SOAP
UND SCHACH – UND ZWISCHENDURCH IN SCHWEDENS WÄLDERN UNTERTAUCHEN …
von Dr. René Gralla
Fotos: hartmut Metz, Vaile

Das ist der Kult am
Vorabend: Am 10. Februar feiert die ARD 15 Jahre Drehen für den „Marienhof“.
Über 3000 Folgen sind inzwischen ausgestrahlt worden, und einer der neuen
jungen Stars ist die Sängerin Vaile (26), vollständiger Name: Karoline Vaile
Fuchs. Die Musikerin und Schauspielerin, die in Berlin wohnt und in München
arbeitet, liebt gleichzeitig das ehrwürdige Schach – wenn sie nicht
zwischendurch wochenlang in den Wäldern des Nordens untertaucht. Mit Vaile
hat der Autor Dr.
René Gralla gesprochen.
Dr. René
Gralla:
In der ARD-Vorabendserie „Marienhof“ spielen Sie die Jessy, gleichzeitig
beschäftigen Sie sich mit Schach. Soap und Schach
– wie passt das zusammen?
VAILE: Intelligenz und
Soap schließen sich ja nicht aus. Ich bin
Schauspielerin und habe das jahrelang studiert, in Hamburg und New York. In
einer Soap wie „Marienhof“ mitzuspielen, das ist
einfach eine schöne Arbeit. Trotzdem kann ich mich auch für Schach
interessieren.
Dr.
R.Gralla: Wollen Sie damit die bekannten Vorurteile widerlegen: Sie
sind blond – und lieben Schach …
VAILE: … zeitlebens bin ich
in die Schublade „blond“ gestopft worden, das geht mir, Entschuldigung, total
am Arsch vorbei! Natürlich bediene ich Klischees mit meinem Äußeren: das
Klischee vom Püppchen und der blond gelockten
Elfe. Aber sobald die Leute mit mir reden, merken Sie, dass ich kein
wandelndes Klischee bin.
Dr.
R.Gralla: Ärgert Sie das – wenn „blond“ mit „blöd“ gleichgesetzt wird?
VAILE: Warum soll ich mich
darüber aufregen? Falls jemand ernsthaft glaubt, dass „blond“ gleich „blöd“
ist: soll er doch, das ist unter meinem Niveau!
Dr.
R.Gralla: Gibt es am "Marienhof"-Set
Kollegen, mit denen Sie zwischendurch mal eine Runde Schach zocken?
VAILE: Nur von Sven Thiemann
...
Dr.R.GRALLA:
... der in der Serie "Charly" heißt und einen Handwerksbetrieb
führt ...
VAILE: .. weiß ich, dass er
das Spiel beherrscht. Allerdings haben wir bisher noch keine Gelegenheit für
eine Partie gefunden.
Dr.
R.Gralla: Wann haben Sie Schach gelernt?
VAILE: Erst vor drei Jahren,
während einer Reise nach Thailand. Mein damaliger Freund hat es mir
beigebracht.
Dr.
R.Gralla: Was ist das Besondere an diesem Spiel, das oft quälend lange
dauert, bis eine Entscheidung fällt?
VAILE: Schach verlangt, dass
Sie sich dafür Zeit nehmen. Und am Brett sind Ihre Gedanken wunderbar
fokussiert, auf die Manöver der Figuren, und Sie kriegen den Kopf komplett
frei. Das gefällt mir.
Dr.
R.Gralla: Außenstehende meinen, dass beim Schach bloß langweilige
Holzklötzchen herum geschoben werden.
VAILE: Solche Leute haben
noch nie Schach gespielt. Wer Schach kennt, der weiß, wie spannend das ist.
Dr.
R.Gralla: Vergangenen August haben Sie sogar ein richtiges Turnier
besucht, die so genannten „Chess
Classic 2006“ in Mainz. Und dort gleich noch
einen drauf gesetzt, indem Sie, als wäre das übliche Schach nicht schon
kompliziert genug, eine neue Variante ausprobierten, die „Chess960“ heißt.
Der Clou: Vor jeder Partie "Chess960" werden die Startpositionen der
Figuren ausgelost, ändern sich also von Runde zu Runde. Scheint ziemlich
tricky zu sein: Wie finden Sie das?
VAILE: Sehr gut. Schließlich
bin ich in Mainz auf einen richtigen Vollprofi getroffen. Das war
Lewon Aronjan, und der war sogar schon Nummer Vier
der Weltrangliste. Der Mann kennt im normalen Schach die ersten Züge in- und
auswendig und spult die automatisch runter. Während er sich beim "Chess960"
auch jedes mal neu hineindenken muss in das
Spiel.
Dr.
R.Gralla: Ihre Begegnung mit dem gebürtigen Armenier Aronjan, der
mittlerweile in Berlin lebt, war von der besonderen Art. Der hat nämlich die
Partie sozusagen "blind" bestritten, das heißt, er saß mit dem Rücken zum
Brett und zog das Match vollständig im Kopf durch. Das muss eine ziemlich
bizarre Aktion gewesen sein.

