ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
In aller Kürze
Von Jeroen van den Belt
Es ist jetzt 1.55 Uhr niederländische Zeit, irgendwo in 11 km Höhe über dem Land
Amerika, in einer rüttelnden Boeing 767. Um mir die Zeit zu verkürzen, schreibe
ich schnell ein paar persönlichen Eindrücke des Wettkampfes zwischen Garry
Kasparov und X3D Fritz auf.
Es begann im schon Juli 2003. Ich war zu einem ersten Test in New York. Wir
wollten zusammen mit Kasparov ausprobieren, ob es technisch möglich war, eine
Schachpartie in Virtual Reality zu spielen. Der Sponsor und Veranstalter des
Wettkampfes Mensch gegen Maschine ist X3D, eine Firma die 3D-Brillen und
3D-Plasmabildschirme verkauft. Nach ein paar Stunden Überlegung und mit Kasparov
war die Sache im Prinzip klar. Der beste menschliche Schachspieler sollte
währende der Partien gegen X3D-Fritz eine 3-D-Brille tragen und seine Züge
sprechen. Eine Spracherkennung würde seine Ansagen umsetzen.
Kasparov ist zufrieden
September, Oktober 2003
Der November kommt immer näher. Langsam wird es Zeit, sich noch ein paar
Gedanken zu machen, damit bei der Veranstaltung nichts schief geht. Meine
Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen dass die Partie technisch perfekt über
die Bühne geht. Dabei musste ich mich allerdings um die schachspezifischen
Dinge, Eröffnungsfragen und Ähnliches, nicht kümmern. Dafür wäre ich auch ein
viel zu mäßiger Spieler. Andere im Team können das besser.
Was musste also getan werden? Im Grundriss musste die Planung
einiger Dinge fertig gestellt werden: 3D-Schachbrett, Joystick,
Spracherkennung, die Partie soll live im Internet zu sehen sein. Außerdem
dachten wir schon an Multimedia-Interviews, die während der Schachpartien live
gesendet werden sollten.
Es sollten vier Partien gespielt werden, mit (fast) klassischer Zeitkontrolle.
Kasparov bekam von nun an regelmäßig eine Zwischenversion zugeschickt, damit er
sich an den 3D-Aspekt und an die Maschine gewöhnen konnte.
Die letzten Wochen vor dem Schachspiel habe fast nichts Anderes
mehr getan als Änderungen an der 3D-Performance zu implementieren und zu testen.
Es gab noch einige spezielle Anforderungen und Wünsche. Bis zum letzten Tag vor
meiner Abreise war ich noch damit beschäftigt. Kasparov wünschte sich noch eine
Extra-Funktion des Joysticks, damit er das 3D-Brett damit um 180 Grad drehen
kann.
9. November
Mit Spannung gingen wir nach New York. „Wir“, das Fritz-Team, das waren folgende
Personen: Frederic Friedel, Alexander Kure, Mathias Feist und ich. Der
Wettkampfort würde der New York Athletic Club sein, in der Nähe vom Central
Park. Im gleichen Gebäude, es hat 20 Stockwerke, hatten wir auch unsere
Hotelzimmer. Anfangs dachte ich dass der New York Athletic Club eine Art Verein
war, so wie ein Leichtathletikclub in Deutschland oder den Neiderlanden. Doch
nach der Ankunft wurde es schnell klar, dass es sich um einen exklusiven
Privat-Club handelt, mit exquisitem Ambiente in seinen Räumen und
vorgeschriebenen Dress-Code. So musste man einen Schlips tragen, sogar zum
Frühstück (oder hungern!). Mit dem 3-D-Brett war mit Sicherheit alles klar, aber
an einen Schlips hatte ich nicht gedacht. Zum Glück kann man das aber in New
York kaufen, vermutete ich.
New York
Montag 10. November
Weil ich noch immer Probleme wegen dem Zeitunterschied zwischen Europa und
Amerika hatte (6 Stunden), dem Time Lag, wurde ich sehr früh wach. Zu früh. Ich
beschloss, vor dem Frühstück nach einem Schlips Ausschau zu halten. Nach einer
Stunde Spazierengehen fand ich welche. Um im Gegensatz zu allen anderen Dingen,
die es in New York gibt, waren die echt billig: 0.99 Dollar.
