Interview mit Wadim Rosenstein, Organisator des WR Chess Masters

von André Schulz
20.02.2023 – Als Wadim Rosenstein sich einen Kindheitstraum verwirklichte und in seiner Heimatstadt ein Weltklassefeld für sein WR Chess Masters zusammenstellte, hatte er über die politischen Nebentöne gar nicht nachgedacht. Er wollte einfach nur Spitzenschach an das Düsseldorfer Rheinufer holen und Ian Nepomniachtchi und Andrey Esipenko gehörten als Weltklasse-Großmeister für Wadim Rosenstein dazu. Russische Schachspieler sind vom Weltschachbund auch nicht sanktioniert. Kritische Nachfragen gab es dennoch. Zu diesen und anderen Fragen nimmt Wadim Rosenstein im Interview Stellung. | Foto: Wadim Rosenstein verfolgt die Partien in der Lounge, hinten Jan Gustafsson (Fotos: André Schulz)

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Wadim Rosenstein ist der Organisator des neuen WR Chess Masters in Düsseldorf. Quasi aus dem Nichts heraus hat er ein Weltklasseturnier zusammengestellt und in seiner Heimatstadt Düsseldorf, im noblen Hyatt Regency Hotel, in einem ebenso erstklassigen Ambiente untergebracht.

Rheinpromenade in Düsseldorf

Das Hyatt Regency Hotel im "Medienhafen" am Düsseldorfer Rheinufer

Die Lobby vor dem Turnierbereich

Zu den Teilnehmern gehört unter anderem Vincent Keymer, der hier gleich nach dem Turnier in Wijk aan Zee Gelegenheit zur Teilnahme an einem weiteren Weltklasseturnier bekommt. Die anderen Spieler kommen aus den den Niederlanden, den USA, Indien, Polen, Usbekistan und aus Russland.

Der Turniersaal. Kein Platz für Zuschauer.

In den internationalen Sportverbänden gibt es eine offene Diskussion darüber, ob man russische Sportler auch dann ausschließen soll, wenn sie nicht für ihr Land, sondern als Individualsportler für sich selbst antreten. Im Schach werden die Spieler aus Russland nicht sanktioniert, wenn sie nicht unter der Flagge ihres Landes, sondern der Flagge des Weltschachbundes teilnehmen. In den Mannschaftssportarten dürfen russische und weißrussische Mannschaften generell nicht teilnehmen. Bei Privaturnieren können die Organisatoren in Bezug auf die Einzelsportler selber entscheiden, wie sie mit den russischen und weißrussischen Spielern verfahren. Manche gehen jeden Diskussionen und öffentlichen Angriffen aus dem Weg und laden russische und weißrussische Spieler nicht ein. Andere sehen auch die russischen und weißrussischen Spieler als Opfer der Politik und des Krieges, laden die Spieler ein und nehmen öffentliche Angriffe in Kauf.

Eine ganze Reihe der russischen und weißrussischen Spieler haben sich gegen den Krieg ausgesprochen, was ihnen Anfeindungen zuhause eingebracht hat. Manche haben das Land verlassen. Hinzu kommt, dass die Verbindungen in der Schachfamilie sehr eng sind, über alle Grenzen und Nationalitäten hinaus.

Das zeigt auch folgende Episode: Am Sonntag morgen vor der Runde wurde ein Blitzturnier mit ukrainischen Kindern organisiert, die mit ihren Familien aus ihrer Heimat fliehen mussten.

Die Teilnehmer des Charity-Blitzturniers für ukrainische Kinder, mit Nastja Karlovich, Sebastian Siebrecht und Wadim Rosenstein

Der Sieger erhielt eine Plakette, ein ChessBase-Schachpaket und durfte außerdem den symbolischen ersten Zug beim nachfolgenden Masters-Turnier machen. Auf die Frage an welchem Brett er denn den ersten Zug ausführen möchte, antwortete der 14-jährige Ukrainer: "Am Brett von Ian Nepomniachtchi."

Erster Zug

Politik spielte in der Vergangenheit im Schach so gut wie nie eine Rolle. Man verstand sich über alle Grenzen hinweg und hatte Freude an der gemeinsamen Liebe zum Schach. Nun dürfen ukrainische Spieler allerdings gegen russische und weißrussische nicht mehr antreten.

