Kandidatenturnier: Spannende fünfte Runde

von Johannes Fischer
18.03.2014 – Eröffnungsüberraschungen, Damenopfer, interessante Endspiele und grobe Fehler: Die fünfte Runde des Kandidatenturniers hatte es in sich. Entschieden wurde jedoch nur eine Partie: Svidler gewann mit Weiß gegen Topalov, Kramnik und Aronian trennten sich in der Spitzenpaarung nach einer hochklassigen Partie remis. Video und Bericht (Update)...

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Runde 5, 18.03.2014, 10:00h MEZ
Andreikin Dmitry
½-½
Anand Viswanathan
Karjakin Sergey
½-½
Mamedyarov Shakhriyar
Svidler Peter
1-0
Topalov Veselin
Kramnik Vladimir
½-½
Aronian Levon

 

Daniel King zeigt die Partie Kramnik gegen Aronian

Die Spitzenpaarung der Runde war die Begegnung zwischen den beiden Turnierfavoriten Vladimir Kramnik und Levon Kramnik. Sie entwickelte sich zu einer hochklassigen Großmeisterpartie voller Dramatik. Kramnik wählte in der Eröffnung nach 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 mit 4.e3 einen scheinbar zurückhaltenden Aufbau, aber kam im Mittelspiel schnell zu gefährlichem Angriff. Doch obwohl Kramnik, wie er in der Pressekonferenz erklärte, die weiße Stellung fast schon für gewonnen hielt, waren die Dinge nicht so einfach. Aronians Stellung enthielt eine Menge taktischer Ressoucen, die Aronian auch fand. Während Weiß versuchte, den schwarzen König Matt zu setzen, parierte Aronian die weißen Drohungen mit einem Damenopfer, für das er Kompensation in Form eines weit vorgerückten e-Bauern, einem Turm auf der zweiten Reihe und einem potenziell starken weißfeldrigen Läufer erhielt. Wie Daniel King in seinem Video (siehe oben) zeigt, verpasste Kramnik in der taktisch komplizierten Stellung im 34. Zug mit knapper Bedenkzeit eine gute Möglichkeit.

V. Kramnik - L. Aronian, Stellung nach 33...Lxd5

Aronian hatte 33...Lxd5 gespielt, um Kramnik, der mit nur noch wenigen Minuten auf der Uhr nicht mehr allzu lange nachdenken durfte, vor praktische Probleme zu stellen. Nimmt Schwarz stattdessen den Läufer auf g5, gibt Weiß ein paar Mal mit der Dame Schach, um dann nach der Zeitkontrolle in Ruhe nach einer eventuellen Gewinnmöglichkeit zu suchen.

Allerdings hätte Weiß nach 33...Lxd5 34.Lf6+ Kh7 35.Tg1 mit Gewinnchancen spielen können. Doch mit nur noch wenig Zeit auf der Uhr entschied sich Kramnik für die sichere Fortsetzung 34.Lxh6+ Kh7 35.Lxf8 exf1D+ 36.Txf1 Txg2 37.Dxg2 Lxg2+ 38.Kxg2 Txf8 und wickelte so in ein Turmendspiel mit Mehrbauern ab, das ihm ebenfalls Chancen bot.

Doch auch da erwies sich Aronian auf der Höhe. Er fand auf jeden Gewinnversuch Kramniks eine Antwort und so endete diese hochdramatische und inhaltsreiche die Partie schließlich mit Remis - im 60. Zug standen nur noch die Könige auf dem Brett.

Vladimir Kramnik kam mit scheinbar verblüffender Leichtigkeit zu gefährlichem Angriff.

Levon Aronian glänzte in Verteidigung und Gegenangriff mit taktischen Einfällen und mutigem Spiel.

Vishy Anand musste mit Schwarz gegen Dmitry Andreikin antreten, aber hatte von Beginn an keine Probleme. Andreikin folgte einer alten Partie von Topalov gegen Anand und zeigte sich in der anschließenden Pressekonferenz leicht verwundert, dass er nicht stärkeren Druck ausüben konnte. Nach der Eröffnung fühlte sich Anand mit seiner Stellung schon "sehr wohl", aber konnte im weiteren Verlauf der Partie keine wirklichen Fortschritte machen. Andreikin war zwar in die Defensive und in leichte Zeitnot geraten, aber brach nicht zusammen. Kurz vor der Zeitkontrolle kam es zu einem Übergang in ein Turmendspiel, das Schwarz nicht mehr gewinnen konnte.

Mit diesem Remis bleibt Anand weiter Tabellenführer. Mit 3,5 aus 5 liegt er einen halben Punkt vor Vladimir Kramnik, Levon Aronian und Peter Svidler, die sich mit je 3 Punkten die Plätze zwei bis vier teilen.

Peter Svidler überlegt, was Topalovs Eröffnungswahl zu bedeuten hat.

"So viel Glück hat man nicht oft", meinte Peter Svidler nach seiner Partie gegen Veselin Topalov. Svidler war mit Weiß in eine vorbereitete Variante geraten und in einer Stellung gelandet, die er für fast schon verloren hielt. Nach der Partie meinte er, seine Eröffnungswahl zeige ein gerüttelt Maß an "Naivität", denn Topalov sei schließlich für seine gute Eröffnungsvorbereitung bekannt und dementsprechend vorsichtig hätte er sein müssen, als der Bulgare ihn mit 5...Lc5 im Spanier nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 überraschte.

Doch nach der Eröffnung lief nicht mehr viel zusammen für Topalov. Er fand keine Möglichkeit, Svidler einen K.O.-Schlag zu versetzen und verlor bald völlig den Faden und geriet schnell sogar in Verlustgefahr. Offensichtlich waren beide Spieler nicht gut in Form, wie ein beidseitiger Anfall von Schachblindheit im 19. und 20. Zug zeigte.

P. Svidler - V. Topalov, Stellung nach 19.g3

In dieser Stellung schlug Topalov mit 19...Lxa3 den weißen Springer auf a3 und Svidler nahm den Läufer mit 20.bxa3 sofort zurück. Stattdessen hätte er, wie er nach der Partie zeigte, mit dem Zwischenzug 20.Lxh7! einen wichtigen Bauern erobern und Gewinnstellung erreichen können. Greift der Turm jetzt den weißen Läufer mit 20...Tg7 oder ...Th8 an, rettet sich Weiß mit dem Zwischenschach 21.Lf5+.

Doch Weiß hatte auch nach dieser verpassten Gelegenheit gute Chancen, denn Topalov hatte sich mit seinem König in Mattgefahr begeben. Nachdem Svidler zwischendrin erneut eine gute Möglichkeit verpasst hatte, wickelte er schließlich in ein Endspiel mit Turm und ungleichfarbigen Läufern ab, das für Weiß gewonnen war - und das Svidler schließlich auch gewann.

"Definitiv kein Kandidat für eine Sammlung 'Ausgewählter Partien'", kommentierte Svidler in der Pressekonferenz die vielen Fehler. "So schlecht habe ich schon lange nicht mehr gespielt", ergänzte ein demoralisierter Topalov.

Veselin Topalov hatte einen ganz schwarzen Tag erwischt.

Sergey Karjakin auf dem Weg zu seinem vierten Remis.

Die kürzeste Partie der Runde war die Begegnung zwischen Sergey Karjakin und Shakriyar Mamedyarov. Mamedyarov entschied sich mit Weiß für die Variante mit 3.Lb5+ und wählte danach den Maroczy-Aufbau mit Bauern auf c4 und e4. Bald danach wurden alle Leichtfiguren getauscht und Mamedyarov hatte keinen großen Probleme mit 15...b5 den in diesen Stellungen typischen Vorstoß durchzusetzen und auszugleichen. Das Gleichgewicht blieb auch im Schwerfigurenendspiel gewahrt und im 31. Zug einigten sich die beiden Spieler auf Remis.

Stand nach Runde 5

Partien der Runden 1 bis 5

 

Morgen, Mittwoch, den 19. März, folgt Runde sechs, Beginn wie jeden Tag 10 Uhr deutscher Zeit. Alle Partien werden live auf dem Fritz-Server übertragen und von beliebten Kommentatoren und Großmeistern kommentiert. Auf Deutsch und auf Englisch.

Klaus Bischoff kommentiert

Kommentatorenplan

Datum Englisch Deutsch
Rd. 1, 13. März Simon Williams/Chris Ward Oliver Reeh/Merijn van Delft
Rd. 2, 14. März Daniel King/Simon Williams Oliver Reeh/Karsten Müller
Rd. 3, 15. März Simon Williams/Irina Krush Klaus Bischoff
Rd. 4, 17. März Alejandro Ramirez/Simon Williams Klaus Bischoff
Rd. 5, 18. März Daniel King/Chris Ward Klaus Bischoff
Rd. 6, 19. März Alejandro Ramirez/Parimarjan Negi Oliver Reeh/Merijn van Delft
Rd. 7, 21. März Simon Williams/Daniel King Oliver Reeh/Merijn van Delft
Rd. 8. 22. März Daniel King/Yasser Seirawan Oliver Reeh/Karsten Müller
Rd. 9, 23. März Simon Williams/Alejandro Ramirez Oliver Reeh/Merijn van Delft
Rd. 10, 25. März Daniel King/Simon Williams Klaus Bischoff
Rd. 11, 26. März Alejandro Ramirez/Irina Krush Klaus Bischoff
Rd. 12, 27. März Daniel King/Yasser Seirawan Klaus Bischoff
Rd. 13, 29. März Daniel King/Irina Krush Klaus Bischoff
Rd. 14, 30. März Daniel King/Yasser Seirawan Klaus Bischoff

Die Kommentierung beginnt jeweils etwa eine halbe Stunde nach Rundenbeginn und ist für Premiummitglieder kostenlos

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Rundenplan

Runde 1, 13.03.2014, 10:00h MEZ,
Andreikin Dmitry
½-½
Kramnik Vladimir
Karjakin Sergey
½-½
Svidler Peter
Mamedyarov Shakhriyar
½-½
Topalov Veselin
Anand Viswanathan
1-0
Aronian Levon
Runde 2, 14.03.2014, 10:00h MEZ
Kramnik Vladimir
1-0
Karjakin Sergey
Svidler Peter
1-0
Andreikin Dmitry
Topalov Veselin
½-½
Anand Viswanathan
Aronian Levon
1-0
Mamedyarov Shakhriyar
Runde 3, 15.03.2014, 10:00h MEZ
Andreikin Dmitry
½-½
Karjakin Sergey
Svidler Peter
½-½
Kramnik Vladimir
Topalov Veselin
½-½
Aronian Levon
Mamedyarov Shakhriyar
0-1
Anand Viswanathan
Runde 4, 17.03.2014, 10:00h MEZ
Mamedyarov Shakhriyar
1-0
Andreikin Dmitry
Karjakin Sergey
½-½
Topalov Veselin
Aronian Levon
1-0
Svidler Peter
Anand Viswanathan
½-½
Kramnik Vladimir
Runde 5, 18.03.2014, 10:00h MEZ
Andreikin Dmitry
½-½
Anand Viswanathan
Karjakin Sergey
½-½
Mamedyarov Shakhriyar
Svidler Peter
1-0
Topalov Veselin
Kramnik Vladimir
½-½
Aronian Levon
Runde 6, 19.03.2014, 10:00h MEZ
Aronian Levon
-
Andreikin Dmitry
Anand Viswanathan
-
Karjakin Sergey
Mamedyarov Shakhriyar
-
Svidler Peter
Topalov Veselin
-
Kramnik Vladimir
Runde 7, 21.03.2014, 10:00h MEZ
Karjakin Sergey
-
Aronian Levon
Svidler Peter
-
Anand Viswanathan
Kramnik Vladimir
-
Mamedyarov Shakhriyar
Andreikin Dmitry
-
Topalov Veselin
Runde 8, 22.03.2014, 10:00h MEZ
Kramnik Vladimir
-
Andreikin Dmitry
Svidler Peter
-
Karjakin Sergey
Topalov Veselin
-
Mamedyarov Shakhriyar
Aronian Levon
-
Anand Viswanathan
Runde 9, 23.03.2014, 10:00h MEZ
Karjakin Sergey
-
Kramnik Vladimir
Andreikin Dmitry
-
Svidler Peter
Anand Viswanathan
-
Topalov Veselin
Mamedyarov Shakhriyar
-
Aronian Levon
Runde 10, 25.03.2014, 10:00h MEZ
Karjakin Sergey
-
Andreikin Dmitry
Kramnik Vladimir
-
Svidler Peter
Aronian Levon
-
Topalov Veselin
Anand Viswanathan
-
Mamedyarov Shakhriyar
Runde 11, 26.03.2014, 10:00h MEZ
Andreikin Dmitry
-
Mamedyarov Shakhriyar
Topalov Veselin
-
Karjakin Sergey
Svidler Peter
-
Aronian Levon
Kramnik Vladimir
-
Anand Viswanathan
Runde 12, 27.03.2014, 10:00h MEZ
Anand Viswanathan
-
Andreikin Dmitry
Mamedyarov Shakhriyar
-
Karjakin Sergey
Topalov Veselin
-
Svidler Peter
Aronian Levon
-
Kramnik Vladimir
Runde 13, 29.03.2014, 10:00h MEZ
Andreikin Dmitry
-
Aronian Levon
Karjakin Sergey
-
Anand Viswanathan
Svidler Peter
-
Mamedyarov Shakhriyar
Kramnik Vladimir
-
Topalov Veselin
Runde 14, 30.03.2014, 10:00h MEZ
Aronian Levon
-
Karjakin Sergey
Anand Viswanathan
-
Svidler Peter
Mamedyarov Shakhriyar
-
Kramnik Vladimir
Topalov Veselin
-
Andreikin Dmitry

Fotos: Turnierseite...

 


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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