Montreal Open
Text und Fotos: Alina l'Ami
Hätte man mich vor einer Woche gefragt, was mir bei dem Wort "Kanada" in den
Sinn kommt, wäre ich wahrscheinlich auf Nummer Sicher gegangen und hätte die
alten, abgenutzten Klischees bemüht: Ahornsirup, Eishockey, nette Leute und
wunderbare Natur.
Der berühmte Ahornsirup – das Blatt des Ahornbaumes, von dem der
Hauptbestandteil
des Sirups gewonnen wird, ziert auch die kanadische Flagge.
Nach einer Woche, einer sehr langen und vollgepackten Woche
(mit zwei Simultanveranstaltungen, einem Wochenendturnier, Doppelrunden, viel
Sightseeing und schrecklichem Jetlag, der mich immer noch plagt), fiele mir sehr
viel mehr ein. Und Schach wäre auf meiner Liste!
XXL-Schach im Zentrum von Montreal, darauf bin ich durch Zufall gestoßen, als
ich mich ein wenig verlaufen habe.
Ich habe entdeckt, dass die Kanadier gerne Schach
spielen und sie tun es ziemlich gut, ihrer fehlenden Schachtradition, die sie
oft beklagen, zum Trotz.
Café Pi: das Mekka der Schachfans in Montreal, genau wie es früher das Café de
la Regence in Paris war;
im Café Pi spielte ich meine erste Simultanveranstaltung.
Im Inneren des Cafés Pi.
Ich habe zwei wunderbare Städte entdeckt, zwei Juwelen der
Architektur: Montreal und Quebec City, mit ihren Parks, alten Gebäuden und
unvergleichlichem Charme.
Mont Royal Summit: ein phantastischer Blick in den Park, der von Frederick Law
Olmsted entworfen wurde,
der wiederum berühmt für seine Arbeit am Central Park in New York ist.
Marché Bonsecours zählt zu einem der zehn schönsten denkmalgeschützten Gebäude
und
beherbergt 15 Boutiqen mit Top-Produkten “made in Québec”: Handwerk, Mode,
Accessoires, usw.
Eine Straße in Old Montreal: in dem Moment, in dem ich den historischen Teil der
Stadt betrat,
schien das moderne Leben nur noch eine entfernte Erinnerung zu sein;
Immer noch in Old Montreal
Mit Skulpturen aus Bronze: Drei Damen im Gespräch
Basilique Notre-Dame de Montreal: ein deutliches Zeichen der französischen
Einflüsse -
trägt den gleichen Namen wie seine Verwandte in Paris.
Altes und Neues nebeneinander
Im Inneren der Kapelle von Saint Joseph: Die Basilika ist Saint Joseph gewidmet,
auf den Bruder André
all seine überlieferten Wundertaten zurückführte. Die meisten waren Zeugnisse
einer heilenden Kraft
und viele Pilger (Behinderte, Blinde, Kranke, usw.) kamen in seine Basilika
geströmt. Zu sehen ist eine Mauer
mit Tausenden von Krücken all derer, die in die Basilika gekommen sind und
angeblich geheilt wurden. (Quelle: Wikipedia)
Vor der Kapelle
Die Kapelle von Saint Joseph erinnert mich stark an Sacre Coeur in Paris
Besonders fasziniert haben mich auf den Märkten die Trolleys. Vielleicht sind
die gar nicht
so außergewöhnlich, aber ich hatte sie noch nie gesehen.
Ich habe entdeckt, dass die Leute hier nicht gerne Zeit verlieren, wenn die
Ampel rot zeigt, egal … ob rot oder grün, es läuft doch aufs Gleiche hinaus;
natürlich hatte ich nichts dagegen, mich den örtlichen Sitten anzupassen, vor
allem, wenn ich in Eile war, um rechtzeitig zur Partie zu kommen.
Ich habe festgestellt, dass in Kanada viele Türen offen sind … nicht
abgeschlossen, natürlich auch, wenn niemand im Hause ist! Ja, hier ist es sicher
und friedlich, aber überall würde ich das nicht probieren!
