Juniorenweltmeisterschaft in Natschiwan (Aserbeidschan)

von ChessBase
26.06.2003 – Vom 21. Juni bis 4.Juli finden in Aserbeidschan die Juniorenweltmeisterschaften für Jungen und Mädchen statt. Der Veranstaltungsort ist Natschiwan, die Hauptstadt der gleichnamigen Exklave. Es ist nicht so einfach von Baku nach Natschiwan zu kommen, wie die Teilnehmer, Teilnehmerinnen und Betreuer des Turniers feststellen mussten. Einer der Favoriten im stark besetzten Jungenturnier ist der frisch gebackene WM-Qualifikant Leonid Kritz aus Deutschland. Aus dem gastfreundlichen Natschiwan (engl. Nakhchivan) berichtet Dorian Rogozenko. Offizielle Turnierseite...Bericht und Partien...

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Ein rätselhaftes, nettes Land mit viel Schachtradition
Von Dorian Rogozenko



Offizielle Seite: www.chess.az/eng

Zu Zeiten der Sowjet Union wurden in Aserbeidschan viele Turniere veranstaltet. Es ist ein Land mit großer Schachtradition. Für die meisten Leute aus dem Westen ist Aserbeidschan ein unbekanntes und rätselhafte Land. Ich denke, einige allgemeine Informationen sind deshalb von Nöten.

Aserbeidschan ist eine frühere Sowjet-Republik, das nun wie viele andere der Republiken ein unabhängiger Staat ist. Baku, die Hauptstadt ist sehr groß und hat 2 Mio. Einwohner. Die Juniorenweltmeisterschaft wird in Nakhchivan durchgeführt, einer Region mit 350.000 Einwohnern. Es liegt als Exklave außerhalb des eigentlichen Aserbeidschan, ca. 550 km von Baku entfernt. Die Exklave grenzt an die Türkei im Westen, den Iran im Süden und Armenien im Nordosten.


Kaukasus, Kaspisches Meer


Südkaukasus mit Aserbeidschan und Nakhivan

Die Leute hier vergleichen das Land mit einer Insel, weil es nicht einfach ist, nach Aserbeidschan zu kommen. Sogar das Wort "Blockade" wird benutzt. Die Eisenbahn durch Armenien funktioniert nicht mehr aufgrund der politischen Spannungen (Der Konflikt zwischen Aserbeidschan und Armenien um die Region Berg-Karabach ist sicher noch wohl bekannt, so dass ich das hier nicht ausführen muss.), die Fahrt mit dem Bus von der Türkei oder dem Iran kommend ist ein echtes Abenteuer. Für Ausländer ist es überhaupt schwer nach Aserbeidschan zu kommen, da kaum eine Gesellschaft hierhin fliegt.

Aber zurück zur Reise von Baku nach Nakhchivan. Die Organisatoren hatten extra für die Schachspieler einen Charterflug gebucht. In der Einladung an alle Verbände wurde betont, dass eine vorherige Überweisung der Kosten für die Tickets zu tätigen ist. Einige Verbände übersahen jedoch diesen Aspekt und mussten nach dem Schlusstermin für die Überweisung noch hektische Telefongespräche mit den Organisatoren führen, um zu versichern, dass das Geld kommt und die Spieler auch.

Ein richtiges Problem ergab sich jedoch in den Kontakten zwischen den Organisatoren und dem Ukrainischen Schachverband. Da keine Überweisung getätigt wurde und keine Bestätigung aus der Ukraine geschickt wurde, dass die Spieler teilnehmen, informierten die Organisatoren am 17 Juni den Ukrainischen Schachverband, dass die Spieler aus der Ukraine nun nicht mehr teilnehmen könnten, selbst wenn sie sich im letzten Moment noch entschließen würden,  da es jetzt nicht mehr möglich wäre, noch zusätzliche Plätze im Charterflugzeug zu bekommen. Die Organisatoren schickten ein entsprechendes Fax an den Ukrainischen Verband und teilten mit, dass dessen Spieler gar nicht erst nach Baku kommen sollten, da sie von dort sowieso nicht mehr nach Nakhchivan reisen könnten.

Trotzdem entsandte der Ukrainische Verband zwei Spieler nach Baku, ohne vorher zu einer klaren Vereinbarung mit den Organisatoren gekommen zu sein. Nach der Ankunft wurden die Spieler über das Problem informiert. Am Ende konnte einer der Spieler noch einen Platz im Flieger bekommen, die Teilnehmerin Katerina Rohonyan musste traurigerweise zurück nach Hause. Für alle Beteiligten war das sehr unglücklich, überflüssigerweise gab es Spekulation, der Grund läge im armenischen Namen des Ukrainischen Mädchens. Tatsache ist jedoch, dass der Ukrainische Verband die notwendigen Maßnahmen nicht rechtzeitig getroffen hat und auch danach erst im allerletzten Moment aktiv geworden ist und sich mit den Organisatoren in Verbindung gesetzt hat. Angesichts der schwierigen Verhältnisse trifft die Organisatoren keine Schuld.

