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Karl Robatschs 1929-2000
Ein kleines Quiz zu Anfang: Welcher Spieler hatte bei der Schacholympiade 1960 in Leipzig das beste Ergebnis am ersten Brett?
Wer auf Bobby Fischer oder Mihail Tal tippt beweist, dass er auf dem Gebiet der Schachgeschichte sehr bewandert ist. Beide Spieler haben in der Tat bei dieser Schacholympiade am ersten Brett ihrer Mannschaften gespielt und ausgezeichnet abgeschnitten. Tal holte 11 aus 15 und war zweitbester Spieler (73,3%). Fischer war mit 13 aus 18 (72,2%) drittbester Spieler. Die beiden Weltklassespieler wurden aber tatsächlich noch von einem anderen Spieler übertroffen - von Karl Robatsch. Er machte am ersten Brett von Österreich 13,5 aus 16 (84,4%). Elf seiner 15 Partien gewann er. Fünfmal spielte Karl Robatsch remis.
Die Schacholympiade in Leipzig 1960 wurde damals mit vier Vorgruppen zu zehn Mannschaften gespielt. Die ersten drei Teams jeder Gruppe qualifizierten sich für das A-Finale, die Plätzte 4 bis 6 führten ins B-Finale und der Rest spielte im C-Finale. Österreich erreichte den 5. Platz und spielte nach den ersten neun Runden im B-Finale weiter. Die Österreich-Gruppe wurde von der UdSSR gewonnen, vor Argentinien und den Niederlanden. Robatsch spielte in der Vorrunde acht der neun Runden mit. Gegen Tal und Najdorf remisierte Robatsch.
Die übrigen sechs Partien gewann er. Im B-Finale wurde Österreich hinter Schweden und Israel Dritter der Gruppe und damit 13ter der Gesamtwertung. Robatsch spielte wieder sieben der diesmal elf Runden mit, gewann hier vier Partien und spielte drei remis.
Die Schacholympiade in Leipzig war weder Robatschs erste, noch seine letzte Olympiade. Seine erste Schacholympiade spielte er schon 1954 in Amsterdam, seine letzte 1994 in Moskau. Über einem Zeitraum von nicht weniger als 40 Jahren nahm er für Österreich an elf Schacholympiaden teil. In den Jahren von 1964 bis 1970 und dann noch einmal von 1982 bis 1990 spielte er nicht mit. Wenn Karl Robatsch bei den Schacholympiaden mitspielte, dann an Brett eins. Die einzige Ausnahme war seine letzte Teilnahme 1994.
Dreimal traf Karl Robatsch in seiner Karriere auch auf Bobby Fischer, allerdings mit nur geringem Erfolg (ein Remis).
Karl Robatsch wurde am 14. Oktober 1929 in Klagenfurth am Wörthersee geboren. Wie und wo er Schach lernte, ist nicht bekannt. Mit 17 Jahren, im Jahr 1946, kam er als Student nach Graz, studierte Philosophie und Biologie, und machte sich neben den Vorlesungen bald als talentierter Schachspieler einen Namen. Man traf ihn häufig beim Schach im Café Berghaus, bevor in den Schachclub SK Gemeinde (Staatsmeister 1969 und 1970) eintrat.
Nach dem Studium ging Karl Robatsch in seine Heimatstadt Klagenfurth zurück und wurde Referent bei der 1947 gegründeten Österreichische Draukraftwerke AG (seit 2000 der österreichischen VERBUND Hydro Power AG angegliedert).
Im Laufe seiner langen Turnierkarriere nahm Karl Robatsch an vielen Mannschaftskämpfen und einigen internationalen Einzelturnieren teil. 1960 wurde er Österreichischer Staatsmeister. Seine größten internationalen Einzelerfolge feierte er mit zwei zweiten Plätzen in Utrecht 1961 und beim Hoogovens-Turnier in Beverwijk 1962.
Karl Robatsch 1961 in Utrecht, O'Kelly schaut zu | Foto: Dutch National Archive
Sein geteilter 3./4. Platz beim Zonenturnier in Halle ist aber angesichts der starken Konkurrenz dort wohl noch höher zu bewerten. Portisch und Larsen landeten vor ihm. Den 3. Platz teilte er mit Ivkov. Spieler wie Uhlmann, Kavalek oder Donner ließ er hinter sich. Robatsch spielte auch einige wirklich gut besetzte Turniere mit, z.B. Amsterdam 1972, konnte aber mit der internationalen Spitze nicht ganz mithalten. Meist landete er dann im (manchmal hinteren) Mittelfeld. Bisweilen zeigte der Österreicher sich aber sehr bissig.
Von 1989 von 1993 bestritt Karl Robatsch Mannschaftskämpfe für die Spielgemeinschaft ASK/KSV Klagenfurt. In der Saison 1993/94 spielte er für den WSV ATSV Ranshofen. In der Saison 1994/95 trat er für Straßenbahn Graz an. In der deutschen Bundesliga spielte er von 1982 bis 1986 für den Münchener SC 1836.
Nach Ernst Grünfeld (1950) und Erich Eliskases (1952) war Karl Robatsch der dritte Österreicher, der den Titel eines Großmeisters erhielt. Die FIDE verlieh ihm den Titel 1961. Den Titel eines Internationalen Meisters führte er schon seit 1957.
Für die Verteidigung 1...g6 nach 1.e4, aber auch nach 1.d4, ist im deutschen Sprachraum der Name "Robatsch-Verteidigung" gebräuchlich. International wird die Verteidigung "Modern Defence" genannt.
d4-Spieler wählen oft einen Übergang in die Königsindische Verteidigung oder Benoni-Verteidigung, je nachdem, wie Schwarz sich aufbaut. Die eigentliche Robatsch-Verteidigung entsteht nach 1.e4 g6 2.d4 Lg7 (manchmal erst 2...d6). Es gibt einige Übergänge in die Pirc-Verteidigung, wenn Schwarz bald Sg8-f6 folgen lässt, aber Schwarz kann die Entwicklung des Königsspringers auch zurückstellen und dann ergeben sich eigenständige Varianten. Von Karl Robatsch sind nach 1.e4 insgesamt 22 Partien mit 1...g6 überliefert, nach 1.d4 sind es 33 Partien. Sicher hat er viel öfter so gespielt, aber die Partien sind nicht gespeichert. Nach eigenen Anhaben hat Robatsch schon seit 1945 regelmäßig 1...g6 gezogen.
Als sich die Bezeichnung "Modern Defence" einzubürgern begann, irgendwann in den 1960er Jahren, war diese Eröffnung bereits alles andere als "modern", sogar recht alt. Die ältesten Partiebeispiele stammen aus der Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts. Einige starke Spieler wie Louis Paulsen, Mieses oder von Bardeleben spielten so. Dann wurde die Verteidigung unpopulär und galt später als unseriös. Robatsch sah sich selber als den Spieler, der sie wieder populär machte und setzte sich für die Bezeichnung Robatsch-Verteidigung ein. Dieser Name passt jedenfalls besser als Modern Defence.
Robatsch vs Eric Karl Churton, Februar 1973 in Durban | Foto: Stephanie Churton
Mit seiner Robatsch-Verteidigung hat der Österreichische Großmeister einen wertvollen Beitrag zur Schachtheorie geleistet. Doch das ist nicht die einzige Lebensleistung, mit der er sich in die Annalen eintrug. Karl Robatsch machte sich nämlich auch auf dem Gebiet der Botanik einen Namen und seine Leistung dort ist sicher höher zu bewerten, als sein Beitrag zur Eröffnung in einem Brettspiel. Robatsch besonderes Interesse galt den Orchideen und hier der Gattung der "Stendelwurzen" (Epipactis). Robatsch nahm eine Neuklassiefizierung dieser Gattung vor und beschrieb 21 Unterarten (Taxa). Für seine wissenschaftliche Leistung ernannte ihn der Österreichische Staatspräsident im Jahr 2000 zum "Professor".
Karl Robatsch starb am 19. September 2000 an Magen- und Zungenkrebs. Seine letzte überlieferten Partie stammt noch aus dem Februar 2000 - ein Kurzremis in der zweiten Österreichischen Liga.
Das Oberösterreichischen Landesmuseum veröffentlichte anlässlich von Karl Robatsch einen Nachruf:
Mit dem Tod von Professor Karl Robatsch am 19. September 2000 hat der Naturwissenschaftliche Verein für Kärnten eine seiner bedeutendsten Forscherpersönlichkeiten verloren. Karl Robatsch erblickte am 14. Oktober 1929 in Klagenfurt das Licht der Welt. Er besuchte in seinem Geburtsort die Volksschule und das Bundesgymnasium, studierte an der Grazer Universität Philosophie und Botanik und fand seine berufliche Erfüllung als Referent der Österreichischen Draukraftwerke (ÖDK) in Klagenfurt.
Als einziger Schachgroßmeister Österreichs ist Karl Robatsch professionellen Schachspielern weltweit ein Begriff. Seine herausragenden Leistungen bei der Entwicklung der „Pirc-Ufimzev-Verteidigung" und der nach ihm benannten „Robatsch-Verteidigung", die auch als „Moderne Verteidigung" in die Schachgeschichte eingegangen ist, machten ihn bereits zu Lebzeiten zur Legende.
Großmeisterlich bewegte und betätigte er sich aber auch auf seinem zweiten Standbein, dem botanischen Fachgebiet der Orchidologie. Besonders in den Bereichen der Systematik und Taxonomie der Orchidaceae erwarb er sich große Verdienste. Während der letzten Jahre beschäftigten ihn besonders die komplizierten Fragestellungen der Abstammungsgeschichte der gesamten Familie, als besonderen Schwerpunkt betrachtete er die Erforschung der Unterfamilie der Neottioideae.
Auch als Orchidologe widmete er sich der „Verteidigung": mit treffenden Argumenten widersetzte er sich einseitiger Dominanz molekulargenetische r Daten und bevorzugte die klassische , morphologische Merkmalsanalyse als Basis für seine Überlegungen. Um die mangelnde Verfügbarkeit von brauchbarem Untersuchungsmaterial zu beheben , führte er zahlreiche Sammelreisen rund um den ganzen Erdball durch: vom Mittelmeergebiet bis Skandinavien, von Chile bis nach Australien und Neukaledonien. Meist pflegte er seine spektakulären Auftritte auf internationalen Schachturnieren in den verschiedenen Erdteilen mit Besuchen seltener Orchideenvorkommen zu verbinden.
Stets hattee er ein offenes Ohr für Bitten und Begehrlichkeiten; er gehörte zu jener seltenen Species, die keine Mühen scheut , um auch Kollegen mit Untersuchungsmaterial zu versorgen. Aus seiner Feder stammen nicht weniger als 39 wissenschaftliche Veröffentlichungen , in welchen er 21 neue Arten erstmals benannte und beschrieb.
Bedauerlicherweise müssen nun seine langjährigen und intensiven Studien über die Gattung Epipactis und eine geplante Monographie durch sein Ableben vorerst unvollendet bleiben.
Einen großen Teil seines wissenschaftlichen Nachlasses hat Karl Robatsch in dankenswerter Weise dem Kärntner Botanikzentrum in Klagenfurt, als dessen Konsulent und ehrenamtlicher Mitarbeiter er jahrzehntelang tätig war, hinterlassen. Die Aufarbeitung der enorm umfangreichen Materialien wird jedoch noch längere Zeit in Anspruch nehmen, eine ausführliche Würdigung seiner Forschungsarbeit mit Werkverzeichnis, Itinerar, etc . ist in Vorbereitung.
Karl Robatsch war Mitglied einiger wissenschaftlicher Vereinigungen, u. a. des Naturwissenschaftlichen Vereines für Kärnten und der ostalpin-dinarischen Gesellschaft für Vegetationskunde. In Anerkennung seiner großartigen Verdienste im Bereich der Botanik wurde Karl Robatsch auf Antrag des Naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnten vom österreichischen Bundespräsidenten im Jahr 1999 der Professorentitel verliehen . Seine Heimatstad Klagenfurt ehrte ihn 1982 mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft. Seine Wortgewandtheit und geschliffene Formulierungskunst, sein treffsicherer Humor in allen Lebenslagen, vor allem aber seine Freundschaft und persönliche Zuwendung werden nicht nur uns Kärntner Botanikern sehr fehlen. Der Naturwissenschaftliche Verein wird Professor Karl Robatsch stets in dankbarer Erinnerung behalten!
Von Gerfried H. Leute & Roland K . Eberwein
Nachruf des Oberösterreichischen Landesmuseums...