Ich habe gelernt, dass Kaffee interessant schmecken kann, wenn man statt Zucker
ein bisschen Ahornsirup hinzufügt, und dass Pommes mit Soße und Käse besser
schmecken. Ich habe gelernt, dass ich je mehr tue, je weniger Zeit ich habe, und
dass Möglichkeiten nie verloren gehen. Die, die ich verpasst habe, wird jemand
anderes entdecken … Ich bin so dankbar für alles, was ich in Kanada erlebt habe
und einmal mehr habe ich festgestellt, dass das Leben aus diesen kleinen Dingen
besteht, die es besser machen.
Die Laval University in Quebec City, wo ich mein zweites Simultan spielte.
Quebec City bei Nacht, beobachtet von La Citadelle;
Ich war überrascht, als man mir erzählte, was sich in diesem Gebäude befindet
... eine Disco! - Quebec City
Abendessen mit Freunden und Feinden vom Simultan in Quebec: links von mir -
Charles Tremblay, der Organisator des Simultans und anderer
Schachveranstaltungen in Quebec; rechts von mir – Major Régis J.R.R. Bellemare,
der Einzige, gegen den ich ein Remis abgab. Er würde gerne 2014 die
NATO-Meisterschaften in La Citadelle organisieren, ein inspirierender Ort!
Club Poutine: ein typisches Gericht, wenn man abends in Quebec unterwegs ist –
hinter den Sandwiches sieht man das berühmte Poutine: Rindfleischsoße auf Pommes
Frites mit frischem Käse. Köstlich!
Fairmont Le Château Frontenac in Quebec
Die Altstadt von Quebec City
Schließlich fand ich die richtige Tür. Es wirkt, als sei sie speziell für
Hobbits gemacht.
Ohne die Nummer an der Tür hätte ich sie nicht gefunden.
Immer noch in der Altstadt von Quebec
Parlamentsgebäude in Quebec
Die Montmorency Wasserfälle in Quebec, 84 Meter hoch, 30 m höher als die
Niagarafälle.
All das hätte ich nicht erleben und erzählen können, hätte es das Montreal Open
und seine großzügigen Sponsoren nicht gegeben.
Ich fürchte fast, Sie könnten das Folgende als ein wenig übertrieben empfinden,
aber glauben Sie mir, ich kann einfach nicht anders! Wenn Sie dabei gewesen
wären, dann hätten Sie sicher genauso empfunden. Der Spielsaal war
ausgezeichnet, einer der besten, die ich je gesehen habe, das Hotel war
phantastisch, in Laufweite und die Organisatoren gaben 1000 (Tausend) Prozent,
um dies zu einem wunderbaren Turnier zu machen.
College Jean de Brebeuf: hier haben wir gespielt
Auf dem Weg ins Spiellokal, 2. Stock
Ein einheimisches Talent: Roy Myriam, 16 Jahre alt
Kinder spielen vor, während und nach der Partie Schach, eigentlich immer, wenn
sie die Möglichkeit dazu haben.
Ich musste lächeln, als ich sah, wie der kleine Junge versucht hat, die Figuren
zu ziehen,
ich erinnerte mich, wie ich beim Schach früher selbst auf Knien gesessen habe.
Die Partien an den ersten vier Brettern wurden live ins Internet übertragen und
konnten auch vom Publikum verfolgt werden.
Turniersaal
Live-Partien und Computeranalyse
Meiner Meinung nach haben sie viel mehr gemacht, als nur ein wunderbares Turnier
zu organisieren. Dies war das 91. Montreal Open und für die kanadische
Schachgemeinde hat das große Bedeutung. Die Teilnehmerzahlen steigen jedes Jahr
exponentiell und dieses Jahr gingen 213 Spieler in vier Gruppen an den Start: A,
B, C und D. Gruppe A war den stärkeren Spielern vorbehalten, man brauchte eine
FIDE-Elo oder eine kanadische Wertungszahl von 2100 Punkten, um teilnehmen zu
können.
Ehrlich gesagt, wusste ich nicht immer genau, wie stark die Spieler nun wirklich
waren: ist das eine kanadische Wertungszahl oder eine FIDE-Elo?! Später habe ich
dann begriffen, dass die meisten Turniere in Kanada gar nicht zur Wertung an die
FIDE eingereicht werden und das erklärt den Elo-Unterschied. Zum Beispiel hatte
der an Eins gesetzte Sambuev Bator eine FIDE-Elo von 2528, seine kanadische
Wertungszahl lag jedoch bei 2700.
Doch Wertungszahlen hin oder her, sie alle sind so voller Leidenschaft, wenn es
um Schach geht, sie leben es so intensiv, dass ich beinahe “Angst” bekam .
