Ivanov wieder unter Verdacht

von ChessBase
18.05.2013 – Borislav Ivanov ist wieder unterwegs. Der bulgarische Amateur hatte sein Leben lang keine herausragenden Ergebnisse erzielt, dann aber plötzlich ein starkes Großmeisterturnier gewonnen. Dieser unerwartete Erfolg und der Stil seiner Partien weckten den Verdacht, er hätte mit Hilfe eines Computers gespielt. Mehr über Ivanov und das Thema Betrug weiß Dejan Bojkov. Zum Artikel...

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Doping im Schach

“Gerry, schnell! Ich habe jemanden entdeckt, bei dem es piept!!!“ Der aus Rumänien stammende Gabriel Mirza war so aufgeregt, dass ihm das passende Wort für den Mini-Coumputer, den er gehört hatte, nicht einfiel, aber er kam in den Spielsaal gerannt, um Gerry Abraham, den Schiedsrichter des Cork Chess Congress in Irland, zu finden und ihn aufzufordern, so schnell wie möglich zur Herrentoilette zu kommen. Dort öffnete Mirza die Toilettentür, hinter der sein Gegner saß, mit Gewalt und zerrte den Verdächtigen aus der Kabine. Es war ein 16-jähriger Junge, der zugab, dass er bei der noch laufenden Partie gegen Mirza tatsächlich einen Computer zu Hilfe genommen hatte. Dieser Vorfall ereignete sich am 21. April, am letzten Tag des Cork Chess Congress in Irland. Zu diesem Zeitpunkt lagen Mirza und sein Gegner mit 3 aus 4 mit einem Punkt Rückstand auf den Führenden und ihren größten Konkurrenten vorne in der Tabelle.



Artikel in der irischen Presse
Die Ergebnisse des Spielers, den man in flagranti erwischt hatte, wurden annulliert und er wurde vom Turnier ausgeschlossen. Genau wie Mirza, der überreagiert hatte. Zuerst hatte er über den oberen Rand der Toilettenkabine geschaut und versucht, seinem Gegner das Computer-Tablet zu entreißen, danach hatte er die Tür aufgebrochen. “Was hätte ich tun sollen?”, meinte der am Boden zerstörte Spieler später. “Was soll man tun, wenn man bestohlen wird?” Dennoch – da ein Minderjähriger in den Fall verwickelt war und Mirza aggressives Verhalten an den Tag gelegt hat, wird die ICU den Fall genauestens untersuchen – http://icu.ie/articles/display.php?id=377

Wäre das ein Einzelfall gewesen, hätte man das Ganze als mehr oder weniger kurios zu den Akten legen können, aber in letzter Zeit geraten die Dinge allmählich außer Kontrolle.

Kurze Zeit nach diesem wunderbaren Turnier in Irland war ich wieder in Bulgarien und schaute bei den Bulgarischen Einzelmeisterschaften vorbei. “Hier ist nur eine Person Thema”, erklärte einer der Teilnehmer, “Borislav (Ivanov)”.

Borislav Ivanov
Nach seinem Erfolg im spanischen Villava hatte Ivanov an einem weiteren Schnellturnier teilgenommen, dem “Bogomil Andonov Memorial” in Bulgarien, das kurz vor Beginn der bulgarischen Meisterschaft stattfand. Ivanov hatte mit 3/3 begonnen, dann gegen IM Sasho Nikolov verloren, um danach drei weitere Siege zu erzielen, zwei davon gegen Großmeister. Peter Drenchev fiel phantastischer Taktik im Endspiel zum Opfer, wohingegen Kiril Georgiev mit einfachen Zügen vom Brett gefegt wurde. Abgesehen vom Ergebnis stießen sich die Großmeister daran, dass ihr Gegner nur sehr wenig Zeit brauchte, um die Partien für sich zu entscheiden. Zudem waren, wie Kiril auf Facebook schrieb, “alle Züge nach dem 10. Zug Vorschläge von Houdini 3.”



