport nach dem Wettkampf in Elista. Aber Kramnik versteckte sich von
neuem. Diese Verweigerung zeugte ein weiteres Mal, dass dieser Mensch nicht
versteht, in was für einer Welt er lebt. Dem Schach entging eine einmalige
Chance. Das Interesse am Match in Sofia wäre um vieles größer gewesen als in
Elista. Das wäre die goldene Chance fürs Schachspiel gewesen. Aber er hat sie
verpasst, genauso, wie er sie damals verpasste, als er gegen Kasparov zur
Revanche antreten sollte. Jetzt werden wir sehen, wie er mit diesem Titel
umgeht. Im Oktober wird er in Mexiko natürlich verlieren. Und dann wird
er auf die Revanche warten, die der FIDE-Präsident ihm zugesichert hat. Aber
es ist noch die Frage, ob er diese Revanche bekommt: Durchaus möglich, dass er
sie nicht bekommt. In einem Jahr, wenn Kramnik den Titel verloren haben wird,
kann alles mögliche passieren…
Warum sind Sie so sicher, dass Kramnik
seinen Titel in Mexiko verlieren wird?
- Ein solches
Turnier kann nur gewinnen, wer daran gewöhnt ist, starke Turniere zu spielen.
Das könnte Anand oder Aronjan sein, wenn letzterer die Qualifikation schafft.
Es könnte Topalov sein, der daran gewöhnt ist, sehr starke Turniere zu spielen
und viele von ihnen gewonnen hat. Aber dass Kramnik nicht fähig ist ein
solches Turnier zu gewinnen, ist mir persönlich völlig klar. Er könnte „plus
zwei“ oder „plus drei“ bekommen, aber das ist zu wenig, um die
Weltmeisterschaft zu gewinnen.
Und Svidler, Morozevich?
- Wie viele große Turniere hat Svidler in
seinem Leben schon gewonnen?
Svidler hat vier russische
Meisterschaften gewonnen.
- Wann war das? Und was waren das für
Meisterschaften? Haben dort Kasparov und Kramnik gespielt? Das waren Schweizer
System-Turniere, nicht einmal Rundeturniere. Schon bei den russischen
Superfinale als Rundenturnier sah er ziemlich bescheiden aus. Und Morozevich?
Er hat nur ein einziges Mal im Leben in Linares „plus eins“ bekommen, und
schon wird überall laut von seinem „Triumph“ gesprochen. „Plus 1“ ist
natürlich eine große Leistung… Aber davor belegte er in starken Turnieren nur
letzte Plätze. Das Höchste womit Morozevich in Mexiko rechnen kann, ist seine
„50 Prozent“ zu bekommen, die er in San Luis gesammelt hat. Wenn Aronjan
Elista schafft, dann wird es in Mexiko zwei Favoriten geben, wenn nicht, dann
wird Anand der einzige Anwärter auf den Sieg sein.
In welcher Form ist Topalov jetzt, kann
man von ihm eine zweite Besteigung des Olymps erwarten?
- Jetzt beobachten wir eine Euphorie, weil
Anand die Rating-Liste der FIDE anführt. Er ist gerade eben so Erster
geworden, und schon wird so viel Lärm gemacht, als hätte er einen
unglaublichen Wettkampf gewonnen. Veselin war praktisch zwei Jahre lang die
Nummer eins. Er hat in dieser Zeit die meisten sehr starken Turniere gewonnen
oder ist Zweiter geworden. Er hat sich bemüht ein echter Meister zu werden,
hat alle Partien zu Ende gespielt, hat schön gespielt, mit der Presse
gesprochen und überhaupt das Schachspiel voran gebracht. Seinen schwersten
Wettkampf hatte er in Elista. Die ununterbrochene Anspannung begann sich zu
zeigen. Und schon dieses Jahr in Morelia/Linarese wurde uns klar, dass er
keine Energie mehr hatte. Wir begriffen, dass es eine Verschnaufpause geben
musste. Deshalb wurde auf das Turnier in Monaco verzichtet, an dem Veselin
zehn Jahre hintereinander teilgenommen hatte. Jetzt ist er der Zweitbeste der
Welt. Natürlich werden wir uns bemühen dahin zurückzukommen, wo wir mal waren,
aber wir haben nicht vor die Ereignisse zu forcieren.
Hier sieht man von neuem in aller
Schönheit die „Regeln von Sofia“. Anscheinend gefallen sie nur den
Organisatoren, die Profis scheinen von ihnen nicht begeistert zu sein…
- Das ist ganz natürlich, schließlich
müssen sie für das gleiche Geld mehr arbeiten. Aber irgendwann muss man zum
echten Profi werden. Man muss zu Ende spielen, einen ordentlichen Anzug
tragen, ein sauberes Hemd anziehen und zur Partie mit geputzten Schuhen
erscheinen, und nicht in Turnschuhen und T-Shirt. Und nach der Partie muss man
mit der Presse sprechen. Muss, Muss, Muss.. Früher musste man gar nichts. Nimm
dein Geld in Empfang, setzte 15 bis 20 Züge und du kannst wieder gehen, dich
erholen. Aber das konnte nicht ewig so weiter gehen. Entweder wird man
Profispieler, oder man muss weiter in Amateurturnieren spielen.
