Russisches Superfinale: Runden 1 bis 8...
Das Superfinal der Russischen
Meisterschaften
Von Misha Savinov, Moskau
Riecht Schach…
Die Ausrichtung des ersten Superfinales der
Russischen Meisterschaft war 2004 ein Meilenstein für den neuen Schachverband.
Ein lang erwartetes, klassisches Rundenturnier führte in Moskau zu viel
Aufmerksamkeit durch die Medien, aber, und das war am wichtigsten, zeigte auch,
dass der neue Schachverband seine Aufgabe ernst meinte. Nach Jahren, in denen es
ein Schattendasein fristete, wurde das Schach wieder ein beliebter und
finanziell attraktiver Sport. Auch andere Turniere wurden organisiert, zum
Beispiel avancierte die Russische Mannschaftsmeisterschaft zum wohl stärksten
Mannschaftswettbewerb der Welt, und konnte sich durchaus mit der Europäischen
Meisterschaft messen – doch das Superfinale blieb ein Gipfel, den jeder
russische Schachspieler gerne erklimmen wollte. Starke Qualifikationsturniere,
die man höhere Liga nannte, wurden von fast jedem dieser Spieler besucht.
Schach ist ein Spiel der Aufmerksamkeit
Nachdem ich diese Erklärung vorausgeschickt
habe, muss ich jetzt erläutern, warum bei jedem Superfinale ein paar
Spitzengroßmeister ihre Einladungen abgelehnt haben. Karpov schockierte alle,
als er 2004 einen Tag vor Beginn des Turniers seine Teilnahme zurückzog. Aber
das ist Karpov, nicht wahr … 2005 stieg Alexander Grischuk aus, weil der erste
Preis von $50.000 auf $40.000 gesenkt wurde und man diesen Betrag auf die
restlichen Preise aufschlug. Nebenbei bemerkt, sagt uns das nicht etwas über den
verbesserten Lebensstandard eines ‘durchschnittlichen’ Spitzenschachspielers?
2006 entschied sich Alexander Morozevich einfach dagegen, im Superfinale zu
spielen. War er deprimiert wegen seiner schlechten Leistung beim Tal-Memorial?
Wahrscheinlich.
Ohne Morozevich sah man beim diesjährigen
Superfinale ein extrem junges Feld. Vielleicht fällt es westlichen Schachfans
deshalb ein wenig schwer, dem Superfinale zu folgen. Das breite Publikum kennt
Svidler, Rublevsky, vielleicht Jakovenko, womöglich Najer und Inarkiev – aber
wer sind diese anderen Jungs?
Kaffeepause von Sergey Rublevsky, oder hier könnte Ihre Werbung stehen
Glückloser Evgeny Najer
Die Moskauer Sergey Grigoriants und Ernesto Inarkiev
Wie kann man dieses Ding mit drei IMs
‘Super-’ nennen? Pff!
Das jugendliche Superfinale
Wer in 13 Zügen Remis macht, wird brutal interviewt
Der Sieg wird genossen
Ironisch: Marat Makarov, Großmeister, Trainer von Nikita Vitiugov
Also, es ist besser, Sie merken sich diese
Namen! Selbst der komplizierteste … Ian Nepomn… Nepomniachtchi (‘chtch’ ist ein
einzelner Buchstabe im Kyrillischen) ist wahrscheinlich ein weiteres Genie der
1990er Generation.
Ian Nepomniachtchi und Sergey Shipov
Sergey Dolmatov, Trainer der
Nationalmannschaft, glaubt, dass Ian zu Karjakin und Carlsen aufschließen kann.
Morozevich und Shipov gaben ihm wertvollen Unterricht. Die neue Hoffnung des
russischen Schachs ist ein wirklicher Typ, aber dies bestätigt doch eigentlich
nur sein Talent, nicht wahr?
Das Gute an einem Rundenturnier ist, dass es
die Persönlichkeiten der Spieler enthüllt. Wie überstehen sie die Distanz? Wie
reagieren sie auf Niederlagen? Wie gut können sie sich auf bestimmte
Gegnerschaft vorbereiten? Haben sie Angst vor den stärkeren Spielern? Wie gehen
sie mit der Medienaufmerksamkeit um? Und wo weiter und so fort.
Interview mit Shipov
Natürlich waren mir, als ich in Moskau nach
den ersten vier Runden ankam, die Namen gut bekannt, doch ich wollte die
Leute kennen lernen. Und ich bin froh, sie getroffen zu haben, denn
dadurch war ich in Bezug auf das russische Schach gut gestimmt. Diese Leute
haben Stil. Jeder von ihnen.
Schließlich haben sie sich qualifiziert und
das war schwer. Unter denen, die dabei auf der Strecke blieben, befanden sich
(in zufälliger Reihenfolge) Khalifman, Zvjaginsev, Dreev, Motylev, Kobalia,
Bareev, Timofeev, Sakaev… Aus dieser Liste könnte man ein eigenes phantastisches
Turnier zusammenstellen und die jungen Spieler haben sich als stärker erwiesen,
wenn auch nur an diesem Ort und zu dieser Gelegenheit. Ein langweiliger, träger
Mensch, der sich von allen anderen nicht unterscheidet, hätte das per
definitionem nicht geschafft.