Houdinis Vorschläge
Ivanovs nächster Gegner, GM Grigor Grigorov, fand ein einfaches Mittel, um einem möglichen Computerbetrug zu begegnen – er trat gar nicht erst an und verlor kampflos. Dadurch brauchte Ivanov in der letzten Runde nur ein Remis, um das Turnier zu gewinnen.

Die ganze Geschichte ist zu billig und abgeschmackt für ein Turnier, das an eine so wunderbare und offenherzige Person wie Bogomil erinnern soll. Das Preisgeld für den sieger betrug 150 Euro, und wer hier gespielt hat, der wollte kein Geld gewinnen, sondern das Andenken an Bogomil Andonov hochhalten.

Deshalb beschlossen die Teilnehmer der bulgarischen Meisterschaft aktiv zu werden und veröffentlichten folgendes Statement:

“Wir sind zutiefst überzeugt, dass die Person Borislav Ivanov während seiner Partien elektronische Hilfsmittel benutzt.

Wir erklären, dass wir an keinem Turnier teilnehmen werden, in dem er spielen könnte, es sei denn, es gibt spezielle Vorkehrungen, die den Gebrauch elektronischer Hilfsmittel im Spielsaal unterbinden.”

Dieser Brief wurde von fast allen Teilnehmern der Meisterschaft unterzeichnet.

Unterdessen weigerte sich der Organisator des 1-st Open Old Capital in Veliko Tarnovo, Ivanov in seinem Turnier spielen zu lassen, woraufhin Ivanov mit Klage drohte. Ein weiterer Skandal lag in der Luft, doch dann fand man eine raffinierte Lösung.

Ivanov durfte an dem Turnier teilnehmen. Nach einem Remis zum Auftakt gewann er fünf Partien in Folge und setzte sich mit 5,5 aus 6 an die Spitze und alles schien auf einen weiteren Turniersieg von ihm hinauszulaufen. Doch die Sache hatte einen Haken…

Denn die Regularien des Turniers besagten: “Bei mehr als zwei kampflosen Partien eines Spielers oder einer Spielerin, wird er oder sie bei der Preisvergabe nicht berücksichtigt!” Und nun raten Sie einmal, was geschah? In den Runden vier und sechs gewann Ivanov gegen IM Sasho Nikolov und Peter Drenchev, allerdings kampflos. In Runde sieben gewann Ivanov gegen Alex Rombaldoni und in Runde acht trennte er sich von IM Kukov Remis. In der letzten Runde wurde er noch einmal gegen IM Sasho Nikolov gelost. Das war möglich, weil Nikolov in der ersten Partie zwischen den beiden ja gar nicht angetreten war.

Auch zu dieser Partie trat Nikolov nicht an und Ivanov gewann kampflos. Mit 8 aus 9 war er damit eigentlich Turniersieger, aber da er drei kampflose Partien auf dem Konto hatte, sah der Endstand wie folgt aus:

http://old-capital-2013.chessmix.com/standings.html

Unterdessen veröffentlichte die ACP die folgende Erklärung:

“Sehr geehrte Schachfreunde,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass die FIDE die Idee eines speziellen Anti-Betrugs-Komitees unterstützt, in dem eine Reihe von ACP-Repräsentanten vertreten sein werden. Wenn Sie daran interessiert sind, Mitglied dieses Komitees zu werden, dann schicken Sie Ihre Ideen und Vorschläge bitte schriftlich an das ACP-Präsidium: http://www.chessprofessionals.org/about/contact_us.

Wir werden alle Vorschläge prüfen und zwei oder drei unserer Mitglieder wählen, die die ACP im Anti-Betrugs-Komitee repräsentieren.

Lassen Sie uns diese Unsitte gemeinsam bekämpfen!”

Meine Meinung dazu erfahren Sie hier.

Wir freuen uns auf weitere Ideen und Vorschläge, wie man dieses wirkliche Doping im Schach in den Griff bekommen kann!

GM Dejan Bojkov
http://www.dejanbojkov.blogspot.com/

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