Karen Grigoryan hat einen Lauf

von Stefan Löffler
06.02.2020 – Für Karen Grigoryan hat sich der Abstecher nach Lissabon voll bezahlt gemacht. Alleinsieger beim Portugal Open, Alleinsieger im abschließenden Schnellturnier. Und Duplizität der Ereignisse: Beides verdankt der erst seit einigen Monaten in Spanien lebende Armenier Kontersiegen gegen Aleksandar Indjic. Stefan Löffler berichtet.

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Von Null auf Hundert

Erst vorigen Sommer ist Karen Grigoryan von Jerewan in ein Kaff in Andalusien gezogen. Dort hat er Freunde, die Kosten sind niedrig, und er wusste, dass ihn in Spanien reichlich Turniere und Ligakämpfe erwarten. Besonders gut läuft es für den 24jährigen aber in Portugal, das nicht gerade als Schachland gilt. Schon voriges Jahr gewann Grigoryan dort drei Turniere, zwei davon mit 100-Prozent-Resultaten, und einmal, in Figueira da Foz wurde er Zweiter. Seine Siege in Lissabon mit klassischer Bedenkzeit und im Schnellschach mitgerechnet, hat er binnen kaum einem halben Jahr in Portugal schon fünf Turniere gewonnen.

Mehr als 100 Elopunkte hat Grigoryan seit seinem Umzug zugelegt. Über 2650 steht er nun, sowohl im klassischen als auch im Schnellschach. Das Leben meine es gut mit ihm, sagt der bullig gebaute Armenier. Sein Verband hatte ihn als Jugendspieler unterstützt. Mit 18 wurde er Großmeister. Weil er danach nicht den Sprung in die Nationalauswahl schaffte, hat der Armenische Schachverband das Interesse an ihm verloren und die Förderung auf null runtergeschraubt.

Will er vielleicht Spanier werden? Grigoryan winkt ab. Ein Wechsel der Nationalität oder des Verbands sei kein Thema, zumindest noch nicht. Neben ihm steht Tigran Gharamian und lacht. Er hat eine ähnliche Geschichte hinter sich. Mit 18 Jahren verließ er Armenien mit dem Vorsatz, Profi zu werden. In Frankreich wurde er Großmeister. Inzwischen hat Gharamian beide Staatsbürgerschaften, wurde 2018 Französischer Meister und hat eine Online-Schachschule gegründet.

Tigran Gharamian

Die Schlüsselpartie beim Portugal Open war für Grigoryan die letzte. Sein Gegner Aleksandar Indjic führte mit einem halben Punkt Vorsprung das Feld an, während er, Grigoryan, unter den Verfolgern eine der schlechtesten Buchholz-Wertungen hatte. Wenn er ein gutes Preisgeld wollte, musste er eigentlich etwas riskieren. Doch in der Vorbereitung sah er, dass Indjic kein Sicherheitsschach spielt. Das ganze Repertoire des Serben war darauf ausgerichtet, auf Gewinn zu spielen. Bald opferte Indjic einen Bauern für gute Kompensation. 

 

30… Txd4? (30…Sxh3+ =) …

Dann opferte er auch noch eine Qualität – und wurde von Grigoryan ausgekontert.

Tigran Grigoryan

Tags darauf, zwischen zwei Runden des abschließenden Schnellturniers, bestätigt Indjic, dass er bei der Vorausberechnung einen Damenzug nach d7 (acht Züge nach seinem Qualitätsopfer) unterschätzt habe. Er habe gedacht, dass Grigoryan schlimmstenfalls ein Dauerschach hätte.

 

39. Dd7 hatte Indjic zwar gesehen, aber gedacht, dass er den h-Bauern dann schon hat.

War er zu mutig? Nicht mutig, sagt Indjic, dumm sei er gewesen.

Der Turniersaal 

Wenig später wiederholte sich die Geschichte im Schnellturnier, diesmal in der vorletzten Runde, diesmal waren beide gemeinsam vorn. Wieder schaffte es Indjic nicht, defensiv zu spielen, als es nötig war. Wieder endete Grigoryan einen halben Punkt vor dem Feld und damit auch vor Indjic.

