Kandidatenkämpfe: Zwei weiter, Vier stechen

von ChessBase
08.05.2011 – Boris Gelfand war der erste Spieler, der sich für die nächste Runde der Kandidatenmatches qualifizierte. Bei eigenem Rückstand versuchte Shakhriyar Mamedyarov das Spiel mit den schwarzen Steinen zu verschärfen, kam jedoch nicht zum Erfolg und bot bald Remis an. Mit den gleichen Ergebnis endeten nach unaufgeregtem Verlauf auch die Partien zwischen Grischuk und Aronian sowie Radjabov und Kramnik. Hier wird morgen gestochen. Für besondere Spannung sorgte die Begegnung zwischen Topalov und Kamsky. Der Bulgare musste gewinnen, um ihm Rennen zu bleiben. Er konnte mit Weiß Druck aufbauen und erhielt nach einem Fehler von Kamsky sogar eine klare Gewinnstellung, die allerdings technisch nicht ganz einfach zu spielen war. Kamsky zeigte die gewohnte Zähigkeit in der Defensive und tatsächlich verpasste der Bulgare den Gewinn. Damit ist auch Kamsky in der nächsten Runde.Turnierseite...Video und Berichte beim russischen Schachverband...Bericht, Bilder, Partien...

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Bilder: Videofeed des russischen Verbandes


Grischuk-Aronian schon zuende
 

 

Scoreboard

 
Nat.
Rtg
G1
G2
G3
G4
R1
R2
R3
R4
Tot.
Perf
Levon Aronian
ARM
2808
½
½
½
 ½        
2
 
Alexander Grischuk 
RUS
2747
½
½
½
 ½        
2
 

 
 
Nat.
Rtg
G1
G2
G3
G4
R1
R2
R3
R4
Tot.
Perf
Vladimir Kramnik
RUS
2785
½
½
½
 ½        
2
 
Teimour Radjabov 
AZE
2744
½
½
½
 ½        
2
 

 
 
Nat.
Rtg
G1
G2
G3
G4
R1
R2
R3
R4
Tot.
Perf
Veselin Topalov
BUL
2775
½
0
½
 ½        
1.5
 
Gata Kamsky
USA
2732
½
1
½
 ½        
2.5
 

 
 
Nat.
Rtg
G1
G2
G3
G4
R1
R2
R3
R4
Tot.
Perf
Boris Gelfand
ISR
2733
½
½
1
 ½        
2.5
 
Shakh. Mamedyarov 
AZE
2772
½
½
0
 ½        
1.5
 

 


 

Aronian - Grischuk

Der Armenier ist der dritte Spieler nach Anand und Carlsen, der in der Eloliste mit über 2800 verzeichnet wird und galt Vielen dank seines stabilen Stils als erster Favorit auf den Gewinn der Wettkämpfe. Seine gute Form bestätigte er als Sieger des letzten Amber--Turniers. Alexander Grischuk hingegen ist das "ewige Talent" der Schachszene, ein Spieler mit gelegentlich genialen Idee, der einen teil seiner Zeit jedoch an seine zweite Leidenschaft, das Pokern, "verschwendet" hat und auf der Suche nach den besten Zügen häufig in Zeitnot gerät. Grischuk ist einer der wenigen Schachfreudne, die Carlsens Absage bei den Kandidatenmatches nicht bedauerten - er nimmt als Nachrücker teil.

Anders als im zuvor genannten Wettkampf nahm Aronian in seinen Weißpartien den Grünfeldindischen Stier bei den Hörnern und kam in beiden Partien in materiellen Vorteil. Doch es reichte nicht zum Sieg. Selbst mit Weiß spielend, holte Grischuk gegen Aronians Damengambit nichts heraus. Auch die heutige vierte Partie endete Remis. Morgen wird gestochen.


Schlussstellung

Kramnik - Radjabov

Der Ex-Weltmeister schnitt beim vergangenen Amber-Turnier als Letzte ausgesprochen schlecht ab und man fragt sich, ob der nun in Paris lebende Russe sich versteckt hat oder tatsächlich schlecht in Form ist. Auf der anderen Seite hat Kramnik des Öfteren verkündet, wie sehr er an einem Comeback als Weltmeister interessiert ist. Er ist aufgrund seiner Elozahl für das Kandidatenfinale qualifiziert und hat in einigen Turnieren sehr ehrgeizig gespielt, um das Ziel zu erreichen. Teimour Radjabov ist schon als Jugendlicher wie eine Rakete in die Weltspitze geschossen, war als 13-Jähriger U18-Weltmeister und spätestens jedem bekannt als er mit 15-Jahren Kasparov in Linares besiegte. Doch dann stagnierte seine Entwicklung, allerdings auf hohem Niveau. Der Aseri qualifizierte sich über die Grand Prix-Serie, stand hier eigentlich schon bald als vermeintlich sicherer Sieger fest, doch am Ende reichte es für ihn nur ganz knapp zur Teilnahme als Zweite hinter Aronian.

