Runde 6 (von GM Dorian Rogozenco)
Fotos: Turnierseite
Nisipeanu vor der Partie
In
Ivanchuk-Nisipeanu fiel der rumänische Großmeister erneut Überkreativität
zum Opfer. In einer theoretischen Stellung opferte Schwarz einen Bauern für
Initiative und konnte den gegnerischen König an der Rochade hindern. Ivanchuk
musste sehr genau spielen und im kritischen Moment gelang es dem Ukrainer auch,
die beste praktische Entscheidung zu treffen. Ivanchuk gab den Bauern zurück
und kam zu einem besseren Endspiel. Frustriert über diese Wendung der Dinge
unterlief Nisipeanu ein schwerer Fehler und nach nur 24 Zügen war die Partie
vorbei.
Die Partie
Gelfand-Radjabov war ein komplizierter strategischer Kampf.
Radjabov spielte seinen geliebten Königsinder, aber es schien, als könnte Weiß
sich einen gewissen Vorteil sichern. Doch im 17. Zug fand Radjabov eine hübsche
Ressource, nach der sich die Stellung bis zum Schluss im Gleichgewicht befand.
In einem Endspiel, in dem Weiß zwei Bauern für die Qualität hatte, aber in der
weder die eine noch die andere Seite Fortschritte machen konnte, einigten sich
Gelfand und Radjabov schließlich auf Remis.
Aller Entschlossenheit zum Trotz: Die Partie wurde nur Remis
In
Shirov-Kamsky kam es zur Caro-Kann Vorstoßvariante, in der Shirov
seinen Gegner mit einem hübschen Läufermanöver im neunten und zehnten Zug überrumpelte.
Kamsky verbrauchte viel Bedenkzeit, denn obwohl die Stellung einfach aussah,
war sie sehr unangenehm. Als Shirov seine Königsflügelbauern, die vom Läuferpaar
unterstützt wurden, vorrückte, wurde deutlich, dass Schwarz die Stellung nicht
halten konnte. "Ich habe gut gespielt, ich bin zufrieden", meinte Shirov nach
der Partie.
Was kommt wohl heute aufs Brett?
Ivanchuk,Vassily - Nisipeanu,Liviu Dieter
Kings' Tournament Bazna (6), 20.06.2009
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6 6.Le3 Le7 7.f4
Die Scheveninger Variante. In Runde 5 hatte Ivanchuk dieses System mit Schwarz
gegen Kamsky gespielt.
7...0-0 8.Df3 e5 9.Sf5 Lxf5 10.exf5 Sbd7 11.Lc4
Die wichtigste Alternative ist 11.0-0-0
11...Tc8
Ein neuer Zug. 11...exf4 wurde in der Praxis ein paar Mal mit guten Ergebnissen
für Schwarz gespielt. Zweifellos haben beide Spieler das analysiert und sich
ihre eigene Meinung über die momentane Theorie gebildet.
12.Lb3
12...d5
Nisipeanu opfert einen Bauern. Die Stellung ist extrem scharf. Mit dem König
in der Mitte muss Weiß lange Zeit präzise spielen.
13.Sxd5
13.Lxd5 wird mit dem phantastischen 13...La3 14.bxa3 Txc3 mit weißer Verluststellung
beantwortet.
13...Sxd5
13...e4 ist nicht im Geiste des vorhergehenden Opfers, denn Schwarz muss versuchen,
die Stellung zu öffnen.
14.Dxd5
14.Lxd5 Txc2 ist okay für Schwarz.
14...exf4 15.Lxf4 Lb4+ 16.c3 De7+
Wenn Schwarz zuerst 16...Tc5 zieht, dann spielt Weiß nach 17.Dd3 De7+ 18.Kf2!,
denn jetzt kann Schwarz von c5 aus kein Schach mehr geben.
17.Kf1!
Nach 17.Kf2 Lc5+ 18.Kf3 Sf6 19.De5 Dd7 20.Tad1 Db5 hat Schwarz starke Initiative.
17...Tc5
17...Sf6 gestattet Weiß, mit 18.De5 die Damen zu tauschen.
In dieser Stellung hat Nisipeanu vor allem den natürlichen Zug 18.Dd3 berechnet.
