Zwei Damenopfer sorgen dafür, dass Carlos Torre heute noch berühmt
ist. Mit dem einen Damenopfer gewann er 1925 gegen Emanuel Lasker, bei dem anderen
Damenopfer war Torre der Verlierer.
Gegen Lasker hatte Torre Weiß und nach dem 24. Zug des Schwarzen kam es
zu folgender Stellung:
Weiß gewann mit
25.Lf6! Dxh5 26.Txg7+ Kh8 27.Txf7+ Kg8 28.Tg7+ Kh8
29.Txb7+ Kg8 30.Tg7+ Kh8 31.Tg5+ Kh7 32.Txh5 Kg6 33.Th3 Kxf6 34.Txh6+ Kg5 35.Th3
Teb8 36.Tg3+ Kf6 37.Tf3+ Kg6 38.a3 a5 39.bxa5 Txa5 40.Sc4 Td5 41.Tf4 Sd7 42.Txe6+
Kg5 43.g3 1-0
Das zweite Damenopfer geschah in folgender Stellung:
Adams - Torre, New Orleans 1920
Weiß spielte:
18.Dg4! Db5 19.Dc4! Dd7 20.Dc7! Db5 21.a4! Dxa4 22.Te4
Db5 23.Dxb7! 1-0
Beide Kombinationen sind berühmt, aber die zweite wurde wahrscheinlich
nie gespielt. Die Stellung entstand, wenn man Torres Biograph Velasco glauben
darf, während einer Analyse Torres, zu der er nachträglich eine Partie
erfand. Es spricht allerdings für ihn, dass er dabei in die Rolle des Verlierers
schlüpfte, während sein Trainer und Freund E. Adams den Ruhm des Sieges
einheimsen durfte.
Große Turniererfolge waren Carlos Torre nicht vergönnt. Bereits 1926,
da war Torre etwas über zwanzig Jahre alt, zog sich der Mexikaner vom Schach
zurück, denn seine Nerven machten nicht mehr mit. Am 23. November 1904
in Yucatan, Mexiko, geboren war Torre 1915 mit seinen Eltern nach New Orleans
gezogen, doch 1924 wollte er sein Glück als Schachspieler in New York versuchen.
Nach Erfolgen in amerikanischen Turnieren lud man ihn bald zu großen europäischen
Turnieren ein, wo er mit seinem Talent Aufsehen erregte.
Doch zurück in New York untergruben eine Mischung aus schlechter Ernährung
- angeblich soll er nur von Süßigkeiten gelebt haben -, aufreibendem
Lebenswandel und finanziellem Druck sein Nervenköstum. Später erzählte
er seinem Biographen Velasco: "Ein junger, alleinstehender Mann, mit wenig
und unsicherem finanziellen Rückhalt, weit fort von seiner Familie und
von schwacher Gesundheit, ist immer für Depressionen anfällig. Das
Reisen und der Lebensstil, den das Spielen in hochklassigen Turnieren mit sich
bringt, ist anstrengend und zum verrückt werden", Gabriel Velasco,
The Life and Games of Carlos Torre, Russell Enterprises 2000, S.292,
zit. in
Schachkalender 2005, S.145).
So gab Torre das Schach auf und ging wieder nach Mexiko zurück, wo er am
19. März 1978 in einem Altersheim in Merida starb. Ende 1977, kurz vor
seinem Tod, hatte ihm die FIDE noch den Großmeistertitel verliehen und
ihn damit zum ersten lateinamerikanischen Großmeister gemacht - er selber
wusste von dieser Ehrung jedoch nichts.