VAILE: Eigentlich kann ich
mich an gar nichts mehr erinnern, ich war total aufgeregt. Ich weiß nur, dass
ich auf einmal diesen unglaublich netten zurückhaltenden Menschen vor der Nase
hatte. Und dann waren auch viele Leute um mich herum, die alle gedolmetscht
haben und die genau so aufgeregt waren wie ich. Und dann haben wir losgelegt,
und ich habe versucht, konzentriert zu bleiben, obwohl mir das schwer gefallen
ist. Ich habe schon bessere Partien gespielt (lacht).
Dr.
R.Gralla: Anschließend haben Sie sich in Mainz einem weiteren Härtetest
gestellt. Sie sind angetreten gegen die Hardcore-Finnen
von der Rockband HIM. Die sind nämlich auch Schachfans.

VAILE: Die haben mich
schnell vom Brett gefegt.
Dr.
R.Gralla: Wie das?! Das sind doch Finnen, und deswegen waren die doch
sicher reichlich alkoholisiert!
VAILE: Oh nein, die waren
ganz nüchtern und trocken. Die waren äußerst konzentriert bei der Sache.

Vortrag mit Burton bei den Chess Classic
ND: Haben Sie sich nach
Ihrem Abenteuer in Mainz ein Schachprogramm oder ein Trainingsprogramm für den
PC gekauft?
VAILE: Noch nicht, ich bin
ja auch ohne Noten zur Musik gekommen. Aber vielleicht sollte ich das nächste
Mal doch vorher etwas üben, bevor ich mich noch einmal mit der Weltspitze
messe.

Dr.
R.Gralla: Falls Sie diesen Sommer wie jedes Jahr in Skandinavien
verschwinden, könnten Sie als Lektüre für einsame Abende am Lagerfeuer ein
Schachbuch mitnehmen.
VAILE: Das wäre tatsächlich
mal eine schöne Beschäftigung. Und wenn ich zurückkomme, werde ich
Weltmeisterin (lacht).
Dr.
R.Gralla: Wann sind Sie das erste Mal für ein paar Wochen ausgestiegen?
VAILE: Da war ich gerade 18
Jahre alt geworden. Und ich bin gleich vier Monate lang in die Wälder
gegangen, ganz allein, bloß begleitet von zwei Pferden. Inzwischen haben sich
meine Touren auf einen Monat eingependelt.
Dr.
R.Gralla: Was machen Sie im skandinavischen Wald?
VAILE: Ich habe einen
Schlafsack dabei, Angelzeug und Trockennahrung, vor allem Tütensuppen und
Semmelknödel, die sind ideal. Ziel meiner Reisen ist es, so lange wie möglich
keinen Menschen zu sehen. Und das gelingt mir dort oben ganz gut. Das ist
Blaubeerwildnis, da ist niemand. Meistens bin zu Fuß unterwegs und schleife
die beiden Pferde hinter mir her.
Dr.
R.Gralla: Ist das Ihre Art, sich von der Scheinwelt der
TV-Soaps zu erholen?
Vaile: Genau das! Ich
kümmere mich nicht um saubere Fingernägel und mache mir keine Sorgen, ob ich
gut vor der Kamera aussehe. Und wenn ich dreckig bin, springe ich in den
nächsten See.
Dr.
R.Gralla: Haben Sie trotzdem keine Angst? Wenn Sie sich durch den
Urwald schlagen?