Dem Computer zufolge ist dies auch der stärkste Zug. Doch nach 18.Dd3 opfert
Schwarz mit 18...Df6! einen Läufer und dann sieht die weiße Stellung extrem
gefährdet aus: 19.Dxd7 Txf5 20.g3 und Schwarz hat mindestens Remis: 20...Txf4+
21.gxf4 Dxf4+ 22.Kg2 (oder 22.Ke2 De4+ 23.Kd2 Le7! 24.The1 Lg5+ 25.Kd1 Df3+
26.Kc2 Df2+ 27.Kd1=) 22...De4+ 23.Kg3 De3+=; 19.cxb4 Txf5 20.g3 Se5 21.De4 Sg6
22.Lc2 Te5 23.Df3 Sxf4 24.gxf4 Tfe8 und obwohl er eine Figur weniger hat, steht
Schwarz besser!
Die beste Fortsetzung nach 18...Df6 ist 19.g4, aber einen solchen Zug spielt
man in einer Partie nur sehr ungern.
18.Te1!
Nach langem Nachdenken spielte Ivanchuk diesen starken Zug und allmählich wurde
klar, dass Weiß Vorteil hat. Nisipeanu verbrauchte eine Menge Zeit, aber fand
keine befriedigende Fortsetzung für Schwarz. Schwarz sollte seine Angriffsabsichten
vergessen und auf Verteidigungsmodus umschalten.
18...Dh4
Nach 18...Txd5 19.Txe7 Txf5 20.cxb4 Txf4+ ist 21.Ke1! Sf6 22.Txb7 die genaueste
Fortsetzung - Weiß hat im Endspiel einen Bauern mehr.
19.De4 La5 20.Ld6 Dxe4 21.Txe4 Txf5+ 22.Ke2
Das Läuferpaar sichert Weiß Vorteil, aber der Weg zum Sieg ist noch weit. Mit
seinem nächsten Zug greift Schwarz fehl und erleichtert Weiß die Arbeit.
22...Sc5?
22...Sf6 23.Te7 Ld8 24.Txb7 Te8+ 25.Kd3 Se4 war die einzige Möglichkeit, Widerstand
zu leisten.
23.Te3 Tc8 24.g4
Nach 24... Tg5 25.h4 Txg4 26.Lxc5 wird Schwarz seine Grundreihenschwäche zum
Verhängnis. Deshalb gab Nisipeanu auf.
1-0
Gelfand,Boris - Radjabov,Teimour
Kings' Tournament Bazna (6), 20.06.2009
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Sf3 0-0 6.Le2 e5 7.0-0 Sc6 8.d5 Se7
9.Sd2 a5 10.a3 Ld7 11.b3 c6
12.Ta2
Eine hübsche Methode, um den Turm auf die c-Linie zu bringen.
12...Db8
In dieser Variante des Königsinders möchte Schwarz am Damenflügel vorrücken
(etwas ungewöhnlich in dieser scharfen Eröffnung). Schwarz bereitet den Vorstoß
des b-Bauern nach b5 vor.
13.Tc2 Tc8 14.Sdb1
Weiß erkennt, dass Schwarz die c-Linie öffnen wird, und schützt seinen Springer
auf c3. 14.Ld3 ist die wichtigste Alternative.
14...cxd5 15.cxd5 b5 16.b4 a4
Dieser Zug ist eine Neuerung, obwohl die Idee dahinter bekannt ist: Schwarz
möchte den Damenflügel abriegeln, um anschließend seine Figuren umzugruppieren
und am Königsflügel mit f7-f5 aktiv zu werden.
17.Dd3
17...Sh5!
Radjabov hat ein gutes Gespür für solche Stellungen. Er verliert keine
Zeit und wird sofort am Königsflügel aktiv.
18.Lxh5 gxh5
Natürlich stellen die verdoppelten h-Bauern eine Schwäche dar, aber im Mittelspiel
sind die dynamischen Faktoren wichtiger. Der Bauer auf h5 ist eine Art Köder
- wenn die weißen Figuren sich auf ihn stürzen, dann bekommt Schwarz im Zentrum
oder am Damenflügel Gegenspiel.
19.Lg5 Sg6 20.Sd2 Tf8 21.Tfc1 De8 22.De2 f6
Nach 22...Sf4 23.Lxf4 exf4 24.Dxh5 f5 25.De2 ist nicht klar, ob Schwarz ausreichend
Kompensation für den Bauern hat.
23.Le3 h4 24.h3 Tc8 25.Dh5 f5 26.Sf3 Sf4
26...f4 fängt den Läufer nicht: 27.Lb6.
