Karpov wieder zuhause

von André Schulz
16.11.2022 – Die Nachrichten aus Russland über Karpovs Unfall und Gesundheitszustand waren reichlich widersprüchlich. Am Ende war alles weit weniger schlimm, als zum Teil berichtet und Karpov konnt zwischendurch Grüße zum Karpov Festival nach Cap d'Agde schicken. Jetzt ist der 12. Weltmeister wieder zuhause. Eine Chronik der Nachrichten und die Partien des Festivals. | Foto: Susan Polgar

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Verwirrendes Gesundheits-Bulletin

FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich meldete am Dienstag, dass Anatoly Karpov aus dem Krankenhaus entlassen wurde und dass es ihm gut gehe. Immer noch gibt es aber in russischen Quellen und Medien unterschiedliche Angaben darüber, was eigentlich passiert ist und aus welchem Grund Karpov am 29. Oktober in das Moskauer "Sklifosovsky Clinical and Research Institute for Emergency Medicine" eingeliefert werden musste. 

Der sorglose Umgang mit Nachrichten und die willkürlich wirkende Vermischung von Fakten, Vermutungen und Verschörungstheorien in den russischen Medien und bei den beteiligten Personen löst zumindest Erstaunen aus.

Anatoly Karpov, Abgeordneter des russischen Parlaments Duma, wurde am Samstag, den 29. Oktober unweit des Duma-Gebäudes auf dem Bürgersteig liegend bewusstlos aufgefunden. Er soll zunächst in das städtische Krankenhaus gebracht und dann in das Sklifosovsky Institut verlegt worden sein. In einigen russischen Quellen wurde berichtet, Karpov hätte sich in einem stark alkoholisierten Zustand befunden. Die Ärzte hätten eine geschlossene Schädelverletzung und einen Bruch des linken Oberschenkelhalsknochens diagnostiziert. Außerdem wurde eine Lungenentzündung gemeldet. Es gab auch Meldungen, Karpov sei in ein künstliches Koma versetzt worden sein oder sogar, er hätte einen Schlaganfall gehabt.

An den folgenden Tagen erschienen in den russischen Medien viele verschiedene Versionen davon, was passiert sein soll. Nach Darstellung von Andrej Kowaljow, dem Vorsitzenden der Allrussischen Unternehmerbewegung, wurde Karpov von Unbekannten nach Verlassen des Duma-Gebäudes niedergeschlagen und schwer verletzt liegengelassen. Diese Version wurde aber umgehend Karpows Assistent Albert Stepanyan dementiert. In seiner Version soll Karpov auf der Straße ausgerutscht und beim Fallen mit dem Kopf aufgeschlagen sein. Er soll mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert worden sein. Albert Stepanyan verwies auch die Meldungen über Knochenbrüche ins Reich der Märchen.

Andrej Kowaljow bestand trotz der Dementis, auch aus dem Kreis von Karpovs Familie, auf seiner Version. Er hätte die Meldung über einen Angriff auf Karpov von einer Quelle aus dem Umkreis von Karpov erfahren, der er vertraute, betonte er gegenüber Gazeta.ru. An einen Unfall glaubte Kowaljow nicht. Tatsächlich ist die Nachricht von einem betrunkenen Karpov sehr unglaubwürdig, da der 12. Weltmeister nie ein Freund des Alkohols war. Vielleicht wurde der Angriff auf Karpov im Auftrag ausgeführt, vermutete Kowaljow.

Karpovs Ehefrau Natalya Bulanova gab eine weitere Version an. Karpov seit auf dem Weg zu einem Café auf dem rutschigen Weg ausgerutscht und hätte sich dabei den Kopf angeschlagen. Er hätte ein kleines Hämaton am Kopf und würde nach dreitägiger Beobachtung im Krankenhaus entlassen. Karpovs Tochter Sophia bestätigte die Version eines Unfalls.

Natalya Bulanovas Hoffnung auf einen kurzen Krankenhausaufenthalt ihres Mannes entgegen stand aber eine Nachricht von Isvestija, in der von ernsthaften Verletzungen bei Karpov berichtet wurde, ein Hirnödem, eine Fraktur des rechten Scheitelbeins und des rechten Schläfenbeins, Hämatome am Schädel und einen geschlossen Bruch des linken Oberschenkelhalsknochens. Karpov sei im Krankenhaus an ein Beatmungsgerät angeschlossen, meldete Iswestija zudem.

Über die Umstände von Karpovs Sturzes wurden dann neue Details veröffentlicht. So soll Karpov sich in seinem Büro in der Duma aufgehalten haben, als ihn ein Anruf aus der kasachischen Botschaft erreichte. Der kasachische Botschaft habe Karpov zu einer Feier in die Botschaft eingeladen und einen Wagen zum Hof der Duma geschickt, um ihn abzuholen. Auf dem Weg zum Auto sei Karpov gestürzt.

Nachdem Nataliya Bulanova ihren Mann im Krankenhaus besucht hatte, berichtete sie gegenüber der Presse, dass Karpov sich schon darüber beklagte, dass die Ärzte ihn noch zur Beobachtung im Krankenhaus behielten und ihn nicht schon entließen, was den in manchen Medien gemeldeten schweren Verletzung deutlich widersprach.

Letzten Freitag wurde von unterschiedlichen russischen Medien jedoch einerseits gemeldet, Karpov befände sich auf dem Weg der Besserung, andererseits, der 12. Weltmeister befände sich  aufgrund von Hirnblutungen in einem kritischen Zustand und ringe um sein Leben.

Am folgenden Montag äußerte sich Sergey Karjakin gegenüber Tass und bestätigte den guten Erholungsverlauf von Karpov. Meldungen über einen kritischen Zustand wären falsch. 

Am Dienstag (8. November)  meldete sich dann Albert Stepanyan, auch Mitglied des Aufsichtsrats des Russischen Schachverbands, bei Sport Express zu Wort und berichtete, dass Karpov sich noch auf der Intensivstation befände. Sein Zustand hätte sich noch nicht wesentlich gebessert. Er mache immerhin langsame Fortschritte und sei inzwischen auch bei Bewusstsein. Als Quelle gab Stepanyan ein Telefonat mit Karpovs Frau an. Die größten Probleme würden durch eine Lungenentzündung verursacht, berichtete Stepanyan nun gegenüber M24.ru

Tags darauf meldete Albert Stepanyan gegenüber Sport.ru, dass Karpov bereits telefonieren könne. Seine Verletzungen wären nicht so schlimm, wie anfangs berichtet. Es gäbe auch keine Knochenbrüche. Der Ex-Weltmeister befände sich aber immer noch auf der Intensivstation. 

Am Freitag wurde von Karpovs Frau Natalya Bulanova gemeldet, dass Karpovs Zustand sich deutlich gebessert hätte. Er könne sprechen und würde fernsehen. Er würde jetzt nur noch zur Beobachtung für ein paar Tage im Krankenhaus behalten, sei aber schon in der Lage seinem Assistenten Albert Stepanyan Aufträge zu erteilen.

Am nächsten Tag gab es neue Nachrichten. So sollte am Montag (14.11) entschieden werden, ob Karpov aus dem Krankenhaus entlassen werden könne. Am Montag entschieden die Ärzte, meldete Tass, den 12. Weltmeister doch noch ein paar Tag im Krankenhaus zu behalten, da er noch nicht so weit genesen war, wie man gehofft hatte. Es sei unwahrscheinlich, dass Karpov in dieser Woche noch entlassen werden würde, vermutete Albert Stepanyan.

Für alle, die die Meldungen intensiv verfolgt hatten, konnte es nicht überraschend sein, dass Karpov dann am folgenden Tag doch entlassen wurde. FIDE-Präsident Arkady Dvokovich verkündete die Nachricht bei Match TV. "Karpovs Zustand ist gut. Er wird zu Hause weiter gepflegt werden", bestätigte auch Albert Stepanyan. 

 

Foto: Natalya Bulanova (via Europe Echecs)

Karpov hatte schon während seines Krankenhaus-Aufenthalts genügend Kraft, Grußworte nach Cap d'Agde zu schicken, wo seit 20 Jahren ein Schnellschachfestival in seinem Namen ausgetragen wird.

 

 

Karpov Festival Cap d'Agde 

Master Class Band 6: Anatoly Karpov

Auf dieser DVD geht ein Expertenteam Karpovs Spiel auf den Grund. In über 7 Stunden Videospielzeit (jeweils komplett deutsch und englisch) beleuchten die Autoren vier wesentliche Aspekte von Karpovs Spielkunst.

Mehr...

Das alljährliche Schachfestival in Cap d'Agde (4. bis 6. 11) gewann Laurent Fressinet. Traditionell spielen vier Männer und vier Frauen zunächst ein Rundenturnier. Die besten vier Spieler oder Spielerinnen bestreiten Halbfinale und Finale um den Turniersieg.

Laurent Fressinet gewann das Finale gegen Luca Moroni. 

Foto: Marianne Bertola

 

Vorrunde

 

Partien der Vorrunde

 


Partien K.o-Runden

 

 

Capechess...

Chronik bei Europe Echecs...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.