Ausschnitt aus Vaile -Video
Vaile: Beim ersten Mal habe
ich fast Todesangst gehabt.
Dr.
R.Gralla: Und trotzdem haben Sie die Aktion damals nicht abgebrochen?
Vaile: Ich wollte einfach
raus, weg von den Menschen. Und ich wollte herausfinden, wo meine Grenzen
sind. Kanada war zu weit, und die nächstgelegene Wildnis war Schweden. Die
skandinavischen Nordwälder sind einige der wenigen Gebiete, wo man sich noch
verlaufen kann.

Urlaub in Nord-Schweden
Dr.
R.Gralla: Dann sind Ihre Touren richtig gefährlich?
Vaile: Das sind Sie. Aber,
mein Gott, wenn Sie von der Seite rangehen, dürfen Sie das nicht machen.
Dr.
R.Gralla: Sind Sie schon wilden Tieren begegnet?
VAILE: Während eines
Gewitters hat mich mal ein Bär besucht. Ich habe ihn nicht gehört, weil der
Regen zu stark war. Aber als der Wolkenbruch aufgehört hat, fand ich neben
meinem Zelt eine frische Spur. Das muss ein Riesentier gewesen sein.
Dr.
R.Gralla: Haben Sie eine Waffe dabei?
VAILE: Bloß ein Messer, das
würde im Zweifelsfall aber wenig ausrichten.
Dr.
R.Gralla: Trotzdem brechen Sie auch dieses Jahr wieder Richtung Norden
auf?
VAILE: Ich muss das tun, ich
kann gar nicht anders. Ich habe schon die ersten Tütensuppen gekauft.
Dr.
R.Gralla: Wahrscheinlich sind Sie zwischenzeitig eine Art weiblicher
Trapper geworden und kennen sich aus im Busch.
Vaile: Das ist ein wenig
übertrieben, dafür ist das Gebiet viel zu groß.
Dr.
R.Gralla: Wo sind Sie eigentlich unterwegs?
Vaile: In der Nähe der
norwegischen Grenze. Ich brauche vor allem Gras für die Pferde und sauberes
Trinkwasser, dafür ist Schweden ideal
Dr.
R.Gralla: Wie orientieren Sie sich?
Vaile: Einen Kompass kann
ich nicht lesen, aber ich nehme topographische Karten mit. Ich folge
Wasserläufen und Wildpfaden.
Dr.
R.Gralla: Sind Sie die „junge Nehberg“? Auf
den Spuren des bekannten Hamburger Bäckermeisters und
Survival-Experten?
VAILE: Na ja, bei mir geht
es doch weniger um die Kunst des Überlebens. Und das ist nun wirklich eine
Kunst, die der Nehberg mit Raupenessen und
Baumrindeschälen entwickelt hat. Bei mir geht es mehr um die Kunst des Seins,
Sie können das ruhig Selbstfindung nennen.
Dr.
R.Gralla: Haben Sie ein Mobiltelefon dabei?
VAILE: Ja, ein Handy, und
das ist die ganze Zeit aus, damit der Akku geladen bleibt. So dass ich, falls
ich tatsächlich in eine Notsituation geraten sollte, Hilfe rufen könnte. Ich
hoffe, dass ich dann auch Zugang zu einem Netz kriege, der ist nämlich nicht
überall vorhanden.
Dr.
R.Gralla: Ihre nächsten künstlerischen Projekte, abgesehen vom
„Marienhof“?
VAILE: Ein neuer „Tatort“
ist wieder im Gespräch. Und im Sommer veröffentliche ich mein nächstes Album.
Dr.
R.Gralla: Ihre Musik ist rockig. Planen Sie ein Projekt mit den
knallharten Typen von HIM, die Sie ja bereits vom Schach in Mainz her kennen?
VAILE: Die haben mich auch
schon eingeladen, gleich nach Finnland weiter zu reiten, wenn ich auf meinem
nächsten Trip in Skandinavien unterwegs bin. Mal sehen.

HIM. Nüchtern und konzentriert bei der Sache
Dr.
R.Gralla: Sie stammen aus Hamburg. In der Hansestadt wohnt
Smudo, der wie Sie Musik macht und Schach schätzt.
Hätten Sie Lust, mal gegen Smudo zu spielen?
VAILE: Sicher! Obwohl ich
nicht glaube, dass ich gegen Smudo eine Chance
habe (lacht).
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Vaile im „Marienhof“: ARD,
Montag bis Freitag ab 18.20 Uhr; weitere Infos:
www.marienhof.de