Mit Schlips kam ich dann auch in den Frühstücksraum hinein.
Danach folgte der Aufbau der Apparate und das Testen den Zusammenspiels. Es
klingt auf den ersten Blick eigentlich ganz einfach: 1 Computer mit 3D-Bord und Schachengine und
schon ist alles fertig. Nicht ganz. Ich nehme mir die Zeit, zu verdeutlichen,
worum es in Wirklichkeit geht.
Wenn Kasparov spielt, will er nicht von dem Lärm der 4 Prozessor Maschine,
auf der Fritz spielen sollte, gestört werden. Also musste die Maschine in einem
Nebenraum stehen. Die Züge von Kasparov würden von einer Spracherkennung
interpretiert und weitergeleitet. Dies musste dann noch von einem Operator
kontrolliert werden. Derselbe Computer der die Spracherkennung besorgt, ist auch
für die Zeitnahme verantwortlich. Ein dritter Computer generiert das Bild auf
dem Monitor, der vor für Kasparov steht. Computer Nr.2 schreibt bei jedem Zug
einen Bestand, Computer Nr.3 liest den Bestand. Ein vierter Computer ist nötig
um ein 3D Bild für das Live-Fernsehen zu liefern. Ein fünfter Computer wird
gebraucht um das 3D-Bild für das Publikum zu liefern. Ein sechster Computer
musste für ein 2D-Diagramm für das Publikum zur Verfügung stehen. Ein siebter
Computer wurde gebraucht, um die offizielle Zeit einer DGT-Uhr zu lesen. Nr.8
musste Dateien für einen XML-Bestand schreiben, welche dann die Internet
Übertragung versorgen. Und der neunte Computer wurde für die Live-Interviews
gebraucht. Neun Computer, also, die alle miteinander in Verbindung stehen und
kommunizieren.
Auf allen Computern wurde eine spezielle Version von Fritz installiert, die alle
diese Dinge verarbeiten kann. Irgendwann Mittags war dann alles fertig, das
Fernsehteam von ESPN hatte auch bereits einige Kilometer von Kabeln gelegt. In der
zwölften Etage des Hochhauses würde Kasparov sitzen, die Zuschauer im neunten
Stock. Viele Kabel gingen also vom 12. in den 9 Stock, 3 Etagen tiefer. Um 17
Uhr kam Kasparov auf der zwölfte Etage, um eine Probe zu machen. Ich unterhielt
mich kurz mit ihm und fragte, wie er die Sache sieht. Dann machten wir Tests mit
der Spracherkennung.
Mathias Feist, Jeroen van den Belt und Garry Kasparov
Schiedsrichter Albert Vasse (li.) ist hinzu gekommen
Dienstag 11.November
Der erste große Tag ist gekommen. Alles noch schnell ein paar Mal testen. Um 12
Uhr, eine Stunde vor der ersten Partei, schien es, als ob es niemals alles
fertig werden würde, aber um 13 Uhr ging es dann tatsächlich los. Für mich
persönlich war das der spannendste Moment meiner beruflichen Laufbahn. Ob alles
gut geht? Kein Bug, kein Screensaver vergessen, der plötzlich mitten in der
Partie auf Kasparov Monitor auftaucht. Mit Spannung verfolgte ich den Beginn der
ersten Partie. Alles verlief aber nach Plan. Ich selber war viel zu sehr
beschäftigt als das ich die Partie groß hätte verfolgen können. Meistens saß ich
neben Mathias Feist, der die Wettkampf-Maschine bediente, ein Computer mit vier
Xeon Prozessoren, die 4,3 Millionen Positionen pro Sekunde berechnen kann. Ab
und zu lief ich zur neunten Etage, wo das Publikum saß.
Ende der Partie. Remis und große Erleichterung meinerseits. Nicht so sehr wegen des
Remis, sondern weil alles technisch so gut funktioniert hat.