Als der Düsseldorfer Unternehmer Wadim Rosenstein sich einen Kindheitstraum verwirklichte und in seiner Heimatstadt ein Weltklassefeld für sein WR Chess Masters zusammenstellte, hatte er über die politischen Nebentöne gar nicht nachgedacht. Er wollte einfach nur  Spitzenschach an das Düsseldorfer Rheinufer holen und Ian Nepomniachtchi und Andrey Esipenko gehörten als Weltklasse-Großmeister für Wadim Rosenstein dazu. 

Im Interview berichtet Wadim Rosenstein, wie es zum WR Chess Masters in Düsseldorf kam und wie es realisiert werden konnte. Er nimmt zu den kritischen Nachfragen zur Teilnahme der beiden russischen Topspieler Stellung und spricht über die Zukunft des Turniers.
 

Interview mit Wadim Rosenstein

André Schulz: Was ist ihre persönliche Beziehung zum Schach?

Wadim Rosenstein: Ich liebe Schach. Mir macht es Spaß Schach zu spielen. Mir macht es Spaß, beim Schach zusammen zu sein. Schach ist für mich das schönste Hobby.

Sie waren in der Jugend aber auch mal für ein Kadertraining ausgewählt…?

Das stimmt, wir haben es damals geschafft, mit der Jugendmannschaft, die Bundesliga-West zu gewinnen…

Mit welchem Verein?

… Mit Köln-Mülheim. Ich habe dann aber bald gemerkt: Weiter komme ich nicht im Schach. Ich bin aber sehr ehrgeizig und möchte immer gerne ganz vorne sein, mit dem was ich mache, und deshalb habe ich mich auf andere Dinge konzentriert und Schach nur noch als Hobby gepflegt.

Wie ist denn der Entschluss gereift, ein solches Super-Großmeisterturnier, wie das WR Chess Masters hier im Hyatt Regency Hotel in Düsseldorf zu organisieren.

Das geht auf ein Versprechen zurück, das ich einmal gegeben habe, als ich 13 Jahre alt war. Es war ein Kindheitstraum von mir, solch ein Turnier hier in Düsseldorf zu organisieren. Jetzt habe ich mit dem WR Chess Masters dieses Versprechen eingelöst.

Wann haben Sie mit der Vorbereitung begonnen?

Das war im Dezember letzten Jahres. Es ging dann relativ schnell. Aber ich habe ein sehr gutes Team, mit Anastasia Sorokina, Nastja Karlovich, Sebastian Siebrecht, die sind super, die sind Profis und die haben das hinbekommen.

Trotz der kurzen Organisationszeit sieht das hier alles sehr perfekt aus. Bei Erstlingsturnieren ist das eher ungewöhnlich. Man merkt, dass hier sehr viel Geld in das Turnier investiert wurde. Darf man fragen, was das Turnier insgesamt gekostet hat?

Einiges. Ich will nicht ins Detail gehen, aber es hat einiges gekostet, was die Organisation angeht. Es hilft natürlich, wenn man eine gewisse Erfahrung bei der Organisation von komplexen Dingen hat. Mit meiner Firma organisieren wir die Logistik von großen Werken und lösen international komplexe logistische Projektlogistikaufgaben. Da ist die Organisation eines Schachturniers eher eine einfachere Aufgabe.

Sie sind Inhaber einer Firma für Logistik, die WR Logistik…

Ich habe mehrere Firmen, unter anderem WR Logistics GmbH und WR Certification GmbH. Die Firmen sind auf den Export von Gütern spezialisiert. Wir arbeiten mit über 40 Ländern zusammen, von Afrika bis nach Australien.

Auch mit Russland…?

Sicher, vor dem Februar 2022 haben wir auch Transporte in Verbindung mit Russland durchgeführt. Ich verstehe aber nicht, warum das in der Berichterstattung immer so hervorgehoben wird. Es haben über 10.000 Unternehmen in Russland gearbeitet. Mein Unternehmen war eines davon.

Danach sind die Geschäfte mit Russland vermutlich beendet worden?

Wir hatten sehr viele Projekte in der Gas- und Ölindustrie. Aber die wurden alle sanktioniert und wurden dann von uns nicht mehr verfolgt.

Sind Sie mit dem Verlauf des Turniers und der Resonanz darauf zufrieden?

