Jens Beutel
stählt die Gegner für Platz zwei
Mainzer Oberbürgermeister mit Leib und Seele bei Chess
Classic dabei
Von Hartmut Metz
Mit Jens Beutel
verbinden Schachspieler seltener das Amt des Mainzer Oberbürgermeisters. Für die
Denkstrategen steht er als Garant der Chess Classic Mainz. Fünfmal machte das
weltbekannte Turnier seit seiner Übersiedlung von Frankfurt Station in der
rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Dabei ist der am 12. Juli seinen 60.
Geburtstag feiernde Sozialdemokrat immer mit Leib und Seele mit von der Partie –
das Stadtoberhaupt nimmt sich auch diesmal Urlaub, um vom 15. bis 20. August in
der Rheingoldhalle selbst mitspielen zu können. Als erfahrener Oberligaspieler
hat Beutel schon manchem Profi im Ordix Open schwer zugesetzt. Mit
Oberbürgermeister Beutel unterhielt sich Hartmut Metz.
Frage:
Herr Beutel, das halbe Dutzend Chess Classic Mainz wird vom 15. bis 20. August
voll. Wie lautet Ihr Fazit nach fünf Austragungen?
Beutel:
Sie waren überwältigend! Die fünf Veranstaltungen bescherten auch der Stadt
Mainz weltweit ein positives Image. Ich als schachbegeisterter Oberbürgermeister
freue mich natürlich besonders, Jahr für Jahr die Weltklasse begrüßen zu können.
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Förderer des Schachs in Mainz: Jens Beutel (links) und CCM-Organisator
Hans-Walter Schmitt. Rechts DSB-Präsident Alfred Schlya.
Frage:
Was waren Ihre ersten Gedanken, als sich 2001 die Chance bot, das weltberühmte
Turnier von Frankfurt nach Mainz zu lotsen?
Beutel:
Ich kannte Organisator Hans-Walter Schmitt bereits ein bisschen von Frankfurt
her. Es freute mich natürlich, dass so viel Vertrauen in die Stadt Mainz und
mich investiert wurde. Natürlich war das auch für mich eine enorme Aufgabe, denn
ganz ohne finanzielle Unterstützung geht das ja nicht. Diese Erwartungen konnten
wir gut erfüllen. Mich freut besonders, dass es uns langfristig gelang, das
Turnier an die Stadt zu binden und Sponsoren bei der Stange zu halten. Die
Verlässlichkeit ist wichtig für die Organisatoren wie die Spieler, die sich nach
dem letzten Zug schon auf den nächsten Event im Jahr darauf in Mainz freuen
können.
Frage:
Wie sehen Sie die Entwicklung des weltweit bekannten Schachturniers in Mainz,
das neben Fußball-Bundesligist 1. FSV 05 die größte sportliche Ausstrahlung für
die Stadt hat.
Beutel:
Die Chess Classic erzielen innerhalb der Stadt nicht nur bei denen
Aufmerksamkeit, die selbst dem Denksport frönen. Viele schnuppern einfach mal
rein, um sich von der Atmosphäre gefangen nehmen zu lassen. Daher glaube ich,
dass die Veranstaltung dem Schachspiel ein neues Publikum zuführt, bei dem man
vorher gar nicht daran dachte, dieses gewinnen zu können.
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Jens Beutel und Antoaneta Stefanova
Frage:
Welches ist Ihr persönlicher Höhepunkt aus dem umfangreichen
Programm 2006?
Beutel:
Ich gönne mir immer in der Zeit der Chess Classic Urlaub, um nahezu freie Tage –
ganz freie sind es nie - zu haben. Neben der Schnellschach-Weltmeisterschaft
zwischen Anand und Radjabow und der Chess960-WM zwischen Swidler und Aronjan
finde ich auch stets das Ordix Open beeindruckend. Mehr als 500 Teilnehmer
dieser Güte hat man rund um den Globus nirgends in einem offenen Wettbewerb
versammelt.
Frage:
Sie werden doch sicher auch wieder mitspielen?
Beutel:
Ja, natürlich. Ich habe ansonsten leider viel zu wenig Zeit für Schach. Ab und
an spiele ich morgens eine Partie im Internet. Deshalb freue ich mich stets
darauf, wenigstens für ein paar Tage im Schach versinken zu können. Ich nehme am
Ordix Open wie am FiNet Chess960 Open teil. Mal abwarten, was das Chess960 für
mich bringt. Zudem möchte ich sehen, was der Weltranglistendritte Levon Aronjan
kann – gegen ihn trete ich im Simultan an.
Frage:
Wie sind Sie zum Schach gekommen?
Beutel:
Durch Eigeninitiative mit 13 Jahren. Für heutige Verhältnisse ist das schon alt.
Mancher ist da heutzutage bereits Großmeister. Ich brachte es mir aus einem Buch
selbst bei. Kurz danach interessierten sich auch einige Schulkameraden dafür, so
dass es zu Klassenmeisterschaften kam. In den Verein trat ich erst mit 19 ein.
Frage:
Dafür sind Sie aber erstaunlich stark geworden.
Beutel:
Zwischen 13 und 20 übte ich auch intensiv. Dass ich mich erst so spät einem Klub
anschloss, lag daran, dass es in meinem Ort, in Fritzlar, gar keinen
Schachverein gab. Als ich mit 19 nach Mainz kam, trat ich gleich in einen Klub
ein.