36000 Fußhöhe, erwartete Ankunftszeit 7.15. Eine halbe Stunde früher als
geplant.
Donnerstag, 13.November
Als Schiedsrichter wurde Albert Vasse ausgewählt, inzwischen internationaler
Schiedsrichter. Er war mit uns zusammen angereist. Die zweite Partie sollte
gleich beginnen, doch alles stand genau wie bei der ersten Partie, also falsch
herum, denn diesmal würde Kasparov ja die schwarzen Steine haben. Ich
wurde herbei gerufen. Das Brett musste umgedreht werden.
In einer Minute war das getan. Doch diese Partie verlor Kasparov. Und plötzlich beklagte er sich über vieles, was ihn gestört hatte. Kasparov wurde nervös. Die nächste Partie sollte erst in drei Tagen beginnen. Gerne hätte ich etwas von New York gesehen, aber das klappte nicht. Zusammen mit Frederic Friedel waren wir bei verschiedenen Leuten zu Besuch, auch bei Schachspielern. Nun weiß ich dass Susan Polgar und Anne Hahn nicht nur hervorragend Schachspielen können. Beide kochen auch ganz toll.
US-Meisterin und "charming girl" Anna Hahn mit Jeroen van den
Belt
Frederic Friedel und Susan Polgar
Sonntag 16.November
Die dritte Partie gewann Kasparov relativ leicht. Die von ihm provozierte
geschlossene Stellung war zu schwierig, um darin erfolgreich zu rechnen.
Wir gaben innerlich auf, als Fritz anfing, merkwürdige und wenig
stellungsgerechte Züge zu spielen. An diesem Tag war es richtig voll in dem Saal
auf der neunten Etage. Viele Leute die ich beim ersten Treffen im Sommer gesehen
hatte, waren heute auch wieder da, Yasser Seirawan, David Levy, Joel Lautier,
Irina Krush, Lev Alburt oder Paul Hoffmann, und natürlich man kam schnell wieder
ins Gespräch und konnte Interviews machen.
Frederic Friedel, Lev Alburt, Frans Morsch und Michael Greengard
(MiG)
Frederic Friedel interviewt....
...Jennifer Shahade. Rechts. Der "Tagebuch" - Autor Jeroen van
den Belt.
Dienstag 18.November
Die letzte Partie. Alex Kure hat die ganze Nacht an allerlei
Eröffnungs-Varianten von Fritz gearbeitet. Während der Partie blieb ich die
ganze Zeit im Raum, weil es sehr spannend war. Die Partie war aber dann schnell
vorbei. Der Wettkampf endete 2:2 und alle haben gewonnen.
Kasparov unterzeichnet das Formular der vierten Partie.
Dank der Fernsehübertragungen, über 17 Stunden, den vielen Zeitungsberichten und der Internetberichte hat das Schach einen großen Impuls bekommen. Nun war Zeit für ein Bier an der Bar, zu dem uns X3D einlud. Nach ungefähr einer Stunde kam ein kleiner Mann in schwarzem Anzug auf mich zu: "You are wearing Nikes Sir, that’s not allowed here.“ Sportschuhe waren hier nicht gerne gesehen und ich musste verschwinden.
Mittwoch 19.November
Der Wettkampf war vorüber. Es gab noch eine Pressekonferenz, wobei ein paar
Journalisten anwesend waren. Kasparov erklärte einige kritische Stellen des
Wettkampfes und zeigte mit Hilfe des neuen ChessBase Media Systems Varianten.
Beim Media System werden Brettzüge und Video gleichzeitig aufgenommen. Es ist
13.30 Uhr. Um 14 Uhr musste ich zum Flugplatz. Kasparov und sein Manager Owen
Williams luden mich zum Essen im zweiten Stock ein. Als wir am Eingang standen,
kommt wieder der kleine Mann auf mich zu. Denn kenne ich aber schon und weiß,
was er von mir will. Also verabschiede ich mich und trete den Heimweg an.
Noch 1 Stunde und 30 Minuten bis Schiphol.
Es war ein besonderes Erlebnis für Kasparov, für
uns, und für den Rest der Schachwelt.