Etwas überraschend verzichtete der Königsindisch-Spieler Radjabov in seinen Schwarzpartien auf seine Erstwaffe. Kramnik hat seinerseits schon Kasparov das Königsindischspielen verleidet und anscheinend und offenbar wollte Radjabov diese Diskussion vermeiden. Stattdessen erlaubt er Kramnik, seine Katalanische Eröffnung einzusetzen und zeigt sich den Aufgaben gut gewachsen. In der zweiten Partie holte Kramnik nur einen akademischen Vorteil heraus. In Partie vier griff er gegen das Damengambit deshalb zur Lf4-Variante, konnte damit Radjabov aber auch nicht wirklich in Verlegenheit bringen. In seinen Schwarzpartien stand Kramnik mit der Laskervariante - auf Anands Spuren wandelnd - ebenfalls sehr sicher und so wird nach vier Remis morgen gestochen.









 


Schlussstellung

Gelfand - Mamedyarov

Boris Gelfand ist als Sieger des letzten World Cups in Kazan dabei. Shakhryar Mamedayrov nimmt den Ausrichterplatz ein. Wieso ein Aseri vom russischen Ausrichter nominiert wurde, versteht man allerdings erst, wenn man weiß, dass die Kandidatenkämpfe zuerst nach Baku vergeben wurden. Wegen der anhaltenden Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan hatte Grand Prix-Sieger Aronian jedoch angekündigt, nicht in Baku spielen zu wollen. Mit Rücksicht darauf wurde das Turnier nach Kazan verlegt, Mamedyarov behielt jedoch seinen Platz.

In diesem Match war Mamedyarov Elofavarit. Der junge Aseri ist ein hervorragender Taktiker, "Oldie" Boris Gelfand dagegen ein Routinier, der schwer "umzuhauen" ist. In seiner letzten Weißpartie, der 3. Matchpartie, holte Mamedyarov die Axt heraus und wollte Gelfands Najdorf-Variante mit 6.Lc4 im Angriff zertrümmern, wurde aber kühl abgewiesen und verlor die Partie. Heute versuchte der Aseri mit den Schwarzen Steinen spielend, mit der Benoni-Verteidigung noch einmal Schärfe ins Spiel zu bringen. Doch ohne Erfolg. Nachdem er ohne Nutzen einen Bauern verloren hatte, bot Mamedyarov bald darauf Remis an und fügte sich in seine Match-Niederlage.








 


Schlussstellung

Topalov - Kamsky

Auf dem Papier, schaut man auf die Elozahlen, war sicher der Bulgare Favorit des Matches. Zudem hatte er Kamsky im von der FIDE 2008 nachträglich eingebauten "Kandidatenfinale" des letzten WM-Zyklus geschlagen. Das Ergebnis schien mit 4,5:2,5 damals für Topalov eindeutig, doch in Wirklichkeit stand Kamsky beim Stand von 3,5:2,5 in der letzten Partie des Wettkampfes auf Gewinn, verlor diese Partie aber noch. Beide Spieler wurden für die aktuellen Kandidatenkämpfe gesetzt. Topalov als Herausforderer, später an Anand gescheitert, und Kamsky als Belohnung dafür, dass er sich bereit erklärt hatte in Sofia zu spielen - so wird vermutet. Seitdem weisen die Formkurven der beiden Spieler aber in ganz unterschiedliche Richtungen. Nach dem Match gegen Anand spielte Topalov bei der Schacholympiade in Khanty-Mansiysk und holte in einem enttäuschenden bulgarischen Team (Platz 31 als Setlistenachter) 5 aus 9 bei einer Performance von 2629 (bei eigener Zahl von 2803). Er nahm dann in Nanjing teil, wo er Vorletzter wurde (Performance 2723), schließlich spielte er in Mexiko ein Schnellschach-Turnier und wurde dort von Judit Polgar im Finale mit 3,5:0,5 arg zerpflückt. Der 8.Platz beim Amberturnier in Monaco war im Vergleich dazu wieder ein besseres Ergebnis. Kamsky hingegen hat gerade in den USA überlegen seinen Titel bei der Landesmeisterschaft verteidigt.