Halten Sie dieses Turnier nicht für
uninteressant, nur weil Moro die Einladung abgelehnt hat und das Feld
minderjährig wirkt. Schauen Sie sich die Partien an und ich bin sicher, Sie
finden etwas Interessantes. Werfen Sie einen Blick auf Ernesto Inarkievs
epischen Sieg über Denis Khismatullin, vor allem, wenn Sie Königsindisch-Fan
sind.
Denis Khismatullin hat außer Schach nie irgendeinen Sport betrieben. Glauben Sie
das?
Genießen Sie Sergey Grigoriants’ feine
Behandlung der Najdorf-Variante gegen Evgeny Najer. Lassen Sie sich durch Ian
Nepomniachtchis (vielleicht ‘Nepo’, um es kurz zu machen? Nur ein Scherz)
unglaublichen Kampfgeist inspirieren, der ihn die Partie gegen Dmitry Jakovenko
kostete, aber gegen Big Denis belohnt wurde. Schauen Sie sich an, wie
ungewöhnlich Evgeny Tomashevsky den Kampf beginnt, eine Person, die wirklich
neue Pfade geht.
Der kreative Nikita Vitiugov gewinnt bislang mehr Erfahrung als Partien
Zurück zum Turniergeschehen, am Anfang sah
es so aus, als könnte es zwei Sieger geben, Svidler und Jakovenko.
Die Petersburger sind unterschiedlich gelaunt
Zwei GMs: Zagrebelny ist Journalist, Janovsky Trainer
Svidler ist entschlossen
Zwei andere Spieler mit +2, Alekseev und
Khairullin, haben erst einmal weniger Weißpartien und genießen noch nicht so
eine Autorität bei den anderen Teilnehmern.
Evgeny Alekseev entdeckt einen zauberhaften Zugzwang
Evgeny Alekseev analysiert seine Partie
Vielleicht ist Svidler nicht in seiner
Bestform, aber er arbeitet viel, um das zu ändern.
Vielleicht ist Peter erschöpft, aber er kämpft weiter um die Goldmedaille
Analytische Komplikationen
Er kniet sich wirklich in jede Partie
hinein, und verschmäht manchmal Remisfortsetzungen auf Kosten seiner Stellung,
nur damit er weiterkämpfen kann. Ich denke, solch eine Einstellung müsste von
den Schachgöttern (oder Dämonen? Wer regiert das Schach überhaupt?) belohnt
werden; mit anderen Worten, gelegentliche Glanzpartien von Svidler können
häufiger werden und dann wird er unaufhaltsam sein.
Jakovenko war der offizielle Kommentator des
Superfinales 2004 und jetzt steigt er rasch zu einem Bewohner des schönen
2700-Landes auf. Dieser Mann hat eindeutig etwas vor und sein eiserner Wille
(ähnlich dem von Bareev oder vielleicht bilde ich mir das nur ein) spielt in
diesem Rennen eine ziemliche Rolle.
So hört man auf zu rauchen – die Methode von CoolWizard (der ICC-Nick)
Abgesehen davon gilt Jakovenko allgemein als
einer der besten Endspielkenner der Welt, der sowohl in technischen wie auch
‘kreativen’ Endspielen glänzt. Eine andere Facette seines Spiels besteht in
seiner Verteidigungskunst und … Glück. Glück – oder vielleicht ein gut
entwickelte Intuition. Von Zeit zu Zeit verblüfft Dmitry Leute dadurch, dass er
Partien gewinnt (oder fast verlorene Stellungen Remis hält), indem er eine Reihe
von Idealzügen spielt, ohne sich die Mühe zu machen, wirkliche Begründungen für
sie zu finden. Nicht Smyslov, aber seine Hand weiß auch, wohin sie seine Figuren
stellen muss.
Durchdringende Blicke des amtierenden Meisters
Schach mit Tomashevsky: Die Dame wird zuerst entwickelt
Augenduelle
Im Moment führt Jakovenko das Feld alleine
an, aber ich mache mir ein bisschen Sorgen, dass er müde werden könnte. Die
Niederlage gegen Khairullin war ein Zusammenbruch, der aber nicht einfach so
geschah – einen Tag zuvor spielte Jakovenko eine sehr lange und anstrengende
Partie gegen Nepomniachtchi. In Runde 8 schlug er zurück und gewann gegen Najer,
aber dies war ein typischer Sieg, der langsam aus einer Remisstellung heraus
erzielt wurde. Dmitry scheint den Schwung zu verlieren. Allerdings könnte ihm
der freie Tag helfen, sich zu regenerieren.
Ein buddhistischer Ausspruch besagt, dass
alles miteinander verbunden ist. Dies ungewöhnlich jugendliche Superfinale
findet während eines Moskauer Winters statt, der wahrscheinlich der wärmste
aller Zeiten ist (überhaupt kein Schnee und jeden Tag Temperaturen um die +8
C°). Die Zeiten ändern sich, nicht wahr. Wenn wir die Änderungen akzeptieren und
ihnen folgen, dann bleiben wir in der Gegenwart. Andernfalls riskiert man, in
der Vergangenheit zu bleiben.
Gehen Sie schon?
Nöö, wir bleiben, um zu sehen, wie die anderen analysieren
Kateryna Lahno trifft Vladimir Barsky
Aus den Kommentaren nach der Partie kann man immer etwas lernen
Kennen wir uns?
So, die Party endet um 5 Uhr morgens?
P.S. Wie versprochen, Jungs, keine Fotos von
Ernesto Inarkievs Geburtstagsparty! Ernesto, noch einmal vielen Dank, das war
großartig!