Mit dem Turnier bin ich sehr zufrieden. Allen macht es Spaß, ohne Ausnahme. Es gibt nichts, worüber man sich beklagen könnte, außer, dass es keine Zuschauer, kein Publikum gibt. Wir hätten gerne auch Zuschauer hier vor Ort gehabt. Das ließ sich hier in den Räumen aber nicht realisieren. Wir hätten Zuschauer nur in kleiner Zahl zulassen können. Dann hätten sich aber die Schachfreunde beklagt, die wir hätten ausschließen müssen: „Warum dürfen die rein, wir aber nicht!“ Also haben wir hier auf Zuschauer vor Ort hier verzichtet und uns stattdessen auf die Side-Events fokussiert, von denen es eine ganze Menge gibt. Damit auch die Schachfreunde draußen das Turnier verfolgen können, streamen wir die Partien ins Internet und lassen sie live kommentieren. Wir haben einen erstklassigen Kommentator verpflichtet, in Person von Yasser Seirawan. Meines Erachtens ist er einer der besten Schachkommentatoren in der Welt. Ich wollte, dass den Schachfreunden überall auf der Welt das Zuschauen Spaß macht.

In Bezug auf die Resonanz habe ich gemischte Gefühle. Leider wird der Fokus bei der Berichterstattung bisweilen sehr auf die politische Situation gelegt. Ich habe das Turnier aus Freude und Spaß am Schach organsiert. Es war einfach als friedliches Zusammentreffen von Weltklasse-Großmeistern gedacht, ohne politische Nebentöne.

Mit Ian Nepomniachtchi und Andrey Esipenko spielen zwei russische Spieler mit. Bei der Eröffnungspressekonferenz gab es dazu auch kritische Nachfragen. Im Schach ist es ja so, dass russische Spieler bei Individualturnieren überall mitspielen können, dann unter FIDE-Flagge. Welche Rolle spielte die Nationalität der Teilnehmer für Sie?

Bei der Zusammensetzung des Feldes stand für mich nur das Schach im Vordergrund. Die Nationalität spielte überhaupt keine Rolle. Ich wollte ein Top-Turnier mit Weltklassespielern habe. Die beiden sind Weltklasse-Großmeister. Ich habe keinen Einfluss auf sportpolitischen Entscheidungen. Es ist erlaubt, russische Schachspieler einzuladen – sie spielen ja auch anderswo, Esipenko in der Bundesliga zum Beispiel. Nepomniachtchi wird den WM-Kampf spielen. Ich habe sie eingeladen, weil sie super Schachspieler sind, nicht, weil sie Russen sind. Die Idee war, den Schachfreunden und Zuschauern erstklassiges Schach zu zeigen. Und die beiden haben ihren Anteil daran. Einige legen den Finger auf diesen Punkt, nur um etwas Negatives zu finden. Damit muss man als Organisator wohl leben. Ich wollte aber einfach nur ein möglichst starkes Schachturnier auf die Beine stellen.

Und die Finanzierung des Turniers wird komplett von ihrer Firma durchgeführt?

Zu 100%.

Sie spielen ja auch selber, es soll ein Bughouse- (Tandem) Schachturnier geben, da spielen Sie auch mit.

Ich kann nur Bughouse. Schach kann ich so lala. Im Bughouse bin ich besser, da kann ich mitspielen, hoffe ich.

Wadim Rosenstein und André Schulz. Erst Schach, dann Interview.

Das Bughouse-Turnier ist auch ein richtiges Turnier hier als Side-Event…?

Ja, ein richtiges Turnier, mit den Topspielern, die im Masters mitspielen, und wir werden es übertragen. Meines Wissens ist das das erste Bughouse-Turnier, das live im Internet übertragen wird.

Die letzte spannende Frage ist: Wird es eine Neuauflage des WR Chess Masters geben?

Ich denke schon.

Nächstes Jahr schon, gibt es bereits konkrete Pläne?

Das Turnier soll hier erst einmal zu Ende gebracht werden. Dann setzten wir uns alle nochmal zusammen und schauen, was man verbessern kann. Wie ist die allgemeine Resonanz? Wie viele Zuschauer haben wir bekommen? Danach entscheiden wir. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir noch ein Turnier organisieren werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte André Schulz.

 

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.