Vielleicht spielen sie deshalb so gerne scharfe Varianten wie den Königsinder?!
Alles in allem war ich angenehm überrascht, dass so viel Energie auf das Schach
verwandt wird – zahllose Kinder, Eltern, Sponsoren und Organisatoren tragen
ihren Teil zum gleichen Ziel bei: die Verbreitung des Schachs.
Das Einzige, was Profis Kopfschmerzen bereitet haben könnte, war der
Doppelrundenmodus. Um die Teilnehmerzahl zu erhöhen und möglichst vielen
Schachfans die Teilnahme zu ermöglichen, war dies ein Wochenendturnier, in dem
man Müdigkeit überwinden und lernen muss, unter harten Bedingungen weiter gut zu
spielen.
Sambuev Bator, einer der besten kanadischen Spieler, bewies einmal mehr seine
Klasse und landete auf dem Spitzenplatz. Er holte 4,5 Punkte aus 5 Partien, und
das trotz eines Remis in der zweiten Runde, die morgens um 10 Uhr gespielt
wurde. Masse Hugues (mit einer Zahl von 2239 kam er auf eine Performance von
2942!) landete mit der gleichen Punktzahl ebenfalls auf Platz Eins. Allerdings
gab er den halben Punkt in der ersten Runde ab, in der er aussetzte, alles im
Rahmen der offiziellen Turnierregeln. Danach gewann er alle seine Partien. Ob
das Strategie war oder nicht kann ich nicht beurteilen, aber für ihn hat das gut
funktioniert!
Als ich die Sonnenbrille gesehen habe, schoss mir unwillkürlich der Gedanke
"Poker" durch den Kopf.
Leider hat ihm die Sonnenbrille in der Partie nicht geholfen. Sambuev gewann.
Rechts der Spieler, der im Turnier an Zwei gesetzt war
Die Nummer Drei der Setzliste
Unser Spielsaal befand sich in einer ... ehemaligen Kirche! Ob man gläubig ist
oder nicht,
es sorgt für eine besondere Atmosphäre und ich fand es wunderschön.
Die ersten vier Bretter, abgetrennt vom Rest
Erstaunlich: hinter Glas, nur einen Steinwurf vom wirklichen Schachbrett
entfernt: der Altar!
Die Bedenkzeit war recht normal: 85 Minuten für 40 Zuge, plus 20 Minuten für den
Rest der Partie, plus 30 Sekunden für jeden Zug. Daher ist es sinnvoll, in drei
Tagen nur fünf Partien zu spielen und dann einen Schlussstrich zu ziehen.
Außerdem glaube ich, dass dies eine gute Möglichkeit ist, um schnelle Remis zu
bekämpfen, eine der Hauptsorgen der Schachwelt. Wenn man am Ende einen Preis
gewinnen will, dann muss man wirklich dafür arbeiten, sonst gibt es jede Menge
Spieler mit der gleichen Punktzahl.
Im schwarzen Anzug, neben dem kleinen Mädchen in Gelb, sieht man den Chef des
Organisationskomitees: Bernard Ouimet
Was mich betrifft … Ich hätte besser spielen können, aber man kann immer etwas
besser machen und mir hat dieses Turnier sehr viel Spaß gemacht. Ich freue mich
schon auf ein Wiedersehen und vielleicht sollten Sie sich das nächste Montreal
Open ebenfalls im Kalender vormerken!
Mit meinen rumänischen Freunden. Die rumänische Gemeinde hat mich unterstützt
und angefeuert,
und ich war überrascht, meine Muttersprache sprechen zu können!
Endstand
48 Spieler
Partienauswahl (Runde 1 bis 3)
Sehen Sie, wie Weiß elegant gewinnen kann? Diese Stellung habe ich in der
letzten Runde in der Partie zwischen IM Nikolay Noritsyn und Emile Trottier
zufällig auf dem Brett gesehen. Die Partie endete wie folgt: 24. Sg5+ hxg5 25.
hxg6+ Kg8 26. Ld5+ Le6 27. Txe6 gxf2+ 28. Kf1 und Schwarz gab auf.
Links:
1. Turnierseite:
http://www.echecsmontreal.ca/chom/eng/index.htm
2. Schlussstand:
http://www.chess-results.com/tnr55993.aspx?art=0&lan=1&fed=CAN