Nun will ich dieses schwierige Terrain verlassen. Alles andere ist nämlich weit besser als erwartet. Das Turnier ist ausgezeichnet organisiert. Die Leute hier versuchen alles, damit sich die Teilnehmer wohl fühlen. Das geht soweit, dass Taxifahrer kein Geld von den Teilnehmern nehmen, weil sie "Gäste" sind. Und das, obwohl das wirtschaftliche Niveau weit unter dem anderer europäischer Länder liegt und es viel Armut gibt. Ein anderes Beispiel für die Gastfreundschaft: Wenn man wspät abends noch im Internetraum im Hotel sitzt, kann es passieren, dass jemand vom Hotel kommt und einem mit der gleichen Begründung kostenlosen Kaffee anbietet, wir sind Gäste und solche muss man sehr gut behandeln. So denken die Leute hier. Für die Spieler ist eine solch zuvorkommende Behandlung sehr angenehm.

Ein Wort über das Essen. Für einige ist asiatisches Essen immer ein Problem und dieses Turnier ist keine Ausnahme. Obwohl das Essen gut ist, klagen einige Spieler gelegentlich über Magenprobleme. Aber so ist das eben, wenn man durch die Welt reist und ungewohntes Essen zu sich nimmt.

Aserbeidschan, oder vielleicht nur Nakhchivan, denn nur das habe ich gesehen, ist bestimmte Weise ein Land der auf Gegensätze. Zerfallene alte Gebäude, kleine, einfache Häuser gleich neben großen Luxusbauten wie dem Grand Hotel, in dem wir wohnen; der Nationalstolz wiegt schwerer als die Armut - es scheint, dass den Leuten hier die Armut weniger ausmacht als anderswo in Europa, wo Geld eine der Hauptsachen im täglichen Leben ist. Hier sind die Menschen zufrieden mit ihrem Leben, oder nehmen zumindest ihre Situation ohne äußerliches Zeichen der Unzufriedenheit hin.

Zur Zeit haben wir es hier 25-30 Grad warm, viel weniger als man mir vorher erzählt hat.  

Die Weltmeisterschaft wird in besonderer Weise vom Nationalen Olympischen Komitee unterstützt, dessen Präsident Ilham Aliev ist, der Sohn des Aserbeidschanischen Staatspräsidenten Haidar Aliev. Sie helfen bei der Organisation des Turniers und man kann das sehen, denn die Spieler werden immer von Sicherheitskräften begleitet, was eigentlich gar nicht notwendig ist. Polizeiautos und sogar Fahrzeuge mit lokalen Politikern eskortierten die Spielerbusse und diese haben sogar an Kreuzungen Vorfahrt!

Erwähnenswert ist auch, dass die Spieler beim Aussteigen aus dem Flugzeug von Mädchen in traditionellen Kostümen begrüßt wurden und Blumen zum Empfang überreicht bekamen. Überhaupt werden die Traditionen hier sehr hoch gehalten. Auf der zweistündigen Eröffnungsfeier wurden viele nationale Lieder und Tänze aufgeführt. Für die Zuschauer war das angenehmer als für die Spieler, die die ganze Zeit auf der Bühne stehen mussten und danach offensichtlich ermüdet waren.

Die komfortable Spielhalle ist das Olympische Zentrum, ein ganz neues Gebäude, das erst vor wenigen Monaten fertig gestellt wurde. In den letzten Jahren hat das Olympische Komitee in verschiedenen Städten in Aserbeidschan solche Zentren gebaut.

Jetzt will ich aber endlich über Schach sprechen. Bei den Jungen nehmen 50 Spieler aus 29 Ländern teil. Die meisten Spieler stellt der Gastgeber mit 11 und Indien mit 6. Alles zusammen gibt es 7 Großmeister und 12 Internationale Meister unter den Teilnehmern.

Im Wettbewerb der Mädchen spielen 28 Teilnehmerinnen aus 14 Ländern, die meisten wieder aus Aserbeidschan (10) und aus Indien (5).

Die geringe Zahl an teilnehmenden Ländern ist sicher auf die schwierigen Anreisebedingungen zurück zu führen. Ich selbst habe mehrere Tage gebraucht, um alle Anreisemöglichkeiten zu prüfen, nachdem ich mich bereit erklärt habe, als Coach mitzuwirken. Aber jetzt, wo ich erst einmal hierher gefunden habe, bedaure ich die Entscheidung hierher zu kommen, nicht im geringsten. Das Land, das Klima (ein wichtiger Aspekt) und die Organisation sind viel besser, als ich gedacht hatte.

Das Jungenturnier ist sehr stark besetzt. Favoriten sind Leonid Kritz aus Deutschland, der Ukrainer Alexander Zubov und die Inder Ganguly und Harikrishna.

Bisher wurden 6 Runden gespielt. An der Tabellenspitze sind: Guseinov - 5 Punkte, Zubov, Mamedyarov, Izoria, Ganguly, Gashimov V. - 4,5 Punkte, Dziuba, Harikrishna, Werle, Azarov, Schneider, Kritz, Sadykov - 4 Punkte

Im Mädchenturnier wurden wegen der geringen Teilnehmerzahl die Anzahl der Runden von 13 auf 11 reduziert. Nach 4 Runden führt  Nana Dzagnidze mit 4 Punkten, gefolgt von Dronavalli (3,5) und Calotescu (3)

Jungenturnier: Die Partien der Runden 1 bis 6 zum Nachspielen...

Mädchenturnier: Die Partien der Runden 1 bis 4 zum Nachspielen...

 

 

 

 

 


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