27.Dxe8 Tfxe8 28.Sxh4 Sd3 29.Sxf5 Sxc1
Während der Partie berechnete Radjabov die folgende Variante: 29...Lxf5 30.exf5
Sxc1 31.Txc1 e4 32.Sxb5 Txc1+ 33.Lxc1 Tc8 (besser ist hier 33...Te5 und Schwarz
hat nichts zu fürchten.) 34.Lf4 Tb8 35.Sxd6 Txb4 36.axb4 a3
und hier dachte er zunächst, dass Schwarz gewinnt. Gerade noch rechtzeitig entdeckte
Radjabov die studienartige Möglichkeit, mit der Weiß den gegnerischen a-Bauern
aufhält: 37.f6! Lxf6 (37...a2 38.Le5) 38.Sxe4 Lb2 (38...a2 39.Sxf6+ Kf7 40.Le5)
39.Sc5 a2 40.Sb3 und nicht Schwarz, sondern Weiß gewinnt. Phantastische Variantenberechnung!
30.Txc1 Lf8 31.Kf1 Tc4 32.Sg3 Tec8 33.Sge2 h5 34.Ke1 Le7 35.Kd2 Kf7 36.Th1
Lf6 37.g3
Da beide Seiten Schwierigkeiten haben, Fortschritte zu machen, einigten sich
die Spieler auf Remis.
½-½
Shirov,Alexei - Kamsky,Gata
Kings' Tournament Bazna (6), 20.06.2009
1.e4 c6 2.d4 d5 3.e5 Lf5 4.Sf3 e6 5.Le2
"In den 90er Jahren habe ich diesen Aufbau oft angewandt, aber später habe ich
andere Systeme probiert. Wenn ich mich nicht irre, dann habe ich 4.Sf3 und 5.Le2
das letzte Mal vor ungefähr zehn Jahren gespielt, weshalb ich meinen Kenntnissen
hier nicht absolut vertraute", meinte Shirov nach der Partie. Tatsächlich hat
Alexey diesen Aufbau das letzte Mal 1998 gespielt.
5...Sd7 6.0-0 Tc8
Ein sehr seltener Zug und höchstwahrscheinlich nicht der beste. Die übliche
Fortsetzung ist 6...Se7.
7.b3 h6 8.c4 Lb4
Eine Neuerung. Schwarz hat bereits andere Züge probiert, aber ebenfalls ohne
viel Erfolg.
9.La3 Da5
10.Lb2!
Ein hübscher Trick. Wie sich zeigt, steht die schwarze Dame auf a5 deplatziert
und so hat Weiß mit Hilfe des Manövers 9.La3 und 10.Lb2 kein Tempo verloren,
sondern eins gewonnen!
10...Dd8 11.Sa3 Se7 12.Sc2 Lxc2 13.Dxc2 0-0 14.Ld3
Weiß hat Raumvorteil und das Läuferpaar. "Ich glaube, hier habe ich Eröffnungsvorteil"
(Shirov).
14...f6 15.a3 La5 16.De2 fxe5 17.dxe5 Lb6 18.Sd4 Lxd4 19.Lxd4 Sf5 20.Lc3
a5 21.Tac1 Sc5 22.Lc2
Die schwarze Stellung ist schlechter, als sie aussieht, da er Probleme hat,
etwas gegen das Vorrücken der weißen Bauernmehrheit am Königsflügel zu finden.
Beachten Sie, dass die schwarzen Springer keine guten sicheren Felder haben.
22...a4
Shirov meinte nach der Partie, dass die beste Chance für Schwarz womöglich das
Bauernopfer 22...Se4 23.Lxe4 dxe4 24.Dxe4 war, wonach Weiß allerdings immer
noch Vorteil hat. Er stellt einen Turm nach d1 und irgendwann kann Weiß Td1-d6
vorbereiten, entweder mit oder ohne vorheriges g2-g4.
23.b4 Sb3 24.Tcd1 Dh4
Auch Kamskys zweiter Damenausflug wirkt zweifelhaft. Andererseits ist seine
Stellung, wie oben bereits gesagt, in jedem Fall sehr unangenehm.
Trotzdem war eine Fortsetzung wie 24...d4 (mit der Idee 25...c5) 25.c5 De7 (25...Se7
26.Lxb3 axb3 27.Txd4 Sd5 28.Dc4) 26.Lb2 Tcd8 vorzuziehen.
25.f4 De7
26.g4! Sh4 27.Le1 Tc7 28.Dd3
Jetzt ist es aus. Zu allem Überfluss war Kamsky auch noch in schwerer Zeitnot.
28...g5 28...g6 29.Lxh4 Dxh4 30.Dxg6+ Kh8
31.Dxe6 ändert nichts.
29.Lxh4 gxh4 30.Dg6+ Dg7 31.Dxe6+ Kh8 32.g5 Te7 33.Dg4 hxg5 34.fxg5 1-0
Stand nach der 6. Runde: