Karpov in Hamburg

von André Schulz
18.10.2016 – Zuschauer, die am Samstag zufällig zum Auftakt der neuen Bundesliga-Saison das Spiellokal des Hamburger SK besuchten, waren positiv überrascht. Dort saß am ersten Brett der SV Hockenheim eine Schachlegende: Anatoly Karpov. Doch da dies niemand wusste, gab es kaum Zuschauer. Der Einsatz von Karpov hatte sich erst kurzfristig entschieden, erwies aber als lohnenswert. Mit einem Sieg trug der 12. Schachweltmeister zum doppelten Punktgewinn seiner Mannschaft gegen Hamburg bei. Mehr...

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Warten auf den Ritter in der goldenen Rüstung

Am Wochenende startete an vier Orten die Schachbundesliga in ihre neue Saison. Der Überraschungssieger der letzten Saison, die SG Solingen, empfing im Heimspiel, zusammen mit Mülheim-Nord, die Berliner Vereine Kreuzberg und Schachfreunde. Am Sonntag mussten die Berliner die Heimreise ohne einen einzigen Mannschaftspunkt antreten.

Bayern München war Gastgeber im Süden und empfing zusammen mit dem neuen Reisepartner, dem Aufsteiger MSA Zugzwang, den Rekordmeister und Titelfavoriten Baden-Baden und mit dem Aufsteiger Speyer-Schwegenheim ein ganz neues Team im Kreis der ersten Liga. Die Speyerer (sagt man so?) nahmen in einem der mutmaßlichen Abstiegsduellen den Münchnern im Zugzwang zwei Mannschaftspunkte ab, waren aber Bayern München unterlegen. Baden-Baden war nicht in Bestbesetzung nach München gereist, aber gut genug, um einmal 6:2 und einmal 7:1 zu punkten. Wenn man mit Shirov an vier spielt, weiß man, dass man eine gute Mannschaft beisammen hat.

Schwäbische Hall und Dresden empfingen in Schwäbisch Hall die Teams aus dem ganz tiefen Westen, Trier und Aufsteiger Aachen. Trier nahm beiden Gastgebern jeweils einen Mannschaftspunkt ab. Aachen war zweimal knapp unterlegen. Doch man merkt, dass die Aachener keineswegs gewillt sind, ihren Platz im Oberhaus so ohne Weiteres wieder zu räumen.

Der vierte Spielort war in der Hamburger City Nord. Diese erhält derzeit ein neues Gesicht, denn es wird eifrig gebaut und saniert. Die Telekom hat sich eine neue Nordzentrale gebaut und nebenan entsteht gerade das 18-geschossige und 60 Meter hohe neue Holiday Inn. Oben soll es eine Therme mit Dachterrasse für Schwindelfreie geben. Bundesliga-Teams, die in Hamburg spielen, sollten für die nächste Saison schon einmal reservieren.

Hamburg empfing mit seinem Reisepartner Werder Bremen die Mannschaften aus Hockenheim und Griesheim. Griesheim ließ alle vier Punkte in der Hamburger City Nord, Hockenheim nahm alle vier Punkte mit. Wer am Samstag zufällig im Spiellokal des Hamburger SK in der Signal-Iduna-Mensa vorbeischaute, erlebte ein positive Überraschung. Unter den Spielern befand sich nämlich eine leibhaftige Schachlegende, Anatoly Karpov, 12. Schachweltmeister und Protagonist unzähliger Nervenschlachten gegen Kortschnoj und gegen Kasparov.

Anatoly Karpov, 12. Schachweltmeister

Kurz zuvor hatte der 12. Weltmeister noch in Murmansk geweilt und ein Match gegen Jan Timman gespielt. Nun spielte er am ersten Hockenheimer Brett gegen den wohl - neben den wenigen Zuschauer -  ebenso überraschten Robert Kempinski, nahm dem Polen im Verlauf der Partie einen Bauern und dann auch den Punkt weg.

Karpov-Kempinski

 

 

 

Die Anzahl der Zuschauer, die nicht in irgendeiner Weise an der Veranstaltung beteiligt waren, konnte man vermutlich tatsächlich an den Fingern einer Hand abzählen. Dabei waren neben Karpov noch einige andere prominente und starke Großmeister vor Ort, zum Bespiel die Engländer Luke McShane oder David Howell, oder die jungen Deutschen Matthias Blübaum und Rasmus Svane.

Anatoly Karpov schaut sich die Partien an, links: Zuschauer Harald Grube

 

Offenbar hatte sich Karpovs kurzer Auftritt in Hamburg erst sehr kurzfristig entschieden, so dass man niemandem einen Vorwurf machen kann. Allerdings gehört Geheimniskrämerei auch durchaus zum Geschäft der Schachbundesliga. In einem nachdenklichen Essay fragt sich Ullrich Geilmann auf der Schachbundesligaseite, warum nur so wenige Zuschauer zum Auftakt der neuen Saison an den verschiedenen Orten erschienen sind. Und was sich ändern soll, damit es besser wird: Warten auf den Ritter in der goldenen Rüstung?

Gegenfrage: Wenn man die Termine der Fußball-Bundesliga unregelmäßg über ein halbes Jahr verteilen würde, nur den Insidern bekannt gäbe, wann diese Termine sind, zudem verheimlicht, ob man mit dem A-Team, dem  B-Team oder einer Jugendmannschaft aufläuft und dann auch nicht im Vorwege kommunizieren kann, dass man eine echte Legende und Stars dabei hat - wie viele Fans würden dann am Ende noch in die Stadien kommen?

Wir wollen hier keine neue Diskussion starten, aber vielleicht möchte der andere oder andere Leser mitteilen, warum er zur Bundesliga geht oder sie eben nicht besucht. Dann nutzen Sie die Kommentarmöglichkeit am Ende des Beitrages.

 

 

Ullis Randnotizen (Schachbundesliga)...

Abendblatt: Neues Wahrzeichen in der City Nord...

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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peter plappert peter plappert 19.10.2016 01:03
Es stimmt schon das es an vielen Stellen an Professionalität fehlt (vor allem was die Öffentlichkeits- und Pressearbeit betrifft) und das Totschlagargument für alle Verbesserungsvorschläge ist immer das fehlende Budget. Das was in Wahrheit fehlt ist oft auch ein wenig Eigeninitiative. Die Akteure selber tun auch recht wenig dafür ihren Sport dem interessierten Publikum näher zu bringen. Meist verschwinden die Herren Großmeister nach der Partie genauso schnell und lautlos wie sie gekommen sind. Nach der Partie nuscheln sie vielleicht noch 2 Minuten an einem Brett untereinander (Analyse), statt das sich vielleicht mal einer von ihnen erbarmen würde, sich an ein großes Demo-Brett zu stellen und für d1e 10 anwesenden Zuschauer die Partie aus eigener Sicht zu analysieren und die Spielideen halbwegs verständlich zu erklären. Das wäre mal ein Mehrwert für einen Besucher und eine erfrischende Abwechselung zu den sonnst üblichen Analysen der Rechenknechte, oder des Kommentators vor Ort.

Ansonnsten kann ich nur jedem den Besuch eines Bundesligaspieltages empfehlen. Man erlebt nicht nur manchen 'Schach-Star' live, sondern auch die Emotionen und die Spannung der Begegnung vor Ort, die bei der Übertragung im Internet völlig verloren geht, sofern man nicht zusätzlich eine Bild und Ton Berichterstattung hat, wie bei manchen großen Turnieren.
flachspieler flachspieler 18.10.2016 11:04
Warum muss es Zuschauer vor Ort geben? Und für die Spieler
ist doch ein ruhiger Spielort durchaus angenehm. Und
durch die stabile Internet-Live-Übertragung können ganz
viele Interessierte von aussen die Spiele verfolgen.
Kai1990 Kai1990 18.10.2016 08:18
Es gibt 2 Gründe warum ich zur Schachbuli gehe:
- Man trifft Leute die man kennt bzw. mit Glück spielen diese sogar 1-2mal in der Schach-Buli.
- Echte Stars 2650+ Live in Action zu sehen.

Was mich weniger anlockt:
- Zusammengekaufte Mannschaften, mit dessen Spielern man garnichts anfangen kann.
- Langeweile Stimmung Baden-Baden(auch wenn sie jetzt einmal nicht Meister wurden)

Wünschen würde ich mir das die Wochenenden von Schachbuli zu den anderen Ligen(2.Liga, Oberliga, ...) getrennte Wochenenden hätte. Dann könnte man auch mal Sonntags zur Schachbuli. Außerdem sollte die Vereine dazu gezwungen werden 5-6 Spieler aus den 8 Spielenden mit regionalen Spielern zu füllen. Somit kann man sich ein wenig mehr mit den Spielern identifizieren und es ist noch genügend Star-Potential vorhanden. Andere Länder machen das doch auch so. Aber die Schachbundesliga will ja unbedingt die stärkste Liga der Welt sein und verzichtet daher freiwillig auf Zuschauer und freut sich mehr über die Online-Betrachter aus anderen Regionen...
Schachspieler2 Schachspieler2 18.10.2016 05:37
Solange gewisse Leute ihren Platz nicht für kompetentere Leute freigeben, wird sich nie etwas an der Zuschauerfrage ändern. Gute Ideen reichen nicht aus, solange inkompetente Fuzzies meinen, diese Ideen selbst auszuprobieren, anstatt Leute ranzulassen, die es können.
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