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Nachdruck der Kolumne von Stefan Löffler in der FAZ, mit freundlicher Genehmigung
„Jetzt kann ich sprechen“, betitelte Ludêk Pachman seinen Lebensbericht als Antwort an diejenigen, die ihn zum Schweigen zwingen wollten, indem sie ihn als Profi unmöglich machten.
Zur Schacholympiade in Lugano im Herbst 1968 fuhr er nicht als Spieler, sondern um den Ausschluss der Warschauer Pakt-Staaten zu fordern, deren Einmarsch den „Prager Frühling“ gewaltsam beendet hatte. Zwei der folgenden vier Jahre verbrachte der Großmeister, der vom Stalinisten zum Sprecher der Reformer und schließlich zum Katholizismus konvertierte, in Haft.
In einem Telefoninterview über den WM-Kampf Fischer-Spasski plauderte Pachman seine Ausreisepläne aus. Zuvor wurden er und seine Frau Eugenie tagelang von einem Grenzposten zum nächsten geschickt, damit er auf der deutschen Seite nicht gleich eine Pressekonferenz abhalten konnte. Noch in der Nacht auf den 29.November 1972, in der er in München eintraf, gab er Interviews.
Der Solinger Bundesligaverein besorgte eine Wohnung. Sein Schachverleger Walter Rau brachte seine Memoiren heraus. Der Springer-Verlag lud zu einer Simultanvorstellung und alimentierte ihn später für Schachkolumnen und politische Kommentare.
Die vor der Ausreise erteilte Drohung wurde wahrgemacht: Der Ostblock untersagte seinen Spielern, gegen den Abtrünnigen anzutreten. Beim Solinger Jubiläumsturnier 1974 kam es zum Eklat. Boris Spasski, der führende DDR-Spieler Wolfgang Uhlmann und drei weitere Osteuropäer hatten Order abzureisen, wenn Pachman teilnimmt. Stattdessen blieb sein Brett leer, und die Presse interessierte sich nur für das Boykottopfer.
Der Deutsche Schachbund wollte ihn als Bundestrainer einstellen, lud ihn zur Internationalen Deutschen Meisterschaft 1975 nach Mannheim ein, wohlwissend um die darauf eintrudelnden Rückzüge, und meldete in einer Art Gegenboykott Wolfgang Unzicker vom Turnier in Tallinn ab.
Im Unterschied zum nächsten Abtrünnigen Viktor Kortschnoi, der noch Weltmeister werden wollte, kam Pachman der Boykott gelegen. Auftritte bei Richard Löwenthal und mit Franz Josef Strauß nutzte er als Sprungbrett in die Politik, wo er immer weiter nach rechts driftete.
Dem Schach blieb er als Autor und später als Lehrer am Schach-Internat Altensteig verbunden. Wo er noch spielte, wie beim Schachclub Kreuzberg in der Bundesliga oder 1976 fürs deutsche Team bei der vom Ostblock boykottierten Schacholympiade in Haifa, vermieden es alle Beteiligten, das Gespräch auf Politik zu lenken.
Nach dem Fall des Sozialismus pendelte er zwischen Prag und Niederbayern, wo er kurz vor seinem 79. Geburtstag starb. Diesen Samstag wäre er 100 geworden.
1975 in Mannheim gab er gegen Matthias Gerusel eine Figur. Wie rechtfertigte Pachman das Opfer?
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