Ein rätselhaftes, nettes Land
mit viel Schachtradition
Von Dorian Rogozenko
Offizielle Seite:
www.chess.az/eng
Zu Zeiten der Sowjet Union
wurden in Aserbeidschan viele Turniere veranstaltet. Es ist ein Land mit großer
Schachtradition. Für die meisten Leute aus dem Westen ist Aserbeidschan ein
unbekanntes und rätselhafte Land. Ich denke, einige allgemeine Informationen
sind deshalb von Nöten.
Aserbeidschan ist
eine frühere Sowjet-Republik, das nun wie viele andere der Republiken ein
unabhängiger Staat ist. Baku, die Hauptstadt ist sehr groß und hat 2 Mio.
Einwohner. Die Juniorenweltmeisterschaft wird in
Nakhchivan durchgeführt, einer Region mit
350.000 Einwohnern. Es liegt als Exklave außerhalb des eigentlichen
Aserbeidschan, ca. 550 km von Baku entfernt. Die Exklave grenzt an die Türkei im
Westen, den Iran im Süden und Armenien im Nordosten.
Kaukasus, Kaspisches Meer
Südkaukasus mit Aserbeidschan und Nakhivan
Die Leute hier vergleichen das
Land mit einer Insel, weil es nicht einfach ist, nach Aserbeidschan zu kommen.
Sogar das Wort "Blockade" wird benutzt. Die Eisenbahn durch Armenien
funktioniert nicht mehr aufgrund der politischen Spannungen (Der Konflikt
zwischen Aserbeidschan und Armenien um die Region Berg-Karabach ist sicher noch
wohl bekannt, so dass ich das hier nicht ausführen muss.), die Fahrt mit dem Bus
von der Türkei oder dem Iran kommend ist ein echtes Abenteuer. Für Ausländer ist
es überhaupt schwer nach Aserbeidschan zu kommen, da kaum eine Gesellschaft
hierhin fliegt.
Aber zurück zur Reise von Baku
nach Nakhchivan. Die Organisatoren hatten extra für die Schachspieler einen
Charterflug gebucht. In der Einladung an alle Verbände wurde betont, dass eine
vorherige Überweisung der Kosten für die Tickets zu tätigen ist. Einige Verbände
übersahen jedoch diesen Aspekt und mussten nach dem Schlusstermin für die
Überweisung noch hektische Telefongespräche mit den Organisatoren führen, um zu
versichern, dass das Geld kommt und die Spieler auch.
Ein richtiges Problem ergab sich jedoch in den Kontakten zwischen den
Organisatoren und dem Ukrainischen Schachverband. Da keine Überweisung getätigt
wurde und keine Bestätigung aus der Ukraine geschickt wurde, dass die Spieler
teilnehmen, informierten die Organisatoren am 17 Juni den Ukrainischen
Schachverband, dass die Spieler aus der Ukraine nun nicht mehr teilnehmen
könnten, selbst wenn sie sich im letzten Moment noch entschließen würden,
da es jetzt nicht mehr möglich wäre, noch zusätzliche Plätze im Charterflugzeug
zu bekommen. Die Organisatoren schickten ein entsprechendes Fax an den
Ukrainischen Verband und teilten mit, dass dessen Spieler gar nicht erst nach
Baku kommen sollten, da sie von dort sowieso nicht mehr nach Nakhchivan reisen
könnten.
Trotzdem entsandte der
Ukrainische Verband zwei Spieler nach Baku, ohne vorher zu einer klaren
Vereinbarung mit den Organisatoren gekommen zu sein. Nach der Ankunft wurden die
Spieler über das Problem informiert. Am Ende konnte einer der Spieler noch einen
Platz im Flieger bekommen, die Teilnehmerin Katerina
Rohonyan musste traurigerweise zurück nach Hause. Für
alle Beteiligten war das sehr unglücklich, überflüssigerweise gab es
Spekulation, der Grund läge im armenischen Namen des Ukrainischen Mädchens.
Tatsache ist jedoch, dass der Ukrainische Verband die notwendigen Maßnahmen
nicht rechtzeitig getroffen hat und auch danach erst im allerletzten Moment
aktiv geworden ist und sich mit den Organisatoren in Verbindung gesetzt hat.
Angesichts der schwierigen Verhältnisse trifft die Organisatoren keine Schuld.
Nun
will ich dieses schwierige Terrain verlassen. Alles andere ist nämlich weit
besser als erwartet. Das Turnier ist ausgezeichnet organisiert. Die Leute hier
versuchen alles, damit sich die Teilnehmer wohl fühlen. Das geht soweit, dass
Taxifahrer kein Geld von den Teilnehmern nehmen, weil sie "Gäste" sind. Und das,
obwohl das wirtschaftliche Niveau weit unter dem anderer europäischer Länder
liegt und es viel Armut gibt. Ein anderes Beispiel für die Gastfreundschaft:
Wenn man wspät abends noch im Internetraum im Hotel sitzt, kann es passieren,
dass jemand vom Hotel kommt und einem mit der gleichen Begründung kostenlosen
Kaffee anbietet, wir sind Gäste und solche muss man sehr gut behandeln. So
denken die Leute hier. Für die Spieler ist eine solch zuvorkommende Behandlung
sehr angenehm.