Spüren Sie die Folgen des
„Toilettenskandals“?
Gata Kamsky hat das vor kurzem in einem
Interview für die bulgarische Zeitung „Trud“ gut zum Ausdruck gebracht. In
Amerika gibt es den Begriff „schlechte Werbung“ nicht. Es gibt nur Werbung.
Leider gibt es in der Welt, in der wir leben (in der Welt des Schachspiels
meine ich), zu viele Amateure. Sie haben nie etwas von Werbung gehört, wissen
nicht, was Marketing bedeutet, was echter Professionalismus ist. Weil sie eben
Amateure sind. Im Laufe dieses „Toilettenskandals“ wurde über Schach
gesprochen. Die New York Times hat den Artikel darüber auf der ersten Seite
gebracht. Das war echte Werbung. Keine „schlechte“ oder „gute“, sondern
einfach Werbung. Alle fanden es interessant, was da abläuft, während dieses
Wettkampfes, in dem zwei sehr starke Schachspieler spielen. Jeden hat dieses
Ereignis aufgewühlt.
- Ich werde
nicht wegen dieses Skandals „nicht geliebt“. Man gönnt es mir nicht, dass ich
Topalov nach oben geführt habe, dass ich das professionellste Schachturnier
geschaffen habe, dass ich jetzt den „Grand Slam“ entstehen lasse, dass ich die
„Regeln von Sofia“ eingeführt habe. Fünfzig Jahre lang hat man sich den Kopf
darüber zerbrochen, wie man die kurzen Remis bekämpfen soll, dabei war alles
ganz einfach: Man muss den Spielern verbieten am Brett Gespräche zu führen.
Man ist neidisch, eifersüchtig. Aber das sind nicht meine Probleme. Das
Schachspiel muss sich erneuern, oder es wird sterben. Eine andere Lösung gibt
es nicht.
Sie haben den „Grand Slam“ erwähnt.
Gibt es in diesem Projekt irgendwelche Fortschritte?
Wir arbeiten dran. In Bilbao liegen schon
€400.000 auf der Bank für das „Masters“ Endturnier. Wie sie in Linares sehen
konnten, haben die Organisatoren von drei Turnieren eine Vereinbarung
unterschrieben: Wijk aan Zee, Linares, Sofia. Ende des Jahres wird das
„Masters“ je nach den entsprechenden Ergebnissen stattfinden. Und Geld für
dieses Turnier ist auch schon da. Ich denke, dass das vierte „Grand
Slam“-Turnier in Mexiko sein wird, der Bürgermeister ist jedenfalls sehr daran
interessiert. Wir arbeiten dran. Wer hat die Sponsoren für die
Weltmeisterschaft in Mexiko gefunden? Euer ergebenster Diener. Und hat sich
irgendjemand bedankt? Natürlich nicht. Man sagt nur: „Was ist das bloß für ein
übler Bursche, dieser Danailov“
Verhält man sich Ihnen gegenüber in
Bulgarien anders?
- In Bulgarien werden wir unterstützt. Der
Präsident Bulgariens, Georgi Parvanov, eröffnet das Turnier. Das sagt viel
aus. Wir haben zuverlässige Sponsoren. Hier ist alles in Ordnung. In Bulgarien
wächst der zweite hervorragende Großmeister heran, Ivan Cheparinov. Sein
Rating liegt schon bei 2680. Cheparinov birgt großes Potential, schließlich
ist er erst 20. In ein paar Jahren wird er um die Krone des Weltschachspiels
kämpfen. M-Tel Masters ist in Hinblick auf die Organisation das absolut beste
Turnier. Das sagen die Teilnehmer, das geben die Organisatoren anderer
Turniere zu, das finden auch die Journalisten. Im Leben Bulgariens ist es ein
sehr wichtiges Ereignis sowohl in sportlicher als auch in sozialer Hinsicht.
Wir werden uns Mühe geben, damit dieses Turnier für viele Jahre mustergültig
und traditionell sein kann.
Ich habe Ihren kleinen Sohn und Ihre
kleine Tochter gesehen. Die organisieren schon ihre kleinen Kinderskandälchen…
Hübsche, nette Kinderchen. Sind schon ganz schön groß geworden!
- Ja, ich kann mich glücklich schätzen.
Ich habe eine großartige Familie, ich habe großartige Kinder, mein Beruf ist
mein Hobby. Alles, was ich in meinem professionellen Wirkungskreis erreichen
wollte, habe ich erreicht. Vor 15 Jahren habe ich gesagt, dass Topalov
Weltmeister wird, und man hat mir ins Gesicht gelacht. Jetzt lacht man nicht
mehr. ich habe gesagt, dass die Schachspieler echte Profis werden müssen, wie
es sie beim Tennis gibt. Und es ist mir gelungen ein Turnier zu schaffen, bei
dem man nach echten professionellen Regeln spielt und mit der Presse spricht,
wie es die Tennisspieler bei professionellen Spielen tun. Das Hauptziel ist
jetzt der „Grand Slam“. Das ist sehr wichtig. Er wird kommen.
Darüber hinaus kann ich sagen, dass ich im
Leben viel Glück habe!