20.12.2017 – Die aktuelle Ausgabe des kulturellen Schachmagazins Karl hat "denkwürdige Partien" zum Thema. Zu solchen gehören zum Beispiel die letzten Partien einiger großer Schachspieler oder Partien, in denen sich ein Generationswechsel anbahnt.
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Karl - Das kulturelle Schachmagazin (Heft 4/2017)
Viermal im Jahr erscheint "Karl - das kulturelle Schachmagazin" und das seit 2001. Seit 16 Jahren verbreiten also Herausgeber Harry Schaack schon mit einigen Mitstreitern und zahlreichen kompetenten Autoren Schachkultur und Schachgeschichte.
Bei vielen Schachfreunden steht oft allein der sportliche Aspekt im Mittelpunkt des Interesses. Wer hat beim Turnier xy heute gewonnen? Wie ist das Turnier ausgegangen, wer wurde Turniersieger? Welche Auswirkungen hat das auf die aktuellen Elozahlen? Wie hat sich die Eloliste verändert? Und vor allem: Wie kann ich mein eigenes Schach verbessern?
Das sind sicher alles wichtige Themen, besonders das letzte. Aber das ist ja bei Weitem nicht die ganze Welt des Schachs. Schach ist nicht nur Wettbewerb und Sport. Schach ist vor allem auch Bestandteil unserer Kultur. Und das seit 1500 Jahren. Schach ist nicht irgendein Spiel - es ist das Spiel.
Das Tolle am Schach ist, dass es so unendlich viele Aspekte gibt. Und die Karl-Redaktion widmet jedes ihrer Hefte einem dieser Aspekte. 2001 ging es los mit dem Thema "Tempo". Es folgte das Thema "Internet". Das war 2001 ja noch brandaktuell. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Hätte man gewusst, was das Internet aus vielen früheren Errungenschaften machen würde, hätte man es vielleicht gleich wieder zugemacht. Für die Verbreitung von Schachpartien ist das Internet aber natürlich ideal. 2002 gab es ein Sonderheft zum 125-jährigen Bestehen des Schachbundes. 2027 wird es ein Heft zum 150-jährigen Bestehen geben. Vergleiche mit der Eröffnung des Flughafens BER bieten sich an - was kommt zuerst? Es ging weiter mit vielen interessanten Themen, durchaus immer wieder auch mit aktuellem sportlichen Bezug. 2008 gab es ein Heft zur Schacholympiade in Dresden. Im gleichen Jahr folgte ein Heft zur Weltmeisterschaft Kramnik-Anand in Bonn.
Das aktuelle Heft hat nun das Thema "Denkwürdige Partien". Da denkt man gleich zuerst an "Großartige Partien", im Sinne von Fischers "Meine 60 denkwürdigen Partien". Doch das ist diesmal nicht gemeint. Es geht um Partien, die auf die eine oder andere Weise einen Wendepunkt einläuten, oder auf andere Art erinnerungswürdig sind.
In seinem Artikel "Winds of Change" beschäftigt sich Mihail Marin beispielsweise mit Partien, in denen sich der Niedergang ankündigte. Marin eröffnet seinen Beitrag mit der Partie Reti-Capablanca, New York 1924. Capablanca galt zuvor als praktisch unbesiegbar, aber hier unterlag er Reti und drei Jahre später büßte er seinen WM-Titel ein.
Denkwürdig waren die Partien des Turniers zu Wien 1903. Es war ein Weltklasseturnier und es war einer nicht mehr modernen Eröffnung gewidmet, dem Königsgambit. In Michael Ehns lesenswertem Artikel erfährt man, wie Baron Rothschild, Präsident des Wiener Schachklubs, mit diesem Turnier das romantische Schach wiederbeleben wollte. Das wäre doch auch eine schöne Idee für die nächste Grand Chess Tour.
Alljährlich kürte der 1966 erstmal erschienene Schachinformator die beste Partie des Jahres. Mihail Marin, der selber Mitglied der Jury war, erzählt in seinem Aufsatz "Nur die Besten", wie die Wahl vor sich ging und präsentiert einige dieser Partien.
Johannes Fischer hat seinen Beitrag zum Heft der "letzten Partie" gewidmet. Gemeint ist die allerletzte Partie eines Schachspielers. Paul Keres spielte seine letzte Partie am 25. Mai 1975 in Vancouver gegen Walter Browne mit den schwarzen Steinen und er gewann sie. Auf dem Nachhause-Weg starb er bei einem Zwischenstop in Helsinki an einem Herzanfall. Seine letzte Partie, berichtet der stets kundige Johannes Fischer, wurde für ein Denkmal in Keres Heimatstadt Narwa ausgwählt. Die Schlusstellung wurde in Bronze gegossen, eine Statue von Keres ans Brett gesetzt. Eine großartige Geste für den estnischen Sporthelden. Leider setzte man Keres auf die falsche, die weiße, die Verliererseite, weiß Johannes Fischer zu berichten. Auf dem Friedhof, wo Keres begraben ist, hört man seitdem an seiner Grabstelle ein stetes Brummen - das Geräusch des in seinem Gab rotierenden Schach-Großmeisters.
Johannes Fischer berichtet auch von Michail Tals letztem Turnier, einem Blitzturnier. Wenige Tage später starb der 7. Schachweltmeister. Beim Turnier war er von Krankheit gezeichnet. Aber er wurde Dritter und schlug unter anderem Kasparov.
Es gibt viele weitere interessante Beiträge: von Gerald Hertneck über eine eindrucksvolle Kombination, von Prof. Ingo Althöfer über Alpha Go, einen Beitrag über einen Schachwanderweg - was es alles gibt! Die beiden geistreichen Wiener Schachhistoriker Michael Ehn und Ernst Strouhal beschäftigen sich in einem Essay mit dem Philosophen Arthur Schopenhauer, seiner Liebe zum Schach und kreieren einen virtuellen kiebitzenden Schopenhauer, der mit seinen Gedanken eine Partie aus dem Londoner Turnier von 1851 begleitet.
Last, but not least: Im Rezensionsteil findet sich eine Besprechung der jüngsten Masterclass-DVD über Paul Morphy.
"Die DVD zeigt eindrucksvoll, dass Morphy, den Bobby Fischer für den zweitbesten Spieler der Geschichte hielt, Mitte des 19. Jahrhunderts Außergewöhnliches geleistet hat", lautet Harry Schaacks Fazit.
Lernen Sie eines der größten Genies der Schachgeschichte kennen! Paul Morphys (1837-1884) Karriere dauerte nur wenige Jahre und doch gelang es ihm, die besten Schachspieler seiner Zeit zu besiegen.
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