In der ersten Partie wich Kamsky mit Weiß mit 6.a4 den langen Varianten der Najdorf-Variante aus und konnte den Bulgaren dabei sogar etwas unter Druck setzten. Mit einem Qualitätsopfer kam Topalov aber zu einem haltbaren Endspiel. In der zweiten Partie überzog Topalov seine Antigrünfeld-Variante mit langer Rochade und wurde für seinen Optimismus von Kamsky fürchterlich mit dem Partieverlust bestraft. In der 3.Partie hatte der US-Amerikaner mit tartarischen Wurzeln im Najdorf jenseits der Mainstream-Varianten wieder eine leichte Führung, ohne allerdings die Remisbreite zu verlassen. Partie vier sah erneut eine Antigrünfeldvariante und diesmal kam Topalov weit besser in die Partie und setzten seinen Gegner unter Druck. Zudem verbrauchte Kamsky viel Zeit und hatte bei Zug 22 nur noch 15 Minuten auf der Uhr.

Videoanalyse der Partie Topalov - Kamsky von GM Daniel King





Nach einem groben Fehler drang Topalov mit der Dame in die schwarze Stellung ein und erzielte Gewinnvorteil. Doch der Bulgare vergab diesen und musste am Ende sogar noch mit einem halben Punkt zufrieden sein.

Topalov,Veselin - Kamsky,Gata [A16]
FIDE Candidates Matches 2011 Kazan/Tatarstan/Russia (1.4), 08.05.2011

1.Sf3 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.Dc2 Das ist tatsächlich eine Neuerung. 5...Lg7 6.e4 Sb6 [6...Sb4!?]

7.d4 0–0 8.Le3 Lg4 9.Se5 Lxe5 10.dxe5 Sc6 11.h3 Le6 12.Td1 Dc8 13.f4 Td8 14.b3 Sb4 15.Txd8+ Dxd8 16.Db1 f5 17.exf6 exf6 18.Le2 De7
Läuferpaar und Raumvorteil sprechen für Weiß.

19.0–0 Lf7 20.Lf2
Es drohte Sd5. 20...Td8 21.Td1 Txd1+ 22.Dxd1 c5 23.Lf1 Sc6 24.g3 Kg7 25.Lg2 h5 26.Sb5 Sc8 27.Dd2 c4 28.bxc4 Lxc4 29.Sd4 Db4 30.Dc1 [30.Dc2!? S8e7 31.a3 Sxd4 Erzwungen. 32.Lxd4 Db5 33.Dc3 Da6 34.a4]

30...S8e7 31.a3 Da4 32.Db2 b6 33.Kh2 Kf7 34.Dc3 La2 35.f5 Dc4 36.Db2 Se5 37.Dd2 g5 38.Se6 S7c6?
[Gut war 38...Lb3 mit der Idee 39.Dd6 Dc2 40.Sd8+ Ke8 41.Dxf6 Dxf2 42.Dxe5 Kxd8 43.Dh8+ Kd7]



39.Dd6+-
Droht Matt auf f8. 39...Ke8 [39...Se7 40.Sxg5+ fxg5 41.Dxe5+-]

40.Sc7+
[Am stärksten war 40.Ld4 Dd3 (40...Sxd4 41.Dd8+ Kf7 42.Df8#) 41.Df8+ Kd7 42.Dxf6 Sf3+ 43.Lxf3 Dxf3 44.Df7+ Se7 45.Sf8+ Kc8 46.Dxa2 Dxe4 47.f6+-]

40...Kf7 41.Sd5 De2 42.Dxf6+ Ke8 43.De6+ Kf8

44.Kg1?! [Es gewinnt 44.Dh6+ Kf7 45.Dh7+ Kf8 46.Dh8+ Kf7 47.Lg1 Lxd5 48.exd5 Se7 49.Dh7+ Kf6 50.Dh6+ Kf7 51.De6+ Kf8 52.Kh1+- (52.d6 Sf3+ 53.Kh1 Dxe6 54.fxe6+-) ] 44...Dd1+ 45.Lf1? Vergibt den Gewinn. [45.Kh2 De2 46.Dh6++- s.o.]

45...Lxd5 46.exd5
[46.Dxd5 Dxd5 47.exd5 Se7 mit weißem Vorteil, von dem aber nicht klar ist, pb er zum Gewinn reicht.]

46...Sd4 47.Df6+
[47.Dxe5? Sf3+–+] 47...Kg8 48.Dxg5+ Kf7 49.Dd8 Dc2 50.Lg2 Dc1+ 51.Kh2 Dc2 52.Lg1 Sdf3+ 53.Kh1 Se1 Weiß muss nun eine Figur geben, um Matt zu vermeiden und Dauerschach zu bekommen.

54.Lf2 Dxf2 55.Dc7+ Kf6 56.Dd6+ Kf7 57.Dc7+ Kf6 58.Dd6+ Kf7 ½–½

 

 

 André Schulz

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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