Frage:
Und wie hat sich Ihre Laufbahn entwickelt?
Beutel:
Ich hatte nicht einen sooo großen sportlichen Ehrgeiz. Bis zum Aufstieg in die
Oberliga reichte es. Ich wurde auch zweimal Rheinhessen-Meister und mehrfacher
Mainzer Stadtmeister, als diese Titelkämpfe noch stark besetzt waren.
Überregional nahm ich jedoch an keinem Wettbewerb teil, nimmt man zwei
Rheinland-Pfalz-Meisterschaften aus, für die ich mich qualifiziert hatte. Da
gelang mir indes nichts Besonderes.
Frage:
Trainieren Sie noch?
Beutel:
Nein, nur ab und an spiele ich – wie bereits erwähnt - morgens im Internet.
Außerdem halte ich mich durch die Lektüre der „Rochade Europa“, des
„Schach-Magazin 64“ und des „New in Chess“ auf dem Laufenden. Die drei Hefte
studiere ich relativ intensiv und entdecke in einigen Partien, auch wenn ich sie
nicht auf dem Brett nachspiele, das ein oder andere Interessante.
Frage:
Morgens blitzen Sie?
Beutel:
So um 5 Uhr bin ich noch nicht ganz hellwach, weshalb ich
Fünf-Minuten-Blitzpartien spiele mit Zugabe von fünf Sekunden je Zug. Ich werde
schließlich bald 60, da ist man nicht mehr so schnell. Ich muss schauen, dass
ich noch mithalten kann (lacht).
Frage:
Haben Sie weitere Hobbys?
Beutel:
Im Handball war ich gut und spielte in der Regionalliga. Zudem spielte ich
Fußball – eigentlich betrieb ich alle Ballsportarten mit Ausnahme von
Volleyball. Und jetzt sind die Knie kaputt, deshalb muss ich Oberbürgermeister
spielen …
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Jens Beutel (rechts) gegen Alexander Morozewich
Frage:
Bitte tippen Sie die Endresultate der Zweikämpfe: In der
GrenkeLeasing-Schnellschach-WM will der junge Aserbaidschaner Teimour Radjabow
Seriensieger Viswanathan Anand ablösen.
Beutel:
Radjabow wird mit seinen 19 Jahren zunehmend stärker, aber kann noch längst
nicht mit Anand mithalten. Angesichts dessen riesiger Erfahrung prognostiziere
ich einen klaren Sieg für den Weltranglistenzweiten, sagen wir 5:3.
Frage:
Im Chess960, bei dem die Grundstellung der Figuren vor der Partie ausgelost
wird, fordert der Weltranglistendritte Levon Aronjan den –vierten,
WM-Titelverteidiger Peter Swidler.
Beutel:
Das ist ein ganz schwerer Kampf. Da halte ich nahezu jedes Ergebnis für möglich.
Ich lege mich jedoch auf ein 4,5:3,5 für Aronjan fest. Er hat in den letzten
Monaten toll gespielt bei all seinen Erfolgen im Weltcup, im spanischen Linares
und beim armenischen Gold-Gewinn bei der Schach-Olympiade.
Frage:
Erstmals gibt es dank Namenssponsor Clerical Medical gleich vier
Chess960-Weltmeisterschaften. Kann bei den Damen die Erfurterin Elisabeth Pähtz
die Russin Alexandra Kosteniuk bezwingen?
Beutel:
Ich halte Kosteniuk doch noch für stärker und glaube, dass sie unser
Damen-Aushängeschild mit 4,5:3,5 schlagen wird.
Frage:
Bei der U20-WM trifft die deutsche Nummer eins Arkadij Naiditsch auf den Inder
Pentala Harikrishna.
Beutel:
Da bin ich auch unschlüssig, alle Resultate sind denkbar. Ich tippe deshalb auf
ein 4:4 und eine Entscheidung in der Blitz-Verlängerung.
Frage:
Und bei den Senioren messen sich Publikumsliebling Vlastimil Hort und der Ungar
Lajos Portisch.
Beutel:
Ich favorisiere den jüngeren Hort. Portisch ist mit 69 sieben Jahre älter – das
macht etwas aus.
Frage:
Das Ordix Open und das FiNet Chess960 Open sind eine klare Sache. Unter den mehr
als 500 Teilnehmern mit zahllosen Großmeistern kann nur Oberbürgermeister Jens
Beutel Platz eins belegen …
Beutel:
Das stimmt. Für mich ist allerdings noch unklar, wer Zweiter wird (grinst).
Frage:
Wen haben Sie diesbezüglich auf der Rechnung?
Beutel:
Meine Erstrunden-Gegner aus den Vorjahren sind nun so gestählt, dass sie jetzt
reif für den Sprung nach vorne sind! Den Russen Morosewitsch, Grischuk und
Drejew traue ich Platz zwei zu.
Nachstehend eine Kostprobe des Könnens von Jens Beutel aus dem Jahre 1982. Die
Partie kommentierte FIDE-Meister Gerd Treppner für die Fachzeitschrift „Rochade
Europa“ (Ausgabe 7/2006).
Beutel gegen Bandl...