Garry Kasparov wurde in Abwesenheit in Moskau wegen „Rechtfertigung von Terrorismus“ und „Vorbereitung eines Staatsstreiches“ zur Verhaftung ausgeschrieben. Am 22. Dezember wurde am Moskauer Bezirksgericht Samoskworezki eine entsprechende Klage eingereicht. Das Bezirksgericht folgte dem Antrag.
Kasparovs Name befindet sich bereits seit einiger Zeit auf der Rosfinmonitoring-Liste der russischen Regierung, einer Liste „von Terroristen und Extremisten“, die von der Föderalen Finanzüberwachungsbehörde der Russischen Föderation (Rosfinmonitoring) geführt wird. Die Finanzaufsichtsbehörde wurde 2001 von Präsident Putin gegründet. Die Liste umfasst die Namen von mehr als 17.800 Personen und über 800 Organisationen, die von den russischen Behörden als „Terroristen“ oder „Extremisten“ eingestuft werden.
Gemäß der Anklage soll der frühere Schachweltmeister (1985–2000) öffentlich zu „terroristischen Aktivitäten“ aufgerufen und zudem „Terrorismus öffentlich gerechtfertigt und gefördert“ haben. Das russische Strafgesetzbuch sieht für diese Vergehen Freiheitsstrafen von bis zu sieben Jahren vor.
Nach dem Urteil der russischen Behörden und des Gerichts ist Kasparov Teil einer Gruppe sogenannter ausländischer Agenten, die in Russland einen bewaffneten Aufstand und eine gewaltsame Machtübernahme planen und durchführen wollen. Hauptsächlicher Drahtzieher des vorbereiteten Aufstandes soll der frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowski sein, der seinerzeit mehrere Jahre in Russland inhaftiert war und ebenfalls auf der Rosfinmonitoring-Liste als ausländischer Agent geführt wird. Chodorkowski ist nach Auffassung der russischen Behörden Hauptideologe und Gründer des „Antikriegskomitees Russlands“, das nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine („militärische Spezialoperation“) gegründet wurde. In Russland hat dieses Komitee den Status einer „unerwünschten Organisation“. Die an der Organisation beteiligten Personen wurden vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB überwacht. Gemäß den Untersuchungen des FSB wollen die in Europa lebenden Mitglieder der Organisation die gegenwärtige Regierung Russlands stürzen.
Russische Medien vermelden im Zusammenhang mit der Ausschreibung zur Verhaftung, Kasparov sei auch in den internationalen Waffenhandel verstrickt gewesen und an der Planung eines Putsches im Südsudan beteiligt gewesen. Er soll ein Treffen des südsudanesischen Oppositionsführers Peter Ajak mit Vertretern der US-Wall Street vermittelt haben.
2005 hatte Kasparov seinen Rücktritt vom Profischach verkündet und sich seither mit seiner Partei „Das andere Russland“ in der russischen Politik engagiert. Nach der Ermordung seines Mitstreiters Boris Nemzow Anfang März 2015 verließ Kasparov Russland, da er um sein Leben fürchtete. Er blieb ein scharfer Kritiker der russischen Politik und kommentiert die Vorgänge seither aus dem Exil. In seinem Buch „Winter Is Coming“ hatte er die aktuelle Entwicklung bereits früh vorausgesagt.
Die russischen Behörden haben Kasparov nun zur internationalen Fahndung ausgeschrieben.