Ein
Wort über das Essen. Für einige ist asiatisches Essen immer ein Problem und
dieses Turnier ist keine Ausnahme. Obwohl das Essen gut ist, klagen einige
Spieler gelegentlich über Magenprobleme. Aber so ist das eben, wenn man durch
die Welt reist und ungewohntes Essen zu sich nimmt.
Aserbeidschan, oder vielleicht nur Nakhchivan, denn
nur das habe ich gesehen, ist bestimmte Weise ein Land der auf Gegensätze.
Zerfallene alte Gebäude, kleine, einfache Häuser gleich neben großen Luxusbauten
wie dem Grand Hotel, in dem wir wohnen; der Nationalstolz wiegt schwerer als die
Armut - es scheint, dass den Leuten hier die Armut weniger ausmacht als anderswo
in Europa, wo Geld eine der Hauptsachen im täglichen Leben ist. Hier sind die
Menschen zufrieden mit ihrem Leben, oder nehmen zumindest ihre Situation ohne
äußerliches Zeichen der Unzufriedenheit hin.
Zur Zeit haben wir es hier
25-30 Grad warm, viel weniger als man mir vorher erzählt hat.
Die Weltmeisterschaft wird in besonderer Weise vom
Nationalen Olympischen Komitee unterstützt, dessen Präsident
Ilham Aliev ist, der Sohn des Aserbeidschanischen Staatspräsidenten
Haidar Aliev. Sie helfen bei der Organisation des Turniers und man kann das
sehen, denn die Spieler werden immer von Sicherheitskräften begleitet, was
eigentlich gar nicht notwendig ist. Polizeiautos und sogar Fahrzeuge mit lokalen
Politikern eskortierten die Spielerbusse und diese haben sogar an Kreuzungen
Vorfahrt!
Erwähnenswert ist auch, dass die Spieler beim
Aussteigen aus dem Flugzeug von Mädchen in traditionellen Kostümen begrüßt
wurden und Blumen zum Empfang überreicht bekamen. Überhaupt werden die
Traditionen hier sehr hoch gehalten. Auf der zweistündigen Eröffnungsfeier
wurden viele nationale Lieder und Tänze aufgeführt. Für die Zuschauer war das
angenehmer als für die Spieler, die die ganze Zeit auf der Bühne stehen mussten
und danach offensichtlich ermüdet waren.
Die komfortable Spielhalle ist
das Olympische Zentrum, ein ganz neues Gebäude, das erst vor wenigen Monaten
fertig gestellt wurde. In den letzten Jahren hat das Olympische Komitee in
verschiedenen Städten in Aserbeidschan solche Zentren gebaut.
Jetzt will ich aber endlich
über Schach sprechen. Bei den Jungen nehmen 50 Spieler aus 29 Ländern teil. Die
meisten Spieler stellt der Gastgeber mit 11 und Indien mit 6. Alles zusammen
gibt es 7 Großmeister und 12 Internationale Meister unter den Teilnehmern.
Im Wettbewerb der Mädchen
spielen 28 Teilnehmerinnen aus 14 Ländern, die meisten wieder aus Aserbeidschan
(10) und aus Indien (5).
Die geringe Zahl an
teilnehmenden Ländern ist sicher auf die schwierigen Anreisebedingungen zurück
zu führen. Ich selbst habe mehrere Tage gebraucht, um alle Anreisemöglichkeiten
zu prüfen, nachdem ich mich bereit erklärt habe, als Coach mitzuwirken. Aber
jetzt, wo ich erst einmal hierher gefunden habe, bedaure ich die Entscheidung
hierher zu kommen, nicht im geringsten. Das Land, das Klima (ein wichtiger
Aspekt) und die Organisation sind viel besser, als ich gedacht hatte.
Das Jungenturnier ist sehr
stark besetzt. Favoriten sind Leonid Kritz aus Deutschland, der Ukrainer
Alexander Zubov und die Inder Ganguly und Harikrishna.
Bisher
wurden 6 Runden gespielt. An der Tabellenspitze sind:
Guseinov - 5 Punkte, Zubov, Mamedyarov, Izoria,
Ganguly, Gashimov V. - 4,5 Punkte, Dziuba, Harikrishna,
Werle, Azarov, Schneider, Kritz, Sadykov - 4 Punkte
Im
Mädchenturnier wurden wegen der geringen Teilnehmerzahl die Anzahl der Runden
von 13 auf 11 reduziert. Nach 4 Runden führt Nana Dzagnidze
mit 4 Punkten, gefolgt von Dronavalli (3,5) und
Calotescu (3)
Jungenturnier: Die Partien der Runden 1 bis 6 zum Nachspielen...
Mädchenturnier: Die Partien der Runden 1 bis 4 zum Nachspielen...