03.06.2013 – Der bulgarische Spieler Borislav Ivanov, der bis Ende letzten Jahres noch ein unbekannter Amateur ohne nennenswerte Erfolge war, seitdem aber regelmäßig renommierte Großmeister schlägt und Turniere gewinnt, steht weiter unter Betrugsverdacht. Alex Karaivanov gibt einen Überblick über die neuesten Entwicklungen im Fall Ivanov, Tiger Lilov analysiert die Parallelen zwischen Ivanov und Houdini. Bericht und Video...
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Ivanov und kein Ende: Ein Turnier in Kustendil
Von Alex Karaivanov
Der Fall FM Borislav Ivanov, der auf mysteriöse Weise zahlreiche starke Spieler in diversen Schachturnieren in Europa geschlagen hat, bleibt ein Rätsel. Hat Ivanov bei seinen Erfolgen betrogen oder ist er ein von allen verkanntes Genie? Immer wieder findet man in Ivanovs Partien eine ungewöhnliche große Übereinstimmung mit den Zugvorschlägen der zur Zeit stärksten Schach-Engine der Welt, Houdini. Erfahrene Meister und Profis sehen, dass Ivanov im Computerstil spielt und haben vor kurzem Petitionen an die FIDE eingereicht, in denen sie die Gründung einer Anti-Betrugs-Kommission durch die FIDE und die ACP fordern, um das immer größer werdende Problem des Computerbetrugs bei Schachturnieren in den Griff zu bekommen.
Unterdessen hört Borislav Ivanov nicht auf, jeden zu schlagen, der es wagt, gegen ihn zu spielen. In diesem Jahr erzielte er schon in Turnieren in Sofia (Bulgarien), Zadar (Kroatien) und Villava (Spanien) Spitzenergebnisse. Mit seinem makellosen Spiel dominiert er weiter lokale und internationale Turniere, wobei all diese Erfolge stets von Verdächtigungen und Spekulationen begleitet werden, über die bulgarische und ausländische Medien ausführlich berichtet haben.
Vor kurzem hat der frisch gekürte FIDE-Meister seine Gegnerschaft beim 2. “Bogomil Andonov” Gedenkturnier einmal mehr dominiert und dieses Schnellturnier, das im bulgarischen Kustendil ausgetragen wurde, mit 7,5 Punkten aus 9 Partien gewonnen. Gegen eine Vielzahl berühmter bulgarischer GMs und IMs, darunter GM Kiril Georgiev (2657), der gerade bulgarischer Meister 2013 geworden war, spielte er erneut im Stile eines Computers.
“Bogomil Andonov” Gedenkturnier – Endstand nach 9 Runden
Borislav Ivanov (links) beim “Bogomil Andonov” Gedenkturnier in Kustendil, Bulgarien
Der junge FM plays spielt schnell und überaus selbstbewusst.
Ivanov gegen GM Kiril Georgiev: Gegen den bulgarischen Meister von 2013 erzielte Ivanov einen klaren Sieg.
Die spektakulären Partien des bulgarischen FM wecken großes Interesse
Nachdem er das “Bogomil Andonov” Gedenkturnier mit 7,5 aus 9 gewonnen hatte, nimmt Borislav Ivanov bei der Siegerehrung Pokal und Preisgeld in Empfang
Ein paar Wochen später erzielte Ivanov beim 1st Cup “Old Capital” International Open erneut ein phantatisches Ergebnis, aber seine Ergebnisse flossen aufgrund einer umstrittenen Entscheidung nicht in die Schlusswertung ein und obwohl er das Turnier in vernichtendem Stil mit 8 aus 9 gewonnen hatte, wurde ihm der erste Preis verweigert. Eine kleine Regeländerung in letzter Minute führte dazu, dass die Organisatoren das Recht hatten, Spieler, die mehr als zwei Partien kampflos gewonnen hatten, zu disqualifizieren. Wenig überraschend erhielt Ivanov keinen Preis, denn drei seiner Gegner waren zu der Partie gegen ihn nicht angetreten. Ivanovs Gegner in der letzten Runde war IM Sasho Nikolov, doch der weigerte sich zum zweiten Mal in diesem Turnier, gegen Ivanov zu spielen (mehr dazu verrät das unten stehende Video Tiger Lilovs) und verdarb sich so ein gutes Turnier, um eine Disqualifikation des unter Betrugsverdacht stehenden Ivanovs möglich zu machen. Eine Liste aller Teilnehmer findet man hier, den Schlussstand (ohne Ivanov) findet man hier.
Borislav Ivanov brauchte nicht lange, um sich an die großen Medien zu wenden, was er ohnehin gerne tut. In zwei Interviews, die von den bulgarischen Sendern BTV and TV7 ausgestrahlt wurden, sprach er über die Disqualifikation und den Preis, der ihm verweigert worden war.
Der “James Bond des Schachs” beschrieb der bulgarische Fernsehsender TV7 Borislav
Ivanov, der in Interviews darüber sprach, wie voreingenommen seine Gegner ihm gegenüber wären.
Doch es war genau diese Vorliebe zu markigen Worten und kurzlebigem Ruhm, die dazu führte, dass Ivanov für alle bulgarischen Turniere offiziell gesperrt wurde. Der bulgarische Schachverband hat Ivanovs abwertende Bemerkungen über Schachspieler im Allgemeinen eindeutig verurteilt und ihn bestraft, weil er das bulgarische Schach mit in etlichen Interviews mit drastischen Aussagen, die in der lokalen und internationalen Presse veröffentlicht wurden, verleumdet und schlecht gemacht hatte.
Ein drastisches Beispiel für Ivanovs chaotische Tiraden gegen Schachspieler im Allgemeinen erschien in einem Artikel in PressaDaily.bg unter der Überschrift: “Leben zwischen Schach und Chalga: Das Wunder von Blagoevgrad hält andere Schachspieler für Arschgesichter.”
Borislav Ivanov im bulgarischen Magazin Pressadaily.bg. Der bulgarische Titel lautet “Leben zwischen Schach und Chalga”
Auszüge:
Schach ist meine Leidenschaft. Jeden Tag trainiere ich drei oder vier Stunden am Brett. Ich habe keine Freundin. Das Problem besteht darin, dass niemand damit rechnet, dass ich gewinne. Ich spiele brillant, weil ich gut trainiere, das ist das Geheimnis. Die Großmeister weigern sich zu akzeptieren, dass ich gut spiele und haben deshalb angefangen, Verdächtigungen zu streuen. Sie haben mich wie einen Riesenterrorist durchsuchen lassen. Ich musste Jacke und Hemd ausziehen. Vielleicht haben sie gedacht, ich hätte eine Bombe um den Bauch. Ich habe das Turnier einfach gespielt und gewonnen.
Die meisten Schachspieler sind absolute Arschgesichter. Zu viele Menschen halten Schach für ein asoziales Spiel. Deshalb sind Schachspieler meistens alte Junggesellen, einsame und unzufriedene Menschen. Aber es gibt auch viele coole Spieler. Ich will dem Stereotyp immer entfliehen. Ehrlich gesagt, schäme ich mich manchmal zu sagen, dass ich Schachspieler bin.
Zusätzlich zur Sperre Ivanovs für die Teilnahme an einer Reihe internationaler offener Turniere, die diesen Sommer in der Nähe von Varna stattfinden, hat der bulgarische Schachverband auf einer zweiten Zusatzklausel bestanden, die sich an den unter Betrugsverdacht stehenden Ivanov richtet und sich auszugsweise so liest: “Aufgrund der allgemein geteilten Ansicht von Experten, die auf ihren Analysen der Partien aus Schachturnieren beruht, die Borislav Ivanov in den letzten 9 (neun) Monaten gespielt hat, und im Zusammenhang mit dem aufgekommenen Verdacht und den Beschuldigungen des Betrugs in etlichen internationalen Turnieren […] empfehlen wir Borislav Ivanov, er möge die Erlaubnis erteilen, mit Hilfe technischer Mittel umfangreiche Tests durchzuführen, was sowohl in seinem Interesse wäre, um seinen Namen reinzuwaschen und auch im Interesse des bulgarischen Schachverbands, der in Zukunft alles in seiner Macht Stehende tun wird, um dieses Problem auf nationaler und internationaler Ebene zu lösen, wenn wissenschaftliche Prüfungen erwiesen haben, dass Ivanov in seinen Partie nicht zu unfairen Mitteln greift."
Valeri Lilov analysiert Ivanovs Partien
Valeri verweist u.a. auf zwei wichtige Dinge: Es wird immer verlangt, dass Leute, die einen Betrugsverdacht äußern, konkrete Beweise für den Betrug vorlegen, z.B., indem sie zeigen, dass ein Spieler ein verborgenes technisches Hilfsmittel am Körper trägt. Aber Leibesvisitationen, die kleine Empfänger entdecken könnten, erfordern eine offizielle Genehmigung eines Staatsanwalts und müssen vorher angekündigt werden, was offensichtlich wenig sinnvoll ist. Und zweitens: aus den Zügen einer Partie kann man eine Menge ableiten. Hier ist ein gutes Beispiel:
Schwarz (Ivanov) am Zug
Offensichtlich steht Schwarz auf Gewinn, vor allem, da er über die Möglichkeit 1...Tc1 verfügt, was den weißen Bauern auf c6 aufhält, den er dann mit ...Ld5 noch einmal angreifen kann. Doch kein Mensch in hoher Zeitnot würde hier den Computerzug 1...Lc4!?!? spielen. Versuchen Sie einmal in ein paar Sekunden herauszufinden, ob dieser Zug gesund ist oder nicht. In seinem Video erläutert Lilov die Feinheiten des Zuges.
Die ausführlichen Analysen von FM Valeri Lilov haben eine zentrale Rolle bei der internationalen Untersuchung des Betrugsverdachts gegen Ivanov gespielt. Viele Quellen haben auf Lilovs Videokommentare bei youtube verwiesen, in denen er die Partien des unter Betrugsverdacht stehenden Ivanovs in Kustendil und Veliko Tarnovo analysiert.
Über den Autor
Alex Karaivanov ist der Manager von FM Valeri Lilov und hat sich in den letzten sechs Jahren um Lilovs Trainerkarriere gekümmert. Er ist CEO und Mitbegründer von Tiger Lilov’s Chess School Präsident des Schachklubs von, Schanghai, Zweig Pudong. Er ist auch an der Produktion von Valeri Lilovs ChessBase DVDs beteiligt.
ChessBaseDie ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.
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