Kasparov gegen FIBI und Deep Junior
Einen Tag vor Weihnachten reichte die First International Bank of Israel (FIBI)
am Gericht von Delaware Klage gegen den Mehrheitseigner von Kasparov Chess
Online, Gary Kasparov, ein. Kurz zuvor hatte Kasparov die Webseite kasparov.com
vom Netz nehmen lassen und beabsichtigte offenbar, eine Seite gleichen Namens
von Moskau aus ins Internet zu stellen. In der Argumentation der Bank hat
Kasparov dadurch dem Unternehmen KCO die Geschäftsgrundlage entzogen. Ein
Bankkredit von 1,6 Mio. Dollar, für den Kasparov seine Anteile an KCO verpfändet
hatte, sei dadurch geplatzt. Die FIBI wollte durch das Gericht die Schuld
feststellen lassen und die Rechte am Namen Kasparov einklagen. In einer
Presserklärung von Kasparovs Anwalt werden Details zum Hintergrund der Klage
offen gelegt.
Im Jahr 1999 hatten Kasparov und israelische Investoren das Start-Up-Unternehmen
Kasparov Chess Online gegründet. Das vordergründige Ziel war die Entwicklung
einer Spiel-Plattform und die Breitstellung von verschiedenen
Schach-Internetdiensten. Mittelfristig war jedoch der Gang an die Börse geplant,
um wie andere Webfirmen auch durch Aktienverkäufe Geld zu verdienen. Das
Unternehmen agierte von drei Firmsitzen aus, Moskau, New York und Tel Aviv. Die
technische Realisierung wurde in Tel Aviv durchgeführt. Geplant war, innerhalb
von kürzester Zeit die größte Schachseite der Welt hoch zu ziehen. Zu diesem
Zweck wurde ein gewaltiger Aufwand betrieben.
Das Unternehmen startete mit 120 Mitarbeitern und verbrauchte in weniger als
drei Jahren 13 Mio. Dollar. Der Plan, durch Gang an die Börse Geld zu verdienen,
platzte zusammen mit der Internetblase des Neue Marktes. Für den kleinen
Schachmarkt war das Untenehmen völlig überdimensioniert. Anfang 2002 musste KCO
sein Scheitern eingestehen und fast alle Mitarbeiter entlassen. Auf kleinem
Level konnte die Seite mit deutlich reduziertem Dienstleistungsumfang weiter
betrieben werden. Ende 2002 wurde kasparov.com offenbar auf Betreiben von
Kasparov abgeschaltet. Anscheinend beabsichtigte der Ex-Weltmeister aus die
Realisierung einer neuen Seite gleichen Namens.
In der Zwischenzeit hatten sich die israelischen Partner und Kasparov bereits
zerstritten. In der Presseerklärung von Kasparovs Anwalt beschuldigt Kasparov
seine früheren Geschäftsfreunde, ihre Beziehungen zur FIBI genutzt zu haben,
damit diese die Klage gegen Kasparov einreiche.
Mitte letzten Jahres wurde ein Wettkampf zwischen Gary Kasparov und dem
israelischen Computerschach-Weltmeister Deep Junior vereinbart. Ursprünglich
sollte das Match noch vor dem Wettkampf zwischen Kramnik und Deep Fritz
beginnen, musste aber mehrfach verschoben werden. Auch der ursprüngliche
Veranstaltungsort Jerusalem wurde inzwischen durch New York ersetzt. Als
Entschädigung sollte Jerusalem einen kleinen Aufwärm-Wettkampf über zwei Partien
erhalten. Diesen hat Kasparov inzwischen wegen der Klage der FIBI abgesagt. Der
nun am 29. Januar beginnende Wettkampf zwischen Kasparov und Deep Junior
hat durch den Streit der früheren Partner besondere Brisanz erhalten.
André Schulz/7.1.2003
Presseerklärung von
Kasparovs Anwalt zur Klage der FIBI ...