 

Exzellent gelaufen ist das Turnier auch für Hugo ten Hertog. Der Utrechter Politikstudent teilte den zweiten Platz, erfüllte seine dritte GM-Norm und erhält den Titel. Alle anderen Kandidaten verpassten die angestrebte Norm an Ende.

 

Hugo ten Hertog mit einer Norm

Ein Pole war besonders unglücklich. Er gab seine letzte Partie in vorteilhafter Stellung remis, weil er seine Gegner mit der niedrigsten Elo mit 2200 eingerechnet hatte. Das gilt aber für GM-Normen, bei IM-Normen wird auf 2050 angepasst. Auch Nathanael Poysti, der beste deutsche Teilnehmer, kam dank einem starken Schluss noch an eine IM-Norm an. Dafür hätte er seine heroische Schlusspartie gegen Daniel Campora allerdings ganz drehen müssen.  

 

Ein paar weitere Momente:

 

35.b4 einstreuen, und dann funktioniert der Konter Txc5 nicht. Am Ende hatte Haldorsen keine Zeit mehr und nahm in Plus-Drei-Stellung remis an: 35.Th5 Txg6 36.Dxh3 Txc5 37.dxc5 d4 38.Tg5 Txg5 39.fxg5 Dxc5 40.Kg1 d3+ 41.Kf1 Dd5 42.Kf2 e5 ½-½

 

 

Indjic war sehr zufrieden mit der Partie, außer dass er einen Gewinn (statt 41…Kh7 einfach 41…Lf8 42. Tc8 Txe1+ 43. Kg2 Dxc8 44.Dxc8 d2) verpasste. Nach Kh7 wurde die Partie remis: 42.Txc5 Txe1+ 43.Kg2 d2 44.Tc8 Tg1+ 45.Kh2 Dxc8 46.Dxc8 d1D 47.Df5+ Kg8 48.Dc8+ ½-½

 

Endstand:

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 GRIGORYAN Karen H. 7,5 0,0
2 ALEKSEEV Evgeny 7,0 0,0
3 ITURRIZAGA Eduardo 7,0 0,0
4 ASADLI Vugar 7,0 0,0
5 INĐIĆ Aleksandar 7,0 0,0
6 TARI Aryan 7,0 0,0
7 MOTYLEV Alexander 7,0 0,0
8 GHAMARIAN Tigran 7,0 0,0
9 TEN HERTOG Hugo 7,0 0,0
10 PETROV Nikita 6,5 0,0
11 JANIK Igor 6,5 0,0
12 HALDORSEN Benjamin 6,5 0,0
13 MIHAJLOV Sebastian 6,5 0,0
14 DAMASO Rui 6,5 0,0
15 SOUSA André V 6,5 0,0
16 SOHAM Das 6,5 0,0
17 PLICHTA Kamil 6,5 0,0
18 SAVANOVIĆ Aleksandar 6,5 0,0
19 SPRAGGETT Kevin 6,5 0,0
20 BABA Masahiro 6,5 0,0

215 Spieler

Ergebnisse und Tabellen bei Chess-results...

 


Dieses Mal fiel das Portugal auf das verregnete Ende des kurzen portugiesischen Winters. Seit dem Tag des Schnellturnier scheint die Sonne fast ununterbrochen.

Portugal ist wunderbar

Kommendes Jahr steht die Sporthalle wie gewünscht eine Woche später zur Verfügung. Dann soll das Portugal Open statt in der letzten Januarwoche in der ersten Februarwoche stattfinden - und am liebsten zwei Tage nach Gibraltar beginnen.

Portugal Open...

Portugal Chess Tour...

Turnier bei Facebook...

 

 


Stefan Löffler schreibt die freitägliche Schachkolumne in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist in Nachfolge von Arno Nickel Herausgeber des Schachkalender. Für ChessBase berichtet der Internationale Meister aus seiner Wahlheimat Portugal.

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