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„Bobby Fischer bleibt für mich der Größte“
Was hatte der Amerikaner ihnen voraus?
Er kam aus einer anderen Welt und war Autodidakt. Dass Fischer es ohne
entsprechendes Hinterland bis zum Gipfel des Schacholymps geschafft hat, zeigt
seine einmalige Größe. Er gewann ein dramatisches Match, bei dem man den großen
politischen Einfluss der Russen im Hintergrund durchaus spürte.
Wie war es beim WM-Match Kasparow-Karpow in London 1986, das Sie auch
leiteten?
Die ganz großen Spannungen fielen dort weg, es war nicht mehr so ein Politikum
wie in den Zeiten des kalten Krieges. Dort erlebten wir mehr eine
Auseinandersetzung zwischen zwei Spielmethoden.
Karpow beklagte einmal, das westliche Schachpublikum habe seinem jungen
Kontrahenten mehr die Daumen gedrückt. Für wen schlug Ihr Herz damals?
Was mich angeht, so war absolute Neutralität in jedem Fall das oberste Prinzip.
Ich habe mich aber natürlich an der Spielstärke der beiden erfreut. Ihre Partien
waren für mich ein Genuss, das ist klar. Es war ein notwendiger Leckerbissen,
denn ohne diesen bliebe die Schachkunst nur ein abstraktes Gebilde. Immer muss
auch die Freude über das Besondere dabei sein.
Was fanden Sie so großartig an diesen Ausnahmekönnern?
Sie waren beide ausgezeichnet vorbereitet, spielten sehr ideenreich und stellten
sich psychologisch auf den Gegner ein, so gut es ging.
Wie beurteilen Sie die heutigen Nachfolger der beiden K.?
Inzwischen gibt es mit Anand, Kramnik und auch mit dem Kronprinzen Carlsen
würdige Spitzenleute. Der junge Norweger hat ja mit Kasparow schon mehrmals in
aller Stille trainiert. Spannend wäre ein direkter Vergleich zwischen diesen
Generationen. Aber naturgemäß spielt auch im Schach das Alter eine gewisse
Rolle. Das Durchhaltevermögen am Brett lässt mit den Jahren zwangsläufig nach.
Die Top-Spieler von heute zeigen aber weniger Profil. Ist diese Generation
vielleicht etwas zu brav?
Das liegt an der jeweiligen Persönlichkeit. Bobby Fischers Naturell und auch
seine Ära waren einmalig. Nicht nur wegen des kalten Krieges. Der Amerikaner
stellte zum Beispiel harte Bedingungen für den damals vakanten Wettkampf gegen
den Russen Karpow. Aber der Weltschachbund FIDE hat Fischers Sonderwünsche
dummerweise nicht akzeptiert. Die entscheidende Abstimmung brachte ein ganz
knappes Ergebnis, wodurch das WM-Duell gegen Karpow nicht stattfand.
Der Russe wurde darum 1975 am grünen Tisch Weltmeister. Heute nennt Karpow
den nicht gespielten Wettkampf gegen Fischer selbst ein Versäumnis der
Schachgeschichte.
Das sehe ich ähnlich. Sicher waren Fischers Bedingungen etwas überzogen, aber
man hätte sie in Anbetracht seiner Genialität vielleicht annehmen sollen. So ist
dieses historische Ereignis dem Schach leider verloren gegangen.
Braucht die Schachwelt mehr große Helden als sie derzeit hat?
Natürlich. Gerade nach außen benötigen wir Vorbilder. Ich möchte hier das Wort
Glücksbringer verwenden. Diese sind ein Antrieb für junge Leute, sich ernsthaft
mit Schach zu beschäftigen. Unser Sport braucht Helden mit einem Nachweis von
Genialität. Diese muss sich nicht nur äußerlich, sondern vor allem in den
Partien zeigen.
Schachgenies wachsen aber nicht auf Bäumen. Deutschland hat seit langer
Zeit keinen großen Spieler hervorgebracht.
Solche Leute kommen immer mal wieder, wenn auch nur alle paar Jahrzehnte. Wie
damals zum Beispiel Robert Hübner. Er war auf einmal da, kam bis in die
Weltspitze, war dann aber vielleicht schon zufrieden und ging irgendwann wieder.
Viel länger hielten sich Kasparow und Karpow an der Spitze. Ein wichtiger
Grund war neben ihrem großen Können sicher auch viel Ehrgeiz?
Diese Eigenschaft ist sehr wichtig. Kasparow war ein Genie nicht nur am Brett,
sondern auch durch gewisse Umstände, die sich in ihm selber zeigen. Dass er
Schach vor ein paar Jahren plötzlich einfach liegen ließ und zur Politik
wechselte, ist so ungewöhnlich, dass man ihn außerhalb der normalen Reihe
betrachten kann. Im Schach war Kasparow mit Recht für lange Jahre die Nr. 1.
Karpow ist ganz nahe an ihm dran, aber er spielte seine Partien auf andere Art.
Also Fischer – Kasparow - Karpow lautet Ihre historische Rangfolge der
größten Schachspieler?
So ist es. Nur gibt es heute keine Vergleichsmöglichkeiten mehr. Dass die beiden
K. jetzt in Spanien spielen, halte ich für eine sehr gute Idee. Leider ist es
kein WM-Format und die Distanz zu kurz, um Aussagen über die Spielstärke machen
zu können. Wenn es 20 klassische Partien wären, dann ja. Aber darum geht es in
Valencia nicht. Man wird sich dort eine Woche lang einfach am Spiel zweier
Meister freuen können, die ein Stück Schachgeschichte verkörpern.
Tut dies der amtierende Weltmeister aus Indien auch?
Viswanathan Anand ist ebenfalls ein sehr feiner Spieler. Er hat große
Kontinuität gezeigt, war in vielen Turnieren Erster und ist absolute Weltspitze.
Die nächsten Hochbegabten sind aber schon da, zum Beispiel Magnus Carlsen.
Am Rande des Duells gibt es in Valencia auch ein internationales Symposium
zur Schachgeschichte. Sie nehmen ebenfalls daran teil.
Ich fahre gemeinsam mit meinem Freund Thomas Thomsen hin, der aus Spanien
stammt, obwohl er Deutscher ist. Er hat das vermittelt. Herr Thomsen verfügt
über gute Schachbeziehungen überall hin. Und ich habe diese Einladung sehr gern
angenommen.
Bekommen Sie noch viele solcher Angebote?
Ja, trotz meines beinahe biblischen Alters. Eine andere Einladung habe ich für
Anfang Oktober nach New York. Ich weiß aber noch nicht, ob ich sie annehme. Dort
soll ein Film über Bobby Fischer gedreht werden. Aus beruflichen und
Altersgründen kann ich nicht mehr alles machen. Ich glaube nicht, dass ich auch
noch nach New York gehen werde.
Aber ein reizvolles Projekt ist das schon oder?
Das finde ich auch. Deshalb habe ich die dortigen Filmer gefragt, ob sie nicht
nach Valencia kommen wollen. Dann könnte man ebenfalls auf Fischers Spuren
wandeln und Karpow sowie Kasparow, die sich gern mit ihm am Brett duelliert
hätten, nach ihrer Meinung fragen. Dass Bobby vielleicht der genialste
Schachmeister von allen war, steht für mich außer Zweifel. Aber ob er der
bessere Matchspieler war, das hätte man ausprobieren müssen. Und es ist zu
schade, dass es nie zu einem Wettkampf zwischen ihm und Karpow oder dann auch
Kasparow gekommen ist.
Spanien wird von den Gastgebern in Valencia als Wiege des modernen Schachs
bezeichnet. Was sagt der schachhistorisch sehr bewanderte Lothar Schmid dazu?
Da ist etwas dran. Das erste gedruckte Schachlehrbuch der Welt stammt vom
Spanier Lucena. Es ist 1497 erschienen und gilt als erstes Zeugnis der modernen
Form des Schachs in Europa. Das Werk markierte den großartigen Beginn einer
neuen Ära des Spiels. Heute wird es von den Schachbibliotheken dringendst
gesucht. Es gibt jedoch weltweit nur noch wenige Exemplare. Ich schätze mich
glücklich, eines davon zu besitzen.
Wie ist Ihnen der Kauf geglückt? Das Buch war doch sicher sehr teuer?
Um in seinen Besitz zu kommen, bin ich eigens nach Rio de Janeiro geflogen. Dort
konnte ich ein Exemplar erwerben. Das Buch war in der Tat sündhaft teuer. Ich
habe ein halbes Jahr überlegt, ob ich es kaufe. Der Preis ist so hoch gewesen,
dass ich darüber überhaut nicht sprechen möchte.
Danke für das Gespräch und bis zum Wiedersehen in Valencia!
Ja, es